Leitsatz

1. Die nicht ausreichende Besicherung eines Darlehens oder eines Regressanspruchs aus der Inanspruchnahme einer Bürgschaft gehören grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA-Österreich 2000).

2. Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA-Österreich 2000) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (entgegen Senatsurteile vom 24. Juni 2015 – I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und vom 17. Dezember 2014 – I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261).

3. Ob einer Korrektur nach § 1 Abs.  1 AStG der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Unionsrechts entgegensteht, bestimmt sich nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Bei der Korrektur von Gesellschafterforderungen aus Darlehen oder Bürgschaften sind das wirtschaftliche Eigeninteresse und die Finanzierungsverantwortung auf der einen Seite sowie die strukturelle Nähe zur Eigenkapitalausstattung und die Änderung des Vermögens‐ und Liquiditätsstatus des Darlehensgebers bzw. Bürgen auf der anderen Seite zu berücksichtigen.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 und 4 AStG, Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk, Art. 9 Abs. 1 DBA Österreich 2000

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische GmbH, war seit Mai 2001 i.H.v. 50 % an einer österreichischen GmbH beteiligt. Die übrigen Anteile wurden von Personen gehalten, die der Klägerin nicht nahestanden. Diese Personen waren zugleich geschäftsführend für die ausländische Gesellschaft tätig. Die Klägerin gewährte Letzterer fünf Darlehen mit unterschiedlichen Laufzeiten über einen Gesamtbetrag von 419.153,59 EUR. Die Darlehen waren mit jeweils 5,5 % verzinst; zur Sicherheit wurden jeweils unterschiedliche Maschinen übereignet. Darüber hinaus übernahm die Klägerin eine Bürgschaft über 800.000 EUR für ein Darlehen, das eine Sparkasse der österreichischen GmbH gewährt hatte. Nach erfolgten Teilrückzahlungen nahm die Klägerin am 31.12.2003 wegen der negativen Geschäftsentwicklung bei der österreichischen Gesellschaft eine Teilwertabschreibung der Restdarlehensforderungen vor. Im Zuge des eingeleiteten Konkursverfahrens über das Vermögen der österreichischen Gesellschaft nahm die Sparkasse die Klägerin aus der Bürgschaft in Anspruch. Diese bildete daher zum 31.12.2004 eine Rückstellung für Verbindlichkeiten.

Das FA neutralisierte die durch die Teilwertab­schreibung und die Rückstellungsbildung bewirkten Gewinnminderungen gemäß § 1 Abs. 1 AStG durch außerbilanzielle Hinzurechnungen. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.11.2017, 3 K 2804/15, Haufe-Index 11392732, EFG 2018, 269). Das FG folgte insoweit der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach der Einkünftekorrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG die sog. Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entgegenstehe.

 

Entscheidung

Der BFH änderte seine Rechtsprechung zur Sperrwirkung und hob das FG-Urteil auf. Mit der ­ausgesprochenen Zurückverweisung wird dem FG ermöglicht, die fehlenden Tatsachen zum Fremdvergleich festzustellen.

 

Hinweis

1. Es handelt sich wie das auf Seite 336 kommentierte Urteil zu I R 51/17 um eine Parallelsache zur Grundsatzentscheidung des I. Senats im Revisionsverfahren I R 73/16 (BFH, Urteil vom 27.2.2019, I R 73/16, BFH/NV 2019, 731, BFH/PR 2019, 202). Wegen der Einzelheiten kann daher auf diese Entscheidungen und die hierzu in der BFH/PR gegebenen Erläuterungen verwiesen werden.

2. Die Besprechungsentscheidung weist allerdings zwei Besonderheiten auf, die den BFH zu einer Klarstellung und zur amtlichen Veröffentlichung bewogen haben: Die "neuen" Rechtsprechungsgrundsätze zur sog. Sperrwirkung kommen auch dann zur Anwendung, wenn die inländische Gesellschaft nicht beherrschend, sondern – wie im Streitfall – lediglich zu 50 % an der Auslandsgesellschaft beteiligt ist. Weder der sog. Konzernrückhalt noch die sog. Sperrwirkung, noch das Unionsrecht stehen der Korrektur der Abschreibung der Darlehensforderung entgegen. Von ausschlaggebender Bedeutung ist allein der Fremdvergleich.

Dieselben rechtlichen Maßstäbe sind anzuwenden, wenn die inländische Gesellschaft nicht selbst ein Darlehen gewährt, sondern sich für die Darlehensschulden der ausländischen Beteiligungsgesellschaft verbürgt. Das einer solchen Bürgschaft zugrunde liegende Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen der inländischen und der ausländischen Gesellschaft stellt eine Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 1 AStG dar, die zur Vermeidung einer Einkünftekorrektur dem Fremdvergleich entsprechen muss.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 27.2.2019 – I R 81/17

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