Auch ein Vermächtnis kann zivilrechtlich[1] ausgeschlagen werden. Dies hat die folgenden erbschaftsteuerlichen Wirkungen.

a) für den ausschlagenden Vermächtnisnehmer

Zunächst erfüllt der Vermächtnisnehmer den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, d. h. einen Erwerb von Todes wegen (aufgrund Vermächtnis).

Macht der Vermächtnisnehmer von seinem Ausschlagungsrecht Gebrauch, so entfällt bei ihm rückwirkend die Erbschaftsbesteuerung des ihm angefallenen Vermächtnisses. Ist die Steuerfestsetzung schon erfolgt, ist diese ebenso wie bei der Ausschlagung einer Erbschaft als steuerlich rückwirkendes Ereignis aufzuheben.[2] Auch ist die bezahlte Erbschaftsteuer wieder zu erstatten.[3] Die Ausschlagung ist nicht als Schenkung anzusehen.[4]

b) für den Ersatzvermächtnisnehmer

Mit der Ausschlagung des Vermächtnisses fällt diesem das Vermächtnis zu. Damit hat dieser das Vermächtnis der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Steuertatbestand ist hier ebenso § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

c) für den Erben

Ist vom Erblasser kein Ersatzvermächtnisnehmer benannt worden, so fällt das Vermächtnis durch die Ausschlagung weg. Dies hat zur Folge, dass bei dem mit dem Vermächtnis belasteten Erben die entsprechende Belastung wegfällt. Hierdurch kommt es bei dem Erben zu einer Erhöhung der Bereicherung, die auch die Erbschaftsteuer beim Erben erhöht.

 
Praxis-Beispiel

Ausschlagung eines Vermächtnisses

Erblasser E hat seinen Sohn S zum Alleinerben eingesetzt. Dem Freund F hat E ein Vermächtnis mit einem Wert i. H. v. 80.000 EUR (steuerlicher Wert) ausgesetzt. E verstirbt. Der Nachlass hat einen steuerlichen Wert i. H. v. 600.000 EUR. Darin befindet sich kein begünstigtes Vermögen (z. B. nach § 13a ErbStG oder § 13d ErbStG).

Wird das Vermächtnis von F nicht ausgeschlagen, so ermittelt sich die Bereicherung bzw. der steuerpflichtige Erwerb für Sohn S unter Abzug des Vermächtnisses als Nachlassverbindlichkeit.

 
Vermögensanfall 600.000 EUR
abzüglich Vermächtnislast (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG) ./. 80.000 EUR
abzüglich Erbfallkostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 5 ErbStG) 109.700 EUR
Erbschaftsteuer 11 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG) 12.067 EUR

Schlägt F dagegen das Vermächtnis aus, so erhöht sich die Bereicherung bzw. der steuerpflichtige Erwerb für Sohn S wie folgt.

 
Vermögensanfall 600.000 EUR
abzüglich Erbfallkostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) 400.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 5 ErbStG) 189.700 EUR
Erbschaftsteuer 11 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG) 20.867 EUR

Für den Freund F ergibt sich für den Vermächtnisanfall[5] die folgende Erbschaftsteuer:

 
Vermögensanfall (Vermächtnis) 80.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) ./. 20.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 5 ErbStG) 60.000 EUR
Erbschaftsteuer 30 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG) 18.000 EUR
[1] siehe Tz. 1.1.8.
[3] Uricher, in Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG und BewG, 3. Aufl. 2017, § 3 ErbStG Rn. 6.

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