In § 9 Abs. 4 Satz 5 EStG ist ausdrücklich festgelegt, dass der Arbeitnehmer je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte haben kann. Gleichzeitig wird damit klargestellt, dass ein Arbeitnehmer mit mehreren Dienstverhältnissen durchaus auch mehrere erste Tätigkeitsstätten haben kann. Der Arbeitnehmer kann je Dienstverhältnis ggf. aber auch keine erste, sondern nur auswärtige Tätigkeitsstätten haben. Nutzt ein Steuerpflichtiger neben seiner ersten Tätigkeitsstätte ein häusliches Arbeitszimmer, ist dieses keine Tätigkeitsstätte i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Die Wege zwischen der Wohnung (einschließlich Arbeitszimmer) und der ersten Tätigkeitsstätte im Betrieb sind nicht Wege zwischen 2 Tätigkeitsstätten, sondern solche zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte.[1] Dies galt auch in Zeiten der Corona-Krise und gilt selbst dann, wenn das Arbeitszimmer räumlich nicht in die Familienwohnung integriert ist, sich jedoch in demselben Haus befindet, in dem der Steuerpflichtige seine Wohnung hat.[2] Ebenso sind i. d. R. Wege zwischen einer Betriebsstätte in engem räumlichen Zusammenhang mit der Wohnung eines Steuerpflichtigen zur betrieblichen Tätigkeitsstätte zu beurteilen.[3]

Räume, die sich in unmittelbarer Nähe zur Wohnung des Arbeitnehmers befinden, von den übrigen Räumen der Wohnung nicht getrennt sind und keine in sich geschlossene Einheit bilden (z. B. Home-Office, häusliches Arbeitszimmer), gelten nicht als Betriebsstätte des Arbeitgebers. Dies galt auch in Zeiten der Corona-Krise und gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber diese Räume dem Arbeitnehmer überlässt und der Arbeitnehmer diese beruflich nutzt.[4] Folglich können derartige Räume nicht zu einer ersten Tätigkeitsstätte werden. Fahrten eines Arztes zwischen Wohnung und Praxis sind auch dann als Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte zu beurteilen, wenn die Fahrten zur Erledigung von Hausbesuchen unterbrochen werden. Das Ziel der Fahrten (die Praxis oder bei der Heimfahrt der Wohnort) wird nicht in einer Weise überlagert, dass die Hausbesuche im Vordergrund stehen.[5]

Steht ein Arbeitnehmer gleichzeitig in mehreren Dienstverhältnissen und ist Anfangs- sowie Endpunkt der jeweiligen Fahrt die Wohnung des Arbeitnehmers, handelt es sich bei den Fahrten zu den unterschiedlichen Betrieben jeweils um solche zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.

 
Praxis-Beispiel

Fahrten zu unterschiedlichen Tätigkeitsstätten an unterschiedlichen Arbeitstagen bei mehreren Dienstverhältnissen

Ein Arbeitnehmer arbeitet für 2 Arbeitgeber (A und B). Er fährt jeweils am Montag, Mittwoch und Freitag zu seiner Tätigkeitsstätte in A, Dienstag und Donnerstag zu der in B. In diesem Fall greift § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG mit seinen Einschränkungen.

Werden im Rahmen zweier Dienstverhältnisse 2 Tätigkeitsstätten unmittelbar nacheinander, ohne zwischenzeitliche Rückkehr in die Wohnung, aufgesucht, soll nach Auffassung der Finanzverwaltung die Fahrt zur ersten Tätigkeitsstätte als Umweg bei der Fahrt zur zweiten zu berücksichtigen sein. In diesem Fall wird jedoch bei der Anwendung der Entfernungspauschalen höchstens die Hälfte der Gesamtstrecke berücksichtigt.[6]

 
Praxis-Beispiel

Fahrten zu unterschiedlichen Tätigkeitsstätten am gleichen Arbeitstag

Ein Arbeitnehmer fährt vormittags von seiner Wohnung A zur Tätigkeitsstätte B seines ersten Arbeitgebers, nachmittags weiter zur Tätigkeitsstätte C seines zweiten Arbeitgebers und abends zur Wohnung in A zurück. Die Entfernungen betragen zwischen A und B 30 km, zwischen B und C 40 km und zwischen C und A 50 km. Die Gesamtentfernung beträgt 30 + 40 + 50 km = 120 km, die Entfernung zwischen der Wohnung und den beiden Tätigkeitsstätten 30 + 50 km = 80 km. Da dies mehr als die Hälfte der Gesamtentfernung ist, sind (120 km : 2 =) 60 km für die Ermittlung der Entfernungspauschale anzusetzen.[7]

M. E. sind die Aufwendungen für die Fahrten zwischen 2 Tätigkeitsstätten in der Höhe der tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen bzw. die Reisepauschalen anzusetzen.[8]

Fahrtkosten einer selbstständig tätigen Musiklehrerin sind uneingeschränkt als Betriebsausgaben abzugsfähig, soweit sie zwischen Wohnung und ständig wechselnden Unterrichtseinrichtungen anfallen und keiner dieser Beschäftigungsstätten eine zentrale Bedeutung zukommt.[9] Diese Grundsätze gelten auch für Arbeitnehmer.

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