Leitsatz

1. Auch wenn die mit dem AltEinkG geschaffene Übergangsregelung für die Besteuerung von Leibrenten aus der Basisversorgung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) grundsätzlich verfassungsgemäß ist, darf es in keinem Fall zu einer verfassungswidrigen doppelten Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezüge kommen. Die Feststellungslast hierfür liegt beim Steuerpflichtigen.

2. Der Steuerpflichtige kann eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung bereits bei Beginn des Rentenbezugs rügen. Es kann nicht unterstellt werden, dass zu Beginn des Rentenbezugs zunächst nur solche Rentenzahlungen geleistet werden, die sich aus steuerentlasteten Beiträgen speisen.

3. Zu den Rechtsfragen, die sich im Rahmen der Berechnung stellen, ob im konkreten Einzelfall eine doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen gegeben ist.

 

Normenkette

§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Der – im Jahr 1942 geborene – Kläger entrichtete zunächst als Pflichtversicherter Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, später als freiwillig Versicherter. Seit 2007 bezieht er eine Altersrente, die vom FA gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG besteuert wurde. Hiergegen wandte sich der Kläger, da es in seinem Fall zu einer doppelten Besteuerung seiner Alterseinkünfte komme. Vorverfahren und Klage hatten keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid vom 4.6.2014, 8 K 389/11, Haufe-Index 7650594).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers war begründet. Da das FG nicht die notwendigen Feststellungen zum Umfang der steuerlichen Entlastung der Beiträge in der Beitragsphase getroffen hatte und der BFH bei einer überschlägigen Prüfung weder ausschließen noch feststellen konnte, dass eine doppelte Besteuerung vorlag, wurde die Sache an das FG zurückverwiesen.

 

Hinweis

Nachdem die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Altersrenten durch das BVerfG geklärt ist, gelangen nun die Fragen in den Fokus, wie und durch wen eine verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare doppelte Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und der darauf beruhenden Alterseinkünfte zu ermitteln und zu belegen ist.

1. Eine doppelte Besteuerung liegt vor, wenn die steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen höher ist als die steuerliche Entlastung der darauf beruhenden Altersrenten. Der BFH zeigt in dem vorliegenden Urteil auf, welche Faktoren bei der Ermittlung der doppelten Besteuerung eine Rolle spielen könnten, ohne jedoch bei allen Punkten bereits abschließend zu entscheiden, welche Relevanz sie haben.

2. Zu den steuerunbelastet zufließenden Renten gehört zweifelsfrei der steuerfreie Jahresbetrag, der zugeflossen ist und nach der statistischen Wahrscheinlichkeit zufließen wird. Ist aber die Lebenserwartung des Steuerpflichtigen oder auch die der mitversicherten Familienmitglieder zugrunde zu legen? Sind zudem der Werbungskosten-Pauschbetrag, der Grundfreibetrag, die Sonderausgaben für die aus der Rente zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungen zu berücksichtigen?

3. Bei den aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen ist im ersten Schritt die Gesamtsumme der Rentenversicherungsbeiträge festzustellen. Danach ist zu klären, in welcher Höhe diese Beiträge aus versteuertem Einkommen geleistet wurden.

Noch nicht abschließend geklärt ist, ob für die erforderliche Einzelberechnung folgende Fragen relevant sein könnten:

• Wurden die für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Höchstbeträge für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen auch durch andere Versicherungsbeiträge aufgezehrt?

• Wie ist der Vorwegabzug in Fällen der Zusammenveranlagung von Ehegatten zuzuordnen?

• Sind aus dem geleisteten Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung solche Anteile herauszurechnen, die kalkulatorisch nicht auf den Erwerb eines Anspruchs auf Altersrente entfallen?

• Kann in VZ, in denen keine ESt festgesetzt wurde, ein Teil der Altersvorsorgeaufwendungen überhaupt aus versteuertem Einkommen geleistet worden sein?

4. Auch stellt der BFH die Frage, ob eine doppelte Belastung bis zu einer gewissen Bagatellgrenze hinzunehmen sein könnte.

5. All diese Fragen werden in künftigen finanzgerichtlichen Verfahren zu klären sein. Sicher ist aber eins: Die Darlegungs- und Feststellungslast für das Vorliegen einer etwaigen verfassungswidrigen doppelten Besteuerung liegt beim Steuerpflichtigen.

Beweisvorsorge notwendig

Es reicht nicht aus, wenn der Steuerpflichtige pauschal eine doppelte Besteuerung behauptet. Dieses Vorbringen muss durch Unterlagen gestützt werden.

6. Der Steuerpflichtige ist daher gehalten, dem FA und FG seine Erwerbsbiografie und den Rentenversicherungsverlauf darzulegen und auch substanziiert und konkret zur früheren einkommensteuerrechtlichen Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen in seinem konkreten Einzelfall Stellung zu nehmen.

Die lückenlose Vorlage der ESt-Bescheide kann zwar nicht verlangt werden, wäre aber hilfreich. Sie ist auch nicht das einzige Mittel...

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