Leitsatz

1. Wird ein Grundstück gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft mit Vermietungseinkünften eingebracht, so liegen Anschaffungsvorgänge insoweit vor, als sich die nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnenden Anteile der Gesellschafter an dem Grundstück gegenüber den bisherigen Beteiligungsquoten erhöht haben.

2. Zu Anschaffungskosten führt auch die Übernahme einer Verbindlichkeit, die die Personengesellschaft als Gegenleistung von dem einbringenden Gesellschafter übernimmt, und zwar auch dann, wenn die Verbindlichkeit ursprünglich aufgenommen wurde, um ein privat genutztes Gebäude damit zu finanzieren.

 

Normenkette

§ 39 Abs. 2 Nr. 2, § 42 AO, § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 255 Abs. 1 HGB

 

Sachverhalt

Es geht um die Eheleute M und F. M gehören zwei Grundstücke. Eines nutzen die Eheleute zu eigenen Wohnzwecken (E-Straße 5a), das andere (E-Straße 5) vermietet M. Das selbstgenutzte Grundstück ist mit zwei Darlehen finanziert. Nun gründen M und F eine GbR, deren Zweck die Vermietung des Grundstücks E-Straße 5 ist. An dieser GbR sind F mit 90 % und M mit 10 % beteiligt. M bringt das Grundstück E-Straße 5 in die GbR ein. Die GbR übernimmt u.a. die Darlehen des M, mit denen er sein eigengenutztes Grundstück finanzierte. Die GbR macht die Schuldzinsen aus den Darlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. FA und FG lehnen das ab (FG Münster, Urteil vom 1.10.2010, 11 K 3216/06 F, Haufe-Index 2717199, EFG 2011, 1589).

 

Entscheidung

Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben. Durchentscheiden (z.B. durch Stattgabe der Klage) konnte er noch nicht, weil das FG die Absetzbarkeit der Zinsen schon wegen Rechtsmissbrauchs abgelehnt und deshalb nicht geprüft hat, in welcher Höhe im Einzelnen Beträge (AfA und Zinsen) abziehbar waren. Deshalb hat der BFH die Sache an das FG zurückverwiesen.

 

Hinweis

1. Wer sein Grundstück gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in eine GbR einbringt, an der seine Ehefrau zu 90 %, er selbst aber nur zu 10 % beteiligt ist, veräußert dieses Grundstück, wenn die GbR eine Gegenleistung für dieses Grundstück erbringen muss.

2. Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften gilt die sog. Bruchteilsbetrachtung, was nichts anderes bedeutet, als die Wirtschaftsgüter nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnen. Diese Vorschrift beseitigt für steuerrechtliche Zwecke die Gesamthandsgemeinschaft und ordnet die Wirtschaftsgüter stattdessen anteilig zu.

3. Das bedeutet in der Konstellation des Streitfalls: Die Ehefrau (F) erwirbt 90 % des Grundstücks und übernimmt 90 % des Darlehens. Das Rechtsgeschäft ist insoweit entgeltlich. F entstehen also Anschaffungskosten für das Grundstück i.H.d. übernommenen Schuld. Denn auch das von der GbR übernommene Darlehen ist F zu 90 % zuzurechnen. Wegen der zu Anschaffungskosten führenden Übernahme der Darlehen muss die GbR Zinsen zahlen. Diese hängen also mit der Anschaffung des vermieteten Grundstücks zusammen und sind als Werbungskosten abziehbar.

4. Das ist eigentlich alles ganz einfach. Wo liegt hier überhaupt das Problem? Nach FA und FG darin, dass mit dem übernommenen Darlehen das eigengenutzte Grundstück finanziert worden war. Deshalb sei die Einbringung des Darlehens rechtsmissbräuchlich (§ 42 AO), weil auf diese Weise private Aufwendungen in den steuerlichen Bereich verlagert würden.

Indes kommt es für die steuerrechtliche Beurteilung allein auf den Grund der Übernahme an. Liegt dieser im steuerrechtlich bedeutsamen Bereich, so liegt dort auch der Zweck der übernommenen Verbindlichkeiten. Das ist hier ganz unzweifelhaft der Fall gewesen; denn die Übernahme ist durch die Anschaffung verursacht worden. Nun steht es jedem frei, ob, wann und an wen er veräußert. Übernimmt der Erwerber eine Verbindlichkeit des Veräußerers, liegt darin das Entgelt (Vereinbarung und Leistung des Kaufpreises). Dies bedeutet keine Verlagerung von privat veranlassten Aufwendungen, sondern eine Überlagerung der Zwecksetzung des zunächst aus privaten Gründen aufgenommenen und verwendeten Darlehens durch einen neuen, nunmehr steuerrechtlich bedeutsamen Veranlassungszusammenhang.

Ob also mit dem Darlehen zunächst das eigengenutzte Einfamilienhaus finanziert worden war, ist unerheblich. Ebenso hätte F ein neues Darlehen aufnehmen können, um damit das Darlehen des M abzulösen. Der Ablösevorgang – und nur er – ist also entscheidend. Machen wir uns das noch drastischer klar: M ist Hobbymusiker und erwirbt eine sehr wertvolle italienische Geige, die er mittels eines Darlehens finanziert. Wenn er nun sein (vermietetes) Grundstück veräußert und mit dem Erwerber vereinbart, dass dieser das Darlehen übernimmt, so ist das der Kaufpreis. Wird der Kaufvertrag dann erfüllt, übernimmt der Erwerber das Darlehen und zahlt Zinsen, so wird wohl niemand daran zweifeln, dass diese Zinsen nicht mit der Geige, sondern mit dem vermieteten Objekt zusammenhängen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.10.2011 – IX R 15/11

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