Die Einfuhrumsatzsteuer konnte bislang als Vorsteuer nur geltend gemacht werden, wenn sie nachweislich entrichtet wurde. Nach der Rechtsprechung des EuGH[1] verstößt diese Voraussetzung gegen das Unionsrecht. Auf die Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer kommt es demnach nicht mehr an.[2] Danach kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug für die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände geltend machen, die für sein Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführt wurden. Insofern ist der Vorsteuerabzug schon zu dem Zeitpunkt zulässig, in dem die zollamtliche Erfassung mittels Eingangsabgabenbescheid erfolgt.[3] Dies beseitigt den bisherigen Liquiditätsnachteil, der bislang nur durch die Gewährung eines Zahlungsaufschubs (§ 16 Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStG) vermieden werden konnte. Auch bei erst nachträglich zum freien Verkehr angemeldeten Waren werden auf diese Weise Zinsrisiken wegen zu später Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer ausgeschlossen.

 
Hinweis

Fristverlängerung bei Zahlungsaufschub

Unternehmen, die bezüglich der zu entrichtenden Einfuhrumsatzsteuer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, wird gem. § 21 Abs. 3 UStG schon bisher auf Antrag ein Zahlungsaufschub bis zu einem Monat ohne Sicherheitsleistung gewährt. Im Zuge der steuerlichen Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz)[4] ist die Frist für den Zahlungsaufschub zur Verbesserung der Liquiditätsausstattung der Unternehmen verlängert worden. Abweichend von den zollrechtlichen Vorschriften wurde die Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer auf den 26. des zweiten auf die Einfuhr folgenden Monats verschoben.[5] Dies hilft vor allem Unternehmen, die eine Dauerfristverlängerung für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung nutzen. Ein etwaiges Vorsteuerguthaben steht dann zur Begleichung der Einfuhrumsatzsteuer zur Verfügung Die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung ist nicht erforderlich, wenn der Antragsteller zugelassener Wirtschaftsbeteiligter i. S. v. Art. 38 Abs. 2 Buchst. a UZK ist.

Die Neuregelung ist zu dem am 1.12.2020 beginnenden Aufschubzeitraum umgesetzt worden.[6]

Der Unternehmer muss im Zeitpunkt der Abfertigung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr Verfügungsmacht über die Gegenstände besitzen.

Daraus ergibt sich folgerichtig, dass Spediteure, Frachtführer oder Handelsvertreter, die bei der Abfertigung zum freien Verkehr lediglich mitgewirkt, aber keine Verfügungsmacht über die Gegenstände haben, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, selbst wenn diese die Einfuhrumsatzsteuer gegenüber den Zollbehörden in Vorkasse verauslagt haben. Infrage kommen als vorsteuerabzugsberechtigte Einführer also i. d. R. nur

  • der Lieferant, wenn er gem. § 3 Abs. 8 UStG die von ihm gelieferten Gegenstände im Inland auf seinen Namen abfertigt oder
  • sein unmittelbarer oder ein nachfolgender Abnehmer.

Im Zusammenhang mit der Ausführung von Lohnveredelungsleistungen oder von Werklieferungen im Inland gilt unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme.

Auch ein im Inland ansässiger Lohnveredeler oder Werklieferer kann die von ihm entrichtete Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, wenn der eingeführte Gegenstand vom ausländischen Auftraggeber überlassen oder beigestellt wurde und die bearbeiteten Gegenstände im Anschluss an die Lohnveredelung oder Werklieferung in das Drittlandsgebiet zurückgelangen.[7]

Analog kann auch bei der Weiterlieferung des Gegenstands im Inland durch den ausländischen Auftraggeber verfahren werden. Ausgeschlossen ist jedoch der Vorsteuerabzug des Lohnveredelers, wenn die Gegenstände vom Auftraggeber im Inland selbst genutzt werden.

 
Wichtig

Kein doppelter Vorsteuerabzug

Für den Bezug ein und desselben Gegenstands kann grundsätzlich nicht zugleich eine vom Lieferanten in Rechnung gestellte Steuer und die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen werden. Schuldet bei einer im Inland steuerbaren Lieferung der Abnehmer oder ein nachfolgender Abnehmer die Einfuhrumsatzsteuer, ist die der Einfuhr vorangegangene Lieferung gem. § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei.

 
Praxis-Beispiel

Kein doppelter Vorsteuerabzug

Ein US-amerikanischer Großhändler versendet Computerchips nach Deutschland. Der Abnehmer stand bei Beginn der Versendung noch nicht fest. Erst nach dem Eintreffen der Bauteile auf dem Flughafen Frankfurt wird ein Abnehmer in München gefunden, der die Ware gegenüber dem Großhändler bezahlt, sie jedoch sofort an einen Abnehmer in Stutt gart veräußert. Der Abnehmer aus Stuttgart lässt die Ware auf seinen Namen zum freien Verkehr abfertigen.

Die Computerchips sind für den Abnehmer in Stuttgart eingeführt worden, er ist zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt. Die Lieferungen des US-amerikanischen Großhändlers und des Abnehmers in München sind im Inland steuerbar, aber gem. § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei. Eine umsatzsteuerliche Registrierung des US-amerikanischen Großhändlers ist nicht erforderlich.

[2] § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG i. d. F. de...

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