Es kann aber nicht in allen Fällen auf den einkommensteuerlichen Grenzsteuersatz des Anlegers abgestellt werden. Werden im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung (erstmals) Steuervergünstigungen durch Einbeziehung der Kapitalerträge gewährt, kann auch bei einem über 25-prozentigen Grenzsteuersatz die tarifliche Einkommensteuer auf die Kapitalerträge günstiger als die Abgeltungsteuer sein.

Durch die Erhöhung der Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag ab 2021 ergeben sich auch in Bezug auf die Günstigerprüfung Auswirkungen. Bei vielen Personen entfällt dessen Festsetzung auf die tarifliche Einkommensteuer vollständig. Zu beachten ist aber, dass sowohl bei der Festsetzung der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG als auch im (abgeltenden) Steuerabzugsverfahren nach wie vor die Festsetzung von Solidaritätszuschlag erfolgt.[1] Lediglich bei Anwendung der tariflichen Einkommensteuer im Rahmen der Günstigerprüfung wird die Freigrenze auch für die Kapitaleinkünfte berücksichtigt.

Im Zweifel sollte die Vergleichsberechnung durchgeführt werden, damit dem Anleger keine steuerlichen Nachteile entstehen.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1
(ohne Kirchensteuer) Grundfreibetrag auf Kapitalerträge

Ein Anleger (ledig) erzielt im Jahr 2023 nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags 20.000 EUR Kapitaleinkünfte. Die übrigen Einkünfte führen zu einem zvE von 5.000 EUR.

 
  Mit gesondertem Tarif für Kapitaleinkünfte Progressiver Tarif für alle Einkünfte
  EUR EUR
ZvE "übrige ­Einkünfte" 5.000 5.000
zzgl. Kapital­einkünfte 20.000
ZvE 5.000 25.000
Einkommensteuer 0,00 3.280,00
SolZ hierauf 0,00 0,00
zzgl. fixe Steuer auf Kapitaleinkünfte (20.000 × 25 %) 5.000,00
SolZ hierauf 275,00
Gesamtsteuer 5.275,00 3.280,00

Obwohl der Grenzsteuersatz des Anlegers über 25 % (hier: 27,43 %) liegt, ist die tarifliche Einkommensteuer auf alle Einkünfte für den Anleger günstiger, da sich hierbei erstmals der gesamte Grundfreibetrag auswirkt.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2
(ohne Kirchensteuer) Altersentlastungsbetrag

Eheleute A und B (beide 85 Jahre alt) erzielen in 2023 Versorgungsbezüge, die zu einem zu versteuernden Einkommen i. H. v. 60.000 EUR führen. Weiterhin erzielen sie nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags 10.000 EUR Kapitaleinkünfte. Diese entfallen zu je 1/2 auf die Ehegatten.

 
  Mit gesondertem Tarif für Kapitaleinkünfte Progressiver ­Tarif für alle ­Einkünfte
  EUR EUR
ZvE "übrige Einkünfte" 60.000 60.000
zzgl. Kapital­einkünfte 10.000
abzgl. Alters­entlastungsbetrag (2 × 1.900 EUR)   –3.800
ZvE 60.000 66.200
Einkommensteuer 9.400,00 11.256,00
SolZ hierauf 0,00 0,00
zzgl. fixe Steuer auf Kapitaleinkünfte (10.000 × 25 %) 2.500,00
SolZ hierauf 137,50  
Gesamtsteuer 12.037,50 11.256,00

Obwohl der Grenzsteuersatz der Anleger über 25 % (hier 30,55 %) liegt, ist die tarifliche Einkommensteuer auf alle Einkünfte für die Anleger günstiger, da sich hierbei erstmals der Altersentlastungsbetrag auswirkt. Dieser ist nicht zu berücksichtigen, wenn der Anleger nur Versorgungsbezüge (oder Renten) erzielt.[2]

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