Rz. 20

Nicht zum Entgelt – und somit nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage – gehören gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten).[1] Die bloße Vereinnahmung und Verausgabung durchlaufender Posten ist für sich gesehen somit keine steuerbare Leistung i. S. d. § 1 Abs. 1 UStG.

 

Rz. 21

Der Unternehmer, der die Beträge vereinnahmt und verausgabt, darf im Zahlungsverkehr lediglich die Funktion einer Mittelsperson (Zahlstelle) ausüben.[2] Dabei darf er selbst keinen Anspruch auf den Betrag gegen den Leistenden haben und nicht zur Zahlung an den Empfänger verpflichtet sein.[3] Für die Feststellung, ob Beträge im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden, ist nicht die wirtschaftliche Betrachtungsweise entscheidend;[4] es ist vielmehr erforderlich, dass zwischen dem Zahlungsverpflichteten und dem, der Anspruch auf die Zahlung hat (Zahlungsempfänger), unmittelbare Rechtsbeziehungen bestehen.[5]

 

Rz. 22

Unmittelbare Rechtsbeziehungen setzen voraus, dass der Zahlungsverpflichtete und der Zahlungsempfänger jeweils den Namen des anderen und die Höhe des gezahlten Betrages erfahren.[6] Dieser Grundsatz findet jedoch regelmäßig auf Abgaben und Beiträge keine Anwendung. Solche Beträge können auch dann durchlaufende Posten sein, wenn die Mittelsperson dem Zahlungsempfänger die Namen der Zahlungsverpflichteten und die jeweilige Höhe der Beträge mitteilt.[7] Stimmt der Zahlungsverpflichtete ausdrücklich oder stillschweigend zu, dass der Steuerpflichtige in fremdem Namen und für fremde Rechnung tätig wird, so kann ausnahmsweise auch ohne Kenntnis des Namens des Zahlungsempfängers ein durchlaufender Posten angenommen werden.[8]

 

Rz. 23

Ein durchlaufender Posten liegt – unabhängig von der Rechtsbeziehung zwischen Zahlungsverpflichtetem und Zahlungsempfänger – jedoch nicht vor, wenn der Steuerpflichtige selbst Anspruch auf den Betrag gegen den Zahlungsverpflichteten hat oder wenn der Zahlungsempfänger den Betrag vom Steuerpflichtigen selbst einfordern kann.[9] Der Steuerpflichtige darf somit weder Gläubiger noch Schuldner dieser Beträge sein. Strittig ist der Fall, wenn Steuerpflichtiger und Zahlungsverpflichteter gesamtschuldnerisch die Beträge an den Zahlungsempfänger schulden. Während die Finanzverwaltung hier nicht von einem durchlaufenden Posten ausgeht, bejaht der BFH hier in bestimmten Fällen das Vorliegen.[10]

 

Rz. 24

Obwohl die Grundsätze des durchlaufenden Postens für das Umsatzsteuerrecht im Wesentlichen mit denen für das Einkommensteuerrecht übereinstimmen, ist es dennoch für die umsatzsteuerliche Behandlung unerheblich, ob die Beträge ertragsteuerlich als durchlaufende Posten qualifiziert werden oder nicht.[11]

 

Rz. 25

Unionsrechtliche Grundlage für § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG ist Art. 79 Buchst. c MwStSystRL. Hiernach sind durchlaufende Posten Beträge, die ein Steuerpflichtiger vom Zahlungsverpflichteten als Erstattung der in dessen Namen und für dessen Rechnung verauslagten Beträge erhält und die darüber hinaus in der Buchführung des Steuerpflichtigen als durchlaufende Posten behandelt werden. Der Zusatz "und die in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt sind" räumt dem Steuerpflichtigen nach Auffassung des BFH ein Wahlrecht ein, solche Beträge (in den Urteilsfällen: Deponiegebühren) in der Buchführung und somit auch für umsatzsteuerliche Zwecke nicht als durchlaufende Posten zu behandeln.[12] Demnach könnte der Steuerpflichtige Beträge in fremdem Namen und für fremde Rechnung bei nicht vorsteuerabzugsberechtigten Zahlungsverpflichteten als durchlaufenden Posten behandeln, während er diese Beträge bei vorsteuerabzugsberechtigten Zahlungsverpflichteten als Teil der Bemessungsgrundlage behandelt.[13] Die Anwendung des durch den BFH geschaffenen Wahlrechts wurde jedoch von der Finanzverwaltung stark eingeschränkt, indem dieses Urteil nur bei gleich gelagerten Fällen Anwendung finden soll.[14] Eine Begründung für diese restriktive Auslegung des Wahlrechts findet sich jedoch nicht. Vielmehr kann – im Einklang mit dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung – der Steuerpflichtige sich auf die für ihn günstigere Regelung – Richtlinienbestimmung oder innerstaatliches Recht – berufen.[15] Insofern darf der Steuerpflichtige sich bei fehlenden formellen Nachweisen und Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG auf die nationale Regelung berufen und einen durchlaufenden Posten annehmen; er darf sich aber auch auf die unionsrechtliche Regelung berufen und die Beträge als Teil der Besteuerungsgrundlage behandeln.[16]

[1] Der Verweis in Abschn. 10.4 Abs. 1 Satz 1 UStAE auf den letzten Satz des § 10 Abs. 1 UStG ist seit Einfügung des neuen § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG (zur Bemessungsgrundlage bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins) derzeit nicht präzise.

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