Leitsatz

1. Die Verpflichtung eines Unternehmers, seine USt-Voranmeldungen dem FA grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, ist verfassungsgemäß.

2. Beantragt der Unternehmer, zur Vermeidung von unbilligen Härten die Umsatzsteuer-Voranmeldungen (weiterhin) nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in Papierform abgeben zu dürfen, muss das Finanzamt diesem Antrag entsprechen, wenn dem Unternehmer die elektronische Datenübermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist.

3. Liegt eine solche wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit nicht vor, verbleibt es bei dem Anspruch des Unternehmers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Finanzamts über diesen Antrag.

4. Der Unternehmer darf vom Finanzamt hinsichtlich der zur Erfüllung der Erklärungspflicht auf elektronischem Weg erforderlichen Hard- und Software grundsätzlich nicht auf den Internetzugang anderer "Konzerngesellschaften" verwiesen werden.

 

Normenkette

§ 18 Abs. 1 UStG, Art. 22 Abs. 4 Buchst. a der 6. EG-RL, Art. 250 Abs. 2 RL 2006/112/EG, § 34 Abs. 1, § 150 Abs. 8 AO, § 101, § 102 FGO

 

Sachverhalt

Im Streitfall hatte eine GmbH & Co. KG den Härtefallantrag nach § 18 Abs. 1 UStG gestellt und u.a. die Verfassungswidrigkeit der Pflicht zur elektronischen Datenübermittlung gerügt.

 

Entscheidung

1. Der BFH entschied, dass die Verpflichtung des Unternehmers, die Umsatzsteuer-Voranmeldungen dem Finanzamt grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, verfassungsgemäß ist.

Er stellte zur Begründung im Wesentlichen darauf ab, dass die elektronischen Daten von den Finanzämtern automatisch weiterverarbeitet werden könnten. Dies diene u.a. der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und erleichtere die notwendige Kontrolle. Die Regelung sei auch nicht unverhältnismäßig, denn die Härtefallregelung berücksichtige die berechtigten Belange der Steuerpflichtigen in ausreichendem Maße.

2. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit einer elektronischen Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen verneinte der BFH im Streitfall angesichts der von der Klägerin erwirtschafteten erheblichen Gewinne.

3. Aus persönlichen Gründen ist eine elektronische Datenübermittlung nach Ansicht des BFH zwar unzumutbar, wenn der Unternehmer über keinerlei Medienkompetenz verfüge und z.B. aufgrund seines Alters auch keinen Zugang zur Computertechnik mehr finden könne.

Darauf berief sich die Klägerin aber ohne Erfolg. Denn ihre Komplementär-GmbH verfügte über vier Geschäftsführer. Anhaltspunkte dafür, dass die beiden jüngeren Geschäftsführer C und D nicht über die für eine elektronische Datenübermittlung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, waren weder vorgetragen noch anderweitig zu erkennen. Die Einwände der Klägerin, C und D seien lediglich formal bestellt und private Gründe hinderten C und D an der Ausübung der Geschäftsführertätigkeit, wies der BFH zurück, weil grundsätzlich jeder Geschäftsführer die steuerrechtlichen Pflichten zu erfüllen habe, die der GmbH auferlegt sind, wie u.a. die Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen.

4. Der BFH entschied ferner, dass eine wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit einer elektronischen Datenübermittlung nicht aus allgemeinen Bedenken gegen die Sicherheit der vom Gesetz vorgesehenen elektronischen Übermittlung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen nach amtlich vorgeschrie­benem Datensatz durch eine Datenübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung (§ 18 Abs. 1UStG) hergeleitet werden könne.

5. Die Klägerin konnte aber dennoch einen Teilerfolg verbuchen. Der BFH bestätigte die bereits vom FG ausgesprochene Verpflichtung des Finanzamts, über den Antrag der Klägerin, ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen (weiterhin) nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in Papierform abgeben zu dürfen, erneut – ermessensfehlerfrei – zu entscheiden.

Denn das Finanzamt hatte bei seiner ablehnenden Entscheidung bislang die von der Klägerin vorgetragenen Gründe für eine Befreiung (u.a. Erledigung der Buchhaltung in Schriftform ohne elektronische Hilfe, nur wenige Geschäftsvorfälle im Jahr) nicht ausreichend gewürdigt. Es hatte die Klägerin stattdessen auf den Internetzugang anderer mit der Klägerin verbundener "Konzerngesellschaften" verwiesen. Dies hielt der BFH für unzulässig.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.10.2009, 5 K 149/05, Haufe-Index 694, EFG 2010, 277.

 

Hinweis

1. Umsatzsteuer-Voranmeldungen müssen dem Finanzamt seit 2005 elektronisch übermittelt werden; auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung unbilliger Härten darauf verzichten – dann muss wie bisher eine Papiererklärung eingereicht werden (§ 18 Abs. 1 UStG).

Das Finanzamt muss dem Antrag entsprechen, wenn die elektronische Übermittlung für den Unternehmer wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist, etwa weil die Schaffung der technischen Voraussetzungen nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Unternehmer nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten ...

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