Leitsatz

Art. 313 Abs. 1 und Art. 314 in Verbindung mit den Art. 136 und 315 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass ein steuerpflichtiger Wiederverkäufer die Regelung zur Differenzbesteuerung nicht anwenden kann, wenn er als Gebrauchtgegenstände im Sinne von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 dieser Richtlinie geltende Kraftfahrzeuge liefert, die er zuvor mehrwertsteuerbefreit von einem anderen Steuerpflichtigen erworben hat, dem ein Recht auf teilweisen Abzug der als Vorsteuer auf den Kaufpreis dieser Fahrzeuge entrichteten Mehrwertsteuer zustand.

 

Normenkette

Art. 136, Art. 313-315 RL 2006/112/EG, § 25a UStG

 

Sachverhalt

Bawaria Motors (Polen) kauft und verkauft u.a. von Unternehmern gebrauchte Pkw zum Weiterverkauf. In Polen war der Vorsteuerabzug beim Erwerb von Kraftfahrzeugen bis zu 3,5 t auf 60 % beschränkt und der Weiterverkauf steuerbefreit. Die Regelung fällt unter die Stillhalte-Klausel, die die Beibehaltung von Vorsteuerausschlüssen im Zeitpunkt des Beitritts erlaubt. Ob der steuerbefreite Erwerb beim Wiederverkäufer die Anwendung der Differenzbesteuerung eröffnet, war streitig.

 

Entscheidung

Der EuGH verwies auf die enge Auslegung der Regelung zur Differenzbesteuerung. Zum Argument, dass dann – i.H.v. 40 % nicht abziehbarer Vorsteuer – eine Doppelbelastung mit Umsatzsteuer entstehe, verwies er darauf, dass der polnische Gesetzgeber hierfür eine Lösung vorsehen müsse, dass dies aber die enge Auslegung der Regelung zur Differenzbesteuerung nicht berühre.

 

Hinweis

1. Die Differenzbesteuerung für Wiederverkäufer bei der Lieferung von Gebrauchtgegenständen (Art. 313, 314 RL 2006/112 EG) ist eine Abweichung von der Regelbesteuerung und daher eng auszulegen. Der Katalog in Art. 314 ist abschließend. Die Diffe­renzbesteuerung ist nur zulässig beim Erwerb von einem Nichtsteuerpflichtigen, einem Steuerpflichtigen ohne Vorsteuerabzug, einem Kleinunternehmer, von einem Wiederverkäufer, wenn die betreffende Lieferung auch der Differenzbesteuerung unterliegt. Nur dann, wenn derjenige, der den Gegenstand an den Wiederverkäufer liefert, keine Möglichkeit hatte, die beim Erwerb entrichtete Vorsteuer abzuziehen und daher die Umsatzsteuer voll getragen hat, darf der Wiederverkäufer nach der Systematik bei der Veräußerung die Differenzbesteuerung anwenden. Das ist die Kernaussage der vorliegenden EuGH-Entscheidung.

2. Daher kann z.B. ein Wiederverkäufer die Differenzbesteuerung für die Weiterveräußerung eines Gegenstands nicht beanspruchen, wenn er den Gegenstand von einem Unternehmer erworben hat, der für diese Lieferung zu Unrecht die Differenzbesteuerung angewendet hat (BFH, Urteil vom 23.4.2009, V R 52/07, BFH/NV 2009, 1726, BFH/PR 2009, 440).

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 19.7.2012 – C-160/11

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