Die Frage, in welchem Zustand ein Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, stellt sich vornehmlich, wenn getrennte Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über Bauleistungen geschlossen werden. Wird das Grundstück aufgrund zivilrechtlich verknüpfter Verträge (rechtlicher Zusammenhang)[1] oder durch – nach den besonderen grunderwerbsteuerlichen Grundsätzen – als Einheit zu behandelnde Verträge (objektiv enger sachlicher Zusammenhang)[2] zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht, der vom tatsächlichen Zustand bei Abschluss des Kaufvertrags abweicht, kommen unter anderem folgende Fallkonstellationen in Betracht:[3]

 

Fallkonstellationen

Tatsächlicher Grundstückszustand Künftiger Grundstückszustand
unbebaut fertiggestellter Neubau
unbebaut

zum Teil fertiggestellter Neubau

(Fertigstellung durch Eigenleistungen des Erwerbers)
bebaut mit zum Teil fertiggestelltem Gebäude fertiggestellter Neubau
bebaut mit Altimmobilie

fertiggestellter Neubau

(Veräußerer übernimmt Abriss und Neubau)
bebaut, Sanierungsimmobilie

sanierte Immobilie

(Veräußerer übernimmt Sanierung)
bebaut, Sanierungsimmobilie

teilsanierte Immobilie

(Fertigstellung durch Eigenleistungen des Erwerbers)
[1] Nachfolgend unter Tz. 2.1.
[2] Nachfolgend unter Tz. 2.2 ff.

2.1 Rechtlicher Zusammenhang zwischen Grundstückserwerb und Erbringung der Bauleistungen

Wenn die Vertragsparteien selbständige Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Grundstücksübertragung und über die Erbringung von Bauleistungen treffen, dann ist für die Beurteilung entscheidend, ob sich aus den Gesamtumständen der Wille der Parteien ergibt, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück sein soll. Beweisanzeichen für einen dahingehenden Willen der Vertragsparteien sind etwa:

  • die Verknüpfung im Vertragstext,
  • die Zusammenfassung der Vereinbarungen in einer Urkunde oder
  • ein Gesamtkaufpreis.

In einem solchen Fall ist Erwerbsgegenstand das bebaute Grundstück.[2] Liegen zwei oder mehrere Verträge vor, sind sie als Einheit zu werten, wenn sie ausdrücklich voneinander abhängig sind. Das gilt auch ohne ausdrückliche Bestandsverknüpfung, wenn sie nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander "stehen und fallen" sollen. Ob dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung

  • der Interessenlage der Vertragsparteien,
  • ihrem Verhalten vor und bei Vertragsabschluss und
  • dem tatsächlichen Geschehensablauf

zu ermitteln.[3] Es reicht auch aus, wenn nur eine der Vertragsparteien einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und die andere Partei ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt.[4]

 
Wichtig

Indizien für Vertragsverknüpfung

Für eine Vertragsverknüpfung sprechen z. B.

  • ein Baubeginn vor Vertragsabschluss[5] oder
  • eine Veräußerung des Grundstücks nur an Erwerber, die vorher eine Treuhandvollmacht zum Abschluss der übrigen Verträge erteilt haben.[6]

Der Vertragsverknüpfung steht nicht entgegen, dass

  • die Vereinbarungen in unterschiedlichen Urkunden niedergelegt werden oder
  • der Verkäufer und das mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragte Unternehmen nicht identisch sind, wenn auf der Veräußererseite mehrere Personen beteiligt sind.[7]
 

Übersicht

Rechtlicher Zusammenhang (= zivilrechtliche Verknüpfung der Verträge)
Pflicht zur Grundstücksübereignung und Gebäudeerrichtung aufgrund eines Vertrags
oder
ausdrückliche Bestandsverknüpfung mehrerer Verträge
oder
Vereinbarungen sind derart voneinander abhängig, dass sie miteinander "stehen und fallen".

2.2 Objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstückserwerb und Erbringung der Bauleistungen

Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang liegt vor, wenn der Erwerber spätestens bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei ist. Dies kann sich aus

  • einer bestimmten zeitlichen Abfolge der Verträge[2] oder
  • einem faktischen Zwang[3].

ergeben. Ferner kann ein objektiv sachlicher Zusammenhang vorliegen, wenn ein vorbereiteter Geschehensablauf[4] hingenommen wird.

[1] Vgl. Gleich lautende Ländererlasse v. 20.9.2017, BStBl 2017 I S. 1328 Tz. 3.4.
[2] Vgl. unter Tz. 2.2.1.
[3] Vgl. unter Tz. 2.2.2.
[4] Vgl. unter Tz. 2.2.3.

2.2.1 Zeitliche Abfolge der Verträge

Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Kaufvertrag über das Grundstück und dem Vertrag über die Gebäudeerrichtung liegt u. a. in folgenden Fällen vor:

  • Der Erwerber hat sich bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags oder zeitgleich durch den Abschluss eines Gebäudeerrichtungsvertrags an die Bebauung des Grundstüc...

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