Leitsatz

1. Die Abgrenzung zwischen betrieblich veranlassten Darlehen und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einlagen ist anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten vorzunehmen. Einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs ist dabei nicht die Qualität unverzichtbarer Tatbestandsvoraussetzungen beizumessen (Bestätigung des Senatsurteils vom 29. Oktober 1997, I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, unter II.2.).

2. Der Topos des sog. Konzernrückhalts beschreibt lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und bringt die Üblichkeit zum Ausdruck, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern (insoweit entgegen Senatsurteile vom 24. Juni 2015, I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, unter II.3.d).

3. Die fehlende Darlehensbesicherung gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD MustAbk (hier: Art. 9 DBA-Belgien 1967).

4. Art. 9 Abs. 1 OECD MustAbk (hier: Art. 9 DBA-Belgien 1967) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (entgegen Senatsurteile vom 24. Juni 2015 I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und vom 17. Dezember 2014, I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261).

5. Ob einer Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Unionsrechts entgegensteht, bestimmt sich nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Dabei sind das wirtschaftliche Eigeninteresse und die Finanzierungsverantwortung auf der einen Seite sowie die strukturelle Nähe zur Eigenkapitalausstattung und die Änderung des Vermögens und Liquiditätsstatus des Darlehensgebers auf der anderen Seite zu berücksichtigen.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1, § 1 Abs. 4 AStG i.d.F. des StVergAbG, § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG, Art. 31 Abs. 1 WÜRV, Art. 3 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk, Art. 3 Abs. 2, Art. 9 DBA-Belgien 1967

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische GmbH, ist Alleingesellschafterin und Organträgerin einer anderen inländischen A-GmbH. Die A-GmbH wiederum war mit über 99 % an einer belgischen Kapitalgesellschaft (B-N.V.) beteiligt. Für diese führte die A-GmbH ein mit 6 % verzinstes Verrechnungskonto. Im Streitjahr 2005 verzichtete die A-GmbH auf eine ihr zustehende Forderung aus dem Konto gegenüber der B-N.V. Die Forderung wurde in der Bilanz der A-GmbH gewinnmindernd ausgebucht.

Das FA neutralisierte die Gewinnminderung gemäß § 1 Abs. 1 AStG durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung.

Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2015, 6 K 2095/13 K, Haufe-Index 10395992, EFG 2017, 553).

 

Entscheidung

Der BFH sah die vom FA eingelegte Revision als begründet an. Er hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab.

 

Hinweis

1. Mit dem Urteil vom 27.2.2019 hat der BFH den ersten sog. Sperrwirkungsfall gewissermaßen als Pilotfall entschieden. Weitere Revisionsverfahren zur selben Problematik sind beim I. Senat des BFH anhängig und werden in den kommenden Wochen einer Entscheidung zugeführt. Jeder Sperrwirkungsfall liegt sachverhaltsmäßig etwas anders, sodass die Ergebnisse dieser Verfahren nicht in jeder Hinsicht von der Pilotentscheidung vorgezeichnet sind.

2. Wenn soeben von derselben Problematik gesprochen wurde, so ist dies eigentlich nicht korrekt. Denn wie die vielen Leitsätze zeigen, stellen sich in den Sperrwirkungsfällen typischerweise sechs aufeinander aufbauende Rechtsprobleme. Der BFH hat in der Besprechungsentscheidung jeweils eine Antwort gegeben und hierbei in zwei zentralen Fragen seine Rechtsprechung geändert.

3. Wie im Pilotfall liegt den Sperrwirkungsfällen typischerweise ein relativ einfacher Lebenssachverhalt zugrunde: Eine inländische Mutterkapitalgesellschaft gewährt ihrer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft ein Darlehen, das "Auffälligkeiten" aufweist, etwa das Fehlen einer "handelsüblichen" Besicherung. Einige Zeit später kommt die Tochtergesellschaft finanziell ins Trudeln und bedient das Darlehen nicht mehr. Die Muttergesellschaft nimmt schließlich gewinnwirksam eine Teilwertabschreibung der Darlehensforderung vor.

4. Dieser Sachverhalt wirft sechs Fragen auf, die der BFH nunmehr wie folgt beantwortet hat:

a) Handelt es sich angesichts der "Auffälligkeiten" bei der Darlehenshingabe überhaupt noch um ein Darlehen oder hat die Muttergesellschaft eine (verdeckte) Einlage vorgenommen? Der BFH verlangt hierzu eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls, ob die Beteiligten im Sinne einer ernstlichen Abrede von einer Kapitalüberlassung auf Zeit und einer Rückzahlungspflicht ausgegangen sind. Fremdunübliche Abreden zu Einzelmodalitäten, etwa zur Besicherung oder zur Zinshöhe, stehen der Behandlung als Fremdkapital nicht von vornherein entgeg...

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