§ 184 AO stellt mit der Regelung zur Festsetzung u.  a. des Grundsteuermessbetrags neben § 179 AO eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz dar, wonach die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen einen unselbständigen, mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids bildet (vgl. unter 2.1). Die Vorschrift bestimmt nämlich, dass Steuermessbeträge durch einen selbständigen Steuermessbescheid festgesetzt werden.

Mit der Festsetzung der Steuermessbeträge ist auch über die sachliche und persönliche Steuerpflicht zu entscheiden (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO). Mit der Entscheidung über die persönliche (subjektive) Steuerpflicht wird über die Steuerschuldnerschaft entschieden. Materiell richtet sich die Frage, wer Steuerschuldner ist, nach § 10 GrStG. Bei der Entscheidung über die persönliche Steuerpflicht ist auch über die Frage von persönlichen gesetzlichen Steuerbefreiungen zu entscheiden. Nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob hinsichtlich der Frage der Grundsteuerbefreiung ein Widerspruch zwischen § 184 Abs. 1 Satz 2 AO und § 19 (Abs. 2 Satz 2 und[1] Abs. 4 BewG besteht und die Entscheidung über die Grundsteuerbefreiung (schon) im Einheitswertverfahren zu treffen ist. Teilweise wird vertreten, dass eine Überschneidung vorliegt, die zu einer Wahlmöglichkeit führt und die Entscheidung im Einheitswertverfahren oder im Grundsteuermessbetragsverfahren zu treffen ist.[2] Nach anderer Auffassung[3] soll § 182 Abs. 1 AO § 19 (Abs. 2 und) Abs. 4 BewG vorgreiflich sein.

 
Wichtig

Ausnahmsweise Wahlrecht bei Anfechtung

Wegen der durch die unabgestimmte Gesetzeslage verursachten Unsicherheit ist der Betroffene, solange der Widerspruch zwischen § 184 Abs. 1 Satz 2 AO und § 19 (Abs. 2 Satz 2 und) Abs. 4 BewG nicht beseitigt ist, nicht gehindert, seinen behaupteten Anspruch auf Befreiung von der Grundsteuer auch durch Anfechtung des Einheitswertbescheids geltend zu machen, sofern nicht die Finanzbehörde ausdrücklich die Entscheidung über grundsteuerrechtliche Fragen dem Steuermessbetragsverfahren vorbehalten hat.[4]

Die Entscheidung über die sachliche Steuerpflicht, d.  h. was Steuergegenstand ist, umfasst auch die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für sonstige sachliche Steuervergünstigungen nach §§ 3ff. GrStG vorliegen.

[1] § 19 Abs. 2 BewG wurde durch das Steueränderungsgesetz – StÄndG 2001, BGBl 2001 I S. 3794 ff. aufgehoben. Nach der Gesetzesbegründung werden Einheitswerte hauptsächlich noch für die Grundsteuer benötigt, dabei unterliegt nur der inländische Grundbesitz der Besteuerung. Die Feststellung eines Einheitswerts, der sowohl den inländischen als auch den ausländischen Teil einer wirtschaftlichen Einheit umfasst, ist nicht mehr erforderlich.
[3] Vgl. Brandis in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, 165. Lfg. 04.2021, § 184 AO Rz. 8.

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