Ziel der Regelung ist es, beschränkt Steuerpflichtige, die ihr wesentliches Einkommen im Inland erzielen, wie unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Inländer zu behandeln. Die Abgrenzung der Grenzpendlereigenschaft orientiert sich deshalb ausschließlich an den Einkommensverhältnissen. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige arbeitstäglich zwischen ausländischem Wohnort und inländischem Arbeitsort pendelt. Das Gesetz stellt für die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht folgende Grenzen auf[1]:

  • Begünstigt sind Steuerpflichtige, deren Summe der Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen (relative Wesentlichkeitsgrenze), oder
  • falls diese Grenze nicht erreicht ist, wenn die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag (2023: 10.908 EUR) im Kalenderjahr nicht übersteigen (absolute Wesentlichkeitsgrenze).

Bei der Berechnung der Einkommensgrenze von 90 % bleiben Einkünfte, die nach den Bestimmungen eines DBA im Inland der Höhe nach nur beschränkt besteuert werden dürfen, außer Ansatz.[2] Ebenfalls außer Ansatz bleiben im Ausland nicht steuerpflichtige Einkünfte, wenn vergleichbare Einkünfte auch im Inland steuerfrei sind. Ausländische Bezüge, die, wie z. B. das niederländische Arbeitslosengeld[3], im jeweiligen Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, müssen dagegen weiterhin in die Ermittlung der Einkommensgrenzen einbezogen werden.[4] Diese Regelung ergibt sich durch eine geänderte Fassung des § 1 Abs. 3 EStG als Ergebnis der EuGH-Rechtsprechung.[5] Der BFH hat diese Rechtsauslegung bestätigt. Niederländische Arbeitslosengeldzahlungen sind als ausländische, nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte in die Berechnung der Einkunftsgrenzen einzubeziehen.[6] Die der Abgeltungsteuer unterliegenden (inländischen und ausländischen) Kapitalerträge sind in die Berechnung der für die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht maßgebenden Einkunftsgrenzen einzubeziehen.[7]

Erfüllt der Steuerpflichtige die Voraussetzungen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht, sind die ermäßigt zu besteuernden Auslandseinkünfte gleichwohl in dessen Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen. Im Übrigen ist der Betrag von 10.908 EUR in bestimmten Ländern entsprechend der für Unterhaltszahlungen geltenden Ländergruppeneinteilung zu kürzen.[8]

Bei der Einkommensteuerveranlagung 2023 beträgt die Einkunftsgrenze 2.727 EUR, 5.454 EUR bzw. 8.181 EUR, je nachdem, in welchem ausländischen Staat der Grenzpendler seinen Wohnsitz hat.[9]

Ermittlungszeitraum bzgl. der 90 %- bzw. der 10.908-EUR-Grenze ist das Kalenderjahr. Beginnt oder endet die Einkommensteuerpflicht im Laufe des Kalenderjahres, sind deshalb auch die Einkünfte in die Berechnung einzubeziehen, die der Steuerpflichtige vor Beginn bzw. nach Beendigung der inländischen Tätigkeit erzielt hat. Die Einkünfte sind – auch soweit sie auf das Ausland entfallen – nach inländischem Steuerrecht zu ermitteln.[10] Aus Vereinfachungsgründen können in Fällen außerhalb der EU/EWR ausnahmsweise die von der ausländischen Steuerverwaltung bescheinigten Beträge übernommen werden.[11] Bei einkommenslosen Ehegatten reicht eine Nichtveranlagungsbescheinigung der jeweiligen Finanzbehörde im Ausland.[12] Bei der Einkommensgrenze bleiben auch Lohnersatzleistungen außer Ansatz, die der Ehegatte im Ausland steuerfrei bezieht, wenn diese bei Bezug im Inland ebenfalls nach den Vorschriften des EStG steuerfrei wären.[13]

Der Gesetzgeber verlangt für die Inanspruchnahme der Vorteile der unbeschränkten Steuerpflicht, dass der Ausländer seine ausländischen Einkünfte durch eine amtliche Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde belegt. Die Finanzverwaltung hat hierzu für die einzelnen Staaten amtliche Vordrucke jeweils in zweisprachiger Fassung aufgelegt (Anlage Grenzpendler EU/EWR bzw. Anlage Grenzpendler außerhalb EU/EWR). Der formelle Nachweis ist materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anerkennung der fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht.[14] Zulässig ist auch eine an die Stelle des amtlichen Vordrucks tretende Ersatzbescheinigung, wenn diese die erforderlichen Angaben zur Höhe der nicht der deutschen Steuer unterliegenden Einkünfte enthält und zudem die Angaben von der ausländischen Steuerbehörde bestätigt sind. Dies gilt auch in den sog. Nullfällen, wenn der Steuerpflichtige überhaupt keine ausländischen Einkünfte erzielt.[15] Für das FG Münster ist in anderem Zusammenhang der Nachweis in Form einer Arbeitgeberbescheinigung über die im Ausland bezogenen und versteuerten Lohneinkünfte ausreichend.[16]

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