Wie oben schon ausgeführt, sind die Kinder beim Berliner Testament hinsichtlich des erstversterbenden Ehegatten enterbt. Daher haben diese gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Pflichtteilsanspruch, der in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils besteht (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Von den Ehegatten wird es in der Regel nicht gewollt sein, dass die Kinder beim Tod des erstversterbenden Ehegatten ihren Pflichtteil einfordern und somit den überlebenden Ehegatten wirtschaftlich belasten. Zudem liegt dann eine Doppelbegünstigung vor, da der pflichtteilverlangende Abkömmling zum einen den Pflichtteil erhält und dann auch seine testamentarisch vorgesehene Erbquote.[1]

Aus diesem Grunde werden von den Ehegatten vielfach sog. Pflichtteilsstrafklauseln in ihr Berliner Testament aufgenommen. Mit deren Hilfe sollen die Kinder von der Geltendmachung ihres Pflichtteils abgehalten werden.

Diese Pflichtteilsstrafklauseln besagen, dass wenn ein Kind beim Tod des erstversterbenden Ehegatten den Pflichtteil verlangt, soll dieses (und in der Regel sein gesamter Stamm) auch beim Tod des überlebenden Ehegatten nur den Pflichtteil erhalten.

Nachteilig erweist sich hier, dass der Pflichtteilsfordernde zweimalig am Nachlass des Erstversterbenden partizipiert. Denn sofern noch Vermögen des erstverstorbenen Ehegatten beim Tod des überlebenden Ehegatten vorhanden ist, gehört dieses nun zum Nachlass des Letztversterbenden und ist damit auch Bemessungsgrundlage für den zweiten Pflichtteil.

 
Praxis-Beispiel

Pflichtteilsstrafklauseln

Die Ehegatten EM und EF, welche im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, haben sich in einem Berliner Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Als Schlusserben sind die Kinder K 1 und K 2 vorgesehen. Das Testament der Ehegatten beinhaltet eine Pflichtteilsstrafklausel, wonach dasjenige Kind, welches seinen Pflichtteil beim Tod des erstversterbenden Ehegatten einfordert, auch beim Tod des überlebenden Ehegatten nur den Pflichtteil erhalten soll. EF verstirbt. Das Vermögen der EF beträgt bei ihrem Tod 340.000 EUR. Drei Monate später verstirbt auch Ehemann EM. Der Nachlass von EM i. H. v. 477.500 EUR setzt sich aus eigenem Vermögen i. H. v. 180.000 EUR und dem Nachlass der EF i. H. v. 297.500 EUR (geschmälert durch den Pflichtteil des Kind K 1 340.000 EUR ./. 42.500 EUR) zusammen. K 1 fordert nach dem Tod der EF den Pflichtteil.

Die Kinder K 1 und K 2 sind durch die Alleinerbeneinsetzung der Ehegatten enterbt. Aufgrund dessen steht ihnen ein Pflichtteilsrecht zu, welches K 1 beim Tod von EF geltend macht. Der Pflichtteilanspruch beträgt für K 1 1/8 (der gesetzliche Erbteil für K 1 beträgt nach § 1931 Abs. 1 BGB, § 1931 Abs. 3 BGB, § 1371 Abs. 1 BGB und § 1924 BGB 1/4, davon erhält K 1 gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB die Hälfte), d. h. 42.500 EUR (1/8 von 340.000 EUR).

Nach dem Tod von dem EM erhält K 1 entsprechend der Pflichtteilsstrafklausel den Pflichtteil (von EM). Dieser beträgt hier 1/4 von 477.500 EUR (der gesetzliche Erbteil für K 1 beträgt nach § 1924 Abs. 1 BGB und § 1924 Abs. 4 BGB 1/2, davon erhält K 1 gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB die Hälfte), d. h. 119.375 EUR.

Insgesamt partizipiert Kind K 1 durch seine Pflichtteilsansprüche an dem Vermögen der Eltern i. H. v. 161.875 EUR (42.500 EUR + 119.375 EUR) und das Kind K 2 als Schlusserbe i. H. v. 358.125 EUR (520.000 EUR ./. 161.875 EUR).

Hätten die Ehegatten im Testament keine Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen, dann würde K 1 ebenso wie K 2 Schlusserbe beim Tod von EM sein.

K 1 erhielte dann anstatt des Pflichtteils von EM seinen Erbteil, d. h. 1/2 vom Nachlass des EM, d. h. 238.750 EUR (477.500 EUR x 1/2). Der Anteil des K 1 am Nachlass der Eltern würde damit 281.250 EUR (Pflichtteil von EF 42.500 EUR + Erbteil EM 238.750 EUR) betragen, während dem K 2, der seinen Pflichtteil nicht geltend gemacht hat, nur 238.750 EUR (477.500 EUR x 1/2) zustehen würden.

[1] S. Stein, Geltendmachung des Pflichtteils trotz Strafklauseln als steuerliches Gestaltungsmittel nutzen, Erbfolgebesteuerung 2021 S. 279.

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