Leitsatz

Ein "Vertreterrecht" ist beim Handelsvertreter auch dann als entgeltlich erworbenes immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens zu aktivieren, wenn die Einstandszahlung an den Geschäftsherrn für die Übernahme der Handelsvertretung erst bei Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Verrechnung mit dem dann fälligen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB erbracht werden soll und dem Handelsvertreter bereits bei Erwerb des Vertreterrechts der teilweise Erlass der Einstandszahlung für den Fall zugesagt wird, dass der künftige Ausgleichsanspruch hinter dem Übernahmepreis zurückbleibt.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

Mit Handelsvertretervertrag vom 05.09.1997 übernahm die Klägerin eine Anzeigenvertretung für die X-GmbH (Geschäftsherrin). Die X-GmbH überließ der Klägerin in diesem Zusammenhang einen Kundenstamm, den die Vertragsparteien mit rd. 139 000 DM bewerteten. In dem Vertrag heißt es, dass der Klägerin insoweit ein zinsloses Darlehen gewährt werde, das bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses mit einem ggf. anfallenden Ausgleichsanspruch der Klägerin aus § 89b HGB zu verrechnen sei.

Für den Fall, dass dieser Ausgleichsanspruch hinter der Darlehensforderung zurückbleiben sollte, verzichtete die X-GmbH auf den Ausgleich der Differenz.

Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn im Streitjahr 1998 durch Betriebsvermögensvergleich. Hierin nahm sie eine AfA i.H.v. 46 333 DM (= 1/3 von 139 000 DM) auf ein "Vertreterrecht" vor.

Das FA versagte die AfA, weil die Klägerin bislang keine Anschaffungskosten für das Vertreterrecht gehabt habe. Das FG bestätigte die Verwaltungsauffassung (EFG 2004, 883). Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BFH hob die FG-Entscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidung

Ein entgeltlicher Erwerb des Vertreterrechts werde nicht dadurch gehindert, dass der vom Erwerber zu zahlende Kaufpreis gestundet werde. Die im Streitfall getroffene Darlehensabrede sei einer solchen Stundung wirtschaftlich vergleichbar. Diese Abrede hätten die Vertragsparteien um eine Erlassabrede ergänzt, derzufolge die Klägerin von der Entrichtung eines über dem eigenen Ausgleichsanspruch liegenden Übernahmepreises habe freigestellt werden sollen.

Dadurch hätten sie jedoch keine durch das Entstehen eines entsprechenden Ausgleichsanspruchs aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtung der Klägerin i.S.v. § 158 Abs. 1 BGB begründet, sondern einen aufschiebend bedingten Erlass. Die Erlassvereinbarung wirke sich zwar auf die Verpflichtung zur Zahlung des erst mit Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses in Gestalt der Darlehensrückzahlung fälligen Übernahmepreises aus, jedoch nur insofern, als die Zahlungsverpflichtung zunächst in voller Höhe entstanden sei und erst später in demjenigen Umfang wieder entfallen solle, in dem der Ausgleichsanspruch der Höhe nach hinter dem Übernahmepreis für das Vertreterrecht zurückbleibe.

 

Hinweis

Bereits im Urteil vom 18.01.1989, X R 10/86 (BStBl II 1989, 549) hat der BFH entschieden, dass ein Handelsvertreter, der einen eingeführten Vertreterbezirk übernimmt, dadurch einen greifbaren wirtschaftlichen Vorteil und mithin ein als "Vertreterrecht" umschriebenes und vom Geschäftswert (Firmenwert) zu unterscheidendes immaterielles (Einzel-)Wirtschaftsgut erlangt. Hat der Handelsvertreter hierfür eine "Einstandszahlung" zu leisten, liegt ein entgeltlicher, zur Aktivierung und AfA des "Vertreterrechts" führender Erwerb vor. Dabei ist ohne Belang, ob die "Einstandszahlung" vom Vertreter sofort geleistet werden muss oder gestundet wird (vgl. BFH, Urteil vom 18.01.1989, X R 10/86, BStBl II 1989, 549 betreffend Verrechnung der Einstandszahlung mit künftigen Provisionsansprüchen des Handelsvertreters; vgl. ferner auch BFH, Urteil vom 12.07.2007, X R 5/05, DStR 2007, 1809).

Im Streitfall stand es deshalb einem entgeltlichen Erwerb des Vertreterrechts nicht entgegen, dass die Einstandszahlung bis zur Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses gestundet und mit einem ggf. zu diesem Zeitpunkt entstehenden Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zu verrechnen war.

Ebenso wenig hinderte es nach zutreffender Auffassung des BFH im Besprechungsurteil einen von Anfang an vorliegenden entgeltlichen Erwerb, dass die Einstandszahlung durch die Geschäftsherrin in der Höhe (aufschiebend bedingt) erlassen wurde, in der sie den künftig entstehenden Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB überschritt.

Kommt es insoweit zu einem vollständigen oder teilweisen Erlass der gestundeten Forderung auf die "Einstandszahlung", so entsteht zu diesem späteren Zeitpunkt ein a.o. Ertrag.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.08.2007, X R 2/04

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