Die Zulässigkeit des Einspruchs ist davon abhängig, dass der Einspruchsführer eine Beschwer geltend macht. Dies setzt voraus, dass er vom Regelungsinhalt des ergangenen oder erstrebten Bescheids persönlich und sachlich betroffen ist. Eine fehlende Begründung des Einspruchs oder mangelnde Erfolgsaussichten haben auf die Frage der Beschwer keinen Einfluss. Ob wirklich eine Rechtsverletzung vorliegt, ergibt sich erst bei der sachlichen Prüfung im Laufe des Verfahrens und ist eine Frage der Begründetheit.

Persönlich beschwert ist grundsätzlich nur der materielle Adressat eines Steuerverwaltungsakts, da er selbst unmittelbar betroffen ist. In bestimmten Fällen können ausnahmsweise auch Dritte persönlich beschwert sein.

 
Praxis-Beispiel

Rechtsschutz des Erben

Dem Erblasser wird am 1.8.00 ein Einkommensteuerbescheid bekannt gegeben. 2 Wochen später verstirbt er und wird von seinem Sohn beerbt. Dieser kann den Bescheid bis zum 1.9.00[1] anfechten. Als Gesamtrechtsnachfolger i. S. d. § 45 AO rückt er materiell- und verfahrensrechtlich in die Position seines Vorgängers ein.[2]

Die persönliche Beschwer ist nach § 352 AO eingeschränkt in den Fällen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung. In diesen Fällen[3] ist der Personenkreis der Einspruchsbefugten grundsätzlich auf eine Person beschränkt, und zwar den zur Vertretung der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft berufenen Geschäftsführer[4] oder, soweit ein solcher nicht vorhanden ist, z. B. bei einer Vermietungsgemeinschaft, auf den Einspruchsbevollmächtigten i. S. d. § 352 Abs. 2 AO.[5] Bei Letzterem handelt es sich um den gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten i. S. d. § 183 AO. Ist weder ein "Geschäftsführer" noch ein "Einspruchsbevollmächtigter" vorhanden, gibt es keine Anfechtungsbeschränkung. In diesem Fall ist jeder Gesellschafter, Gemeinschafter oder Mitberechtigte einspruchsbefugt.[6] Darüber hinaus gibt es noch Sonderfälle der persönlichen Einspruchsbefugnis. So sind zum einen ausgeschiedene Feststellungsbeteiligte stets, und zwar neben dem "Geschäftsführer", einspruchsbefugt.[7] Zum anderen besteht eine beschränkte Einspruchsbefugnis des jeweiligen Betroffenen bei Streitfragen hinsichtlich der einzelnen Beteiligung, z. B. Beteiligungshöhe oder Sonderwerbungskosten.[8]

Die sachliche Beschwer erfordert, dass der angefochtene Verwaltungsakt eine – mindestens formelle – Benachteiligung für den Einspruchsführer enthält. Bei Steuerbescheiden ergibt sich die Beschwer grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung und nicht aus den einzelnen Besteuerungsgrundlagen.[9] Daher belastet eine auf 0 EUR lautende Steuerfestsetzung oder eine Steuererstattung i. H. d. einbehaltenen Lohnsteuer den Steuerpflichtigen i. d. R. nicht, es sei denn, der Nullbescheid enthält einen Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO.[10] Ebenso fehlt eine Beschwer, wenn eine aus Sicht des Steuerpflichtigen zu niedrige Steuerschuld festgesetzt wird. Kann aber eine angegriffene zu niedrige Besteuerung für spätere Steuerabschnitte oder bei einer anderen Steuerart zu steuerlichen Nachteilen führen, ist eine Beschwer anzunehmen.[11]

Eine Besonderheit gilt im Fall nicht anerkannter oder nachträglich geltend gemachter Verluste nach § 10d Abs. 2 und 4 EStG durch einen Verlustfeststellungsbescheid. Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG wirkt der ESt-Bescheid wie ein Grundlagenbescheid, mit der Folge, dass § 351 Abs. 2 AO[12] entsprechend gilt. Ein Einspruch ist gegen den ESt-Bescheid daher auch dann erforderlich, wenn die Steuerfestsetzung bereits auf 0 EUR lautet und Verluste begehrt bzw. nachgereicht werden sollen. In Bezug auf die festgesetzte Steuer liegt zwar keine Beschwer i. S. d. § 350 AO vor, aber Satz 5 des § 10d Abs. 4 EStG eröffnet auch in einem solchen Fall die betragsmäßige Verlustübernahme in den Verlustfeststellungsbescheid.

Nur ausnahmsweise kann eine Beschwer im unzutreffenden Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen liegen, und zwar dann, wenn diese für andere Verfahren bindend sind. Diese Bindungswirkung kann zu einem steuerlichen oder auch zu einem außersteuerlichen Verwaltungsakt bestehen. So kann z. B. bei zusammenveranlagten Ehegatten die fehlerhafte Zurechnung von Besteuerungsgrundlagen dann eine Beschwer begründen, wenn die Zurechnung für eine spätere Aufteilung der Steuerschuld nach §§ 268ff. AO bedeutsam sein kann.[13]

 
Praxis-Beispiel

Beschwer trotz Null-Steuer

Der Adressat eines Einkommensteuerbescheids ist trotz einer auf 0 EUR lautenden Steuerfestsetzung beschwert, wenn in dem Bescheid positive Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 und 2 EStG angesetzt sind und deshalb der Antrag eines Angehörigen auf Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) abgelehnt wird.[14] Die Bindung für BAföG-Leistungen erstreckt sich aber nur auf die im Steuerbescheid aufgeführten Einkünfte, nicht auf die außergewöhnlichen Belastungen.[15]

An einer Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheids fehlt es auch, wenn die Freistellung von der Rückzahlung eines BAföG-Darlehens begehrt wird.[16]

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