Leitsatz

1. Bei der Schätzung des Einheitswerts eines im Beitrittsgebiet belegenen sonstigen Gebäudes auf den 01.01.1935 ist eine Schätzungsmethode, mit der der gemeine Wert des Gebäudes auf der Grundlage des Bodenwerts und des Gebäudewerts ermittelt und jeweils die durchschnittlichen Herstellungskosten für vergleichbare Objekte auf den Stichtag 01.01.1935 zugrunde gelegt sind, rechtlich nicht zu beanstanden. Eine (entsprechende) Anwendung des Sachwertverfahrens der §§ 83 ff. BewG mit allen Detailregelungen ist nicht geboten.

2. Im Anwendungsbereich des § 129 Abs. 2 BewG ist weder der Höchstsatz des Abschlags wegen Alterswertminderung aus § 86 Abs. 3 S. 1 BewG noch der Abschlag für behebbare Baumängel aus § 87 BewG maßgebend.

3. Die Finanzverwaltung bedarf für den Erlass einer bewertungsrechtlichen Verwaltungsvorschrift, die in einer gesetzlichen Bestimmung verwendete unbestimmte Rechtsbegriffe im Interesse der Einheitlichkeit und Praktikabilität ausfüllt, keiner gesetzlichen Grundlage.

4. Die Abweichung von einer bewertungsrechtlichen Verwaltungsvorschrift kann nur geboten sein, wenn der sich ergebende (Grundstücks-)Wert außerhalb jeder noch vertretbaren Toleranz liegt.

 

Normenkette

§ 129, § 83, § 86 Abs. 3 S. 1, § 87 BewG, § 10 Abs. 1 BewG DDR, § 32 Abs. 1 Nr. 5, § 33 RBewDV

 

Sachverhalt

Die Kläger waren Eigentümer eines im Beitrittsgebiet belegenen denkmalgeschützten Wasserschlosses. Das ursprünglich zuständige FA stellte den Einheitswert fest, indem es den Gebäudewert auf der Grundlage des Thüringer Denkmalerlasses berechnete. Dabei ermäßigte es den Gebäudenormalherstellungswert um einen Abschlag für Denkmalschutz i.H.v. 10 %, kürzte den verbleibenden Gebäudenormalherstellungswert um die Alterswertminderung und begrenzte den insgesamt angesetzten Abschlag auf 40 % des Gebäudenormalherstellungswerts.

Das FG (FG Thüringen vom 08.09.2005, II 723/03, Haufe-Index 1680974, EFG 2007, 741) setzte den Einheitswert herab und vertrat die Auffassung, dass die durch den Denkmalerlass vorgegebene Begrenzung des Abschlags auf den Gebäudenormalherstellungswert einer gesetzlichen Grundlage entbehre und vielmehr § 86 Abs. 3 S. 1 BewG anzuwenden sei; darüber hinaus sei ein Abschlag wegen behebbarer Baumängel gem. § 87 BewG sowie schließlich ein Denkmalabschlag i.H.v. 10 % anzusetzen.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und stellte den Einheitswert abweichend fest, weil der Höchstbetrag im Anwendungsbereich des § 129 Abs. 2 BewG mit keiner Wertminderung wegen Alters nach § 86 Abs. 3 S. 1 BewG anzusetzen und auch keine Ermäßigung für behebbare Baumängel vorzunehmen sei.

 

Hinweis

Im Streitfall geht es um die Einheitsbewertung eines Grundstücks in einem Sonderfall, nämlich diejenige eines auf dem Gebiet der früheren DDR belegenen Wasserschlosses. Nach § 129 Abs. 1 BewG gelten insoweit die Einheitswerte zum 01.01.1935 weiter, wobei nach § 129 Abs. 2 BewG statt der §§ 27 und 68 bis 94 BewG bestimmte Vorschriften des BewG DDR weiter Geltung finden.

1. Da es sich bei einem Wasserschloss um ein sonstiges bebautes Grundstück i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 5 RBewDV handelt, ist nach § 33 Abs. 2 S. 1 RBewDV der gemeine Wert anzusetzen, welcher sich aber nach den Vorgaben des § 10 Abs. 1 BewG DDR richtet und dort als "Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre" definiert ist. Da der gemeine Wert im Streitfall nicht aus Marktvorgängen ableitbar war, blieb nur die Ermittlung im Schätzungsweg, wobei sich die spannende Frage stellte, inwieweit trotz § 129 Abs. 2 BewG noch auf die das Sachwertverfahren betreffenden Vorgaben der §§ 83 ff. BewG zurückzugreifen war. Nach dem klaren Wortlaut des § 129 Abs. 2 BewG sind die §§ 83 ff. BewG jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar, weshalb allenfalls auf eine gesetzliche Regelungslücke oder aber ein Versehen des Gesetzgebers abgehoben werden könnte. Weder für das eine noch das andere fand allerdings der BFH Anhaltspunkte und stellt er deswegen fest, dass im Streitfall allenfalls die Grundzüge des Sachwertverfahrens fruchtbar gemacht werden können.

2. Mit diesen Grundzügen ist die im Thüringer Denkmalerlass vorgesehene Schätzmethode, nach der der gemeine Wert des Gebäudes auf der Grundlage des Bodenwerts und des Gebäudewerts zu ermitteln ist und jeweils die durchschnittlichen Herstellungskosten für vergleichbare Objekte auf den maßgeblichen Bewertungsstichtag zugrunde zu legen sind, vereinbar. Dem entspricht es, wenn der BFH zwar die im vorgenannten Erlass geregelte Alterswertminderung billigt, er aber eine weitergehende Ermäßigung analog § 86 Abs. 3 S. 1 BewG mangels Regelungslücke im Gesetz ablehnt.

3. Der Denkmalerlass stellt bezogen auf die dort vorgegebene Schätzmethode auch keine Art. 20 GG verletzende "normersetzende" Verwaltungsvorschrift dar. Das ergibt sich schon daraus, dass er materiell nur den von § 10 Abs. 1 BewG DDR durch die Verwendung diverser unbestimmter Rechtsbegriffe vorgegebenen Rahmen ausfüllt, was der BFH ...

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