Rz. 46

Durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz[1] wurde der § 161 neu in das Aktiengesetz eingefügt und durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz[2] deutlich erweitert. Er verpflichtet den Vorstand und den Aufsichtsrat von börsennotierten Gesellschaften, einmal jährlich eine sogenannte Entsprechenserklärung abzugeben. Diese Erklärung stellt keinen Bestandteil des Jahresabschlusses dar, sondern ist ein eigenständiger Teil der externen Rechnungslegung bzw. des Lageberichts, vgl. § 289a HGB. In dieser Entsprechenserklärung ist offenzulegen und zu begründen, in welchen Punkten bei der Gesellschaft von den Empfehlungen des DCGK abgewichen wird.[3] Die Beschränkung auf die "Soll-Bestimmungen" resultiert daraus, dass die gesetzlichen Regelungen sowieso von den Unternehmen einzuhalten sind und eine Erläuterung bei Abweichungen von Anregungen des DCGK nicht erforderlich ist.

 

Rz. 47

Für die Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG ist nach der Auffassung in der Literatur auf den Zeitraum seit der letzten Berichterstattung im Anhang des Jahresabschlusses gemäß §§ 285 Nr. 16 bzw. 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB abzustellen.

 

Rz. 48

In der Entsprechenserklärung musste ursprünglich nach dem Gesetz in der Vergangenheit keine Begründung der einzelnen Abweichungen von den Regelungen des DCGK erfolgen. Dies hat sich erst durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz geändert. Nun müssen zwingend Begründungen für Abweichungen des DCGK geliefert werden. Dies kann im Lagebericht im Abschnitt der Erklärung zur Unternehmensführung oder auf der Internetseite der Gesellschaft bei einer ausgelagerten Erklärung zur Unternehmensführung erfolgen. Diese Aussagen sind gemäß § 317 Abs. 2 Satz 4 HGB nicht prüfungspflichtig und damit nicht durch den Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers abgedeckt.

 

Rz. 49

Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Entsprechenserklärung vom Vorstand in vertretungsberechtigter Form und vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates zu unterzeichnen. Dies ergibt sich aus der Stellung der Entsprechenserklärung als Instrument der externen Rechnungslegung, das Erklärungen der beiden Organe Vorstand und Aufsichtsrat einschließt. Bei gemischter Gesamtvertretung kommt aber nach Ansicht des Verfassers keine Mitunterzeichnung eines Prokuristen in Betracht, weil es sich hier um keine alleinige Erklärung der Gesellschaft, sondern in weiten Teilen um eine Äußerung des Vorstands bzw. seiner Mitglieder sowie des Aufsichtsrats handelt.

 

Rz. 50

Die Entsprechenserklärung ist nach § 161 Abs. 2 AktG den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen. Dies hat auf der Internetseite des Unternehmens zu erfolgen.[4] Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Entsprechenserklärung nach § 325 Abs. 1 Nr. 2 HGB zu den Unterlagen gehört, die zum Bundesanzeiger und zum Unternehmensregister eingereicht werden müssen bzw. das Geschäftsjahr 2022 betreffende Unterlagen an die das Unternehmensregister führende Stelle zu übermitteln ist.[5]

 

Rz. 51

Wenn von einem nach § 161 AktG zur Abgabe einer Entsprechenserklärung verpflichteten Unternehmen eine solche nicht abgegeben wird, führt dies zutreffend zu einer Einschränkung des Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer.

Mit der Umsetzung der Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist derzeit auch die Integration von vielen Angaben aus der Entsprechenserklärung und dem Corporate Governance Bericht in die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Diskussion. Insbesondere der Entwurf des EU-Nachhaltigkeitsstandards (ESRS) G.1[6] besteht fast vollständig aus bereits in der Erklärung zur Unternehmensführung oder dem DCGK geforderten Angaben. Es bleibt abzuwarten, ob es dann zu Dopplungen kommt oder der Richtlinien- und Gesetzgeber dies zu einer gesetzlichen Bereinigung nutzen, sodass alle Informationen zur Corporate Governance als ein Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung gebündelt werden.

[1] BGBl 2002 I S. 2681.
[2] Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl 2009 I S. 1102 ff.
[3] Vgl. Müller, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 12. Aufl. 2021, § 285 HGB Rz. 109 ff.
[4] Peltzer, Deutsche Corporate Governance – Ein Leitfaden, 2004; Rz. 33 sieht dies als Minimum an.
[5] Kaminski, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 21. Aufl. 2021, § 325 HGB Rz. 95 ff.
[6] Abrufbar mit vielen weiteren Informationen unter https://www.efrag.org/lab3 (Abruf 24.6.2022)

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