Leitsatz

1. Eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG für den zur Stromerzeugung entnommenen Strom kann nur dann gewährt werden, wenn die Verwendung des Stroms mit der Stromerzeugung in einem engen Zusammenhang steht und aufgrund der besonderen Gegebenheiten der jeweiligen Stromerzeugungsanlage erforderlich ist, um den Betrieb der Anlage aufrechtzuerhalten.

2. Für die Beleuchtung und Klimatisierung von Sozialräumen kommt eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG nicht in Betracht.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG, § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a RL 2003/96/EG

 

Sachverhalt

In einer Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage (MKV), in der Strom erzeugt wurde, musste das bei der Verbrennung entstandene Rauchgas mithilfe von Stromeinsatz gereinigt werden. Außerdem waren im Kesselgebäude der MKV zahlreiche technische Schalt- und Regelungsanlagen installiert, deren Umgebungstemperatur für einen störungsfreien Betrieb höchstens 40 Grad Celsius betragen durfte. Zudem befanden sich im Kesselgebäude fensterlose Räume, in denen sich das Bedienungspersonal rund um die Uhr aufhielt und die aus arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Gründen zu beleuchten und zu klimatisieren waren.

In der Rauchgasreinigungsanlage fiel beim Filtern eine Gipssuspension an, die zur fachgerechten Entsorgung zunächst getrocknet werden musste. Hierzu setzte die Klägerin zwei elektrisch betriebene Zentrifugen ein.

Für all diese Strommengen nahm die Klägerin das in § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG normierte Herstellerprivileg in Anspruch. Das erkannte das HZA nicht an. Die Klage hatte jedoch Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 24.3.2010, 4 K 2523/09 VSt, Haufe-Index 233262). Der BFH hält sie hingegen nur teilweise für begründet (insbes. hinsichtlich der Trocknungsvorgänge) und des Weiteren den Sachverhalt für klärungsbedürftig.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Sache an das FG zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Beleuchtung und Klimatisierung von Arbeits- und Sozialräumen eine Steuerbefreiung unabhängig davon zu gewähren ist, ob die Verwendung des Stroms aufgrund der besonderen Gegebenheiten des Kraftwerkbetriebs erforderlich ist oder ob sie nur auf Umständen beruht, die bei jedem Herstellungsbetrieb angetroffen werden können.

 

Hinweis

Strom ist von der Steuer befreit, wenn er zur Stromerzeugung entnommen wird (es wird also nur der Output versteuert, nicht der Input von Stromerzeugern; vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG). § 12 Abs. 1 StromStV versucht diese Regelung zu konkretisieren: Strom wird zur Stromerzeugung entnommen, wenn er in Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit, insbesondere zur Wasseraufbereitung, Dampferzeugerwasserspeisung, Frischluftversorgung, Brennstoffversorgung oder Rauchgasreinigung zur Erzeugung von Strom "im technischen Sinn" verbraucht wird. Diese Aufzählung ist aber natürlich nicht abschließend.

Zur Stromerzeugung entnommen wird eindeutig Strom, der erforderlich ist, um die Generatoren zu betreiben. Aber auch Neben- und Hilfseinrichtungen sind in die Begünstigung miteinzubeziehen, wenn ohne sie eine Stromerzeugungsanlage nicht betrieben werden kann.

Es muss aber ein spezifischer Zusammenhang gerade mit dieser Art der Stromerzeugung bestehen. Einrichtungen, die jeder Betrieb benötigt, wie etwa eine Kantine oder sonstige der allgemeinen "Betreuung" der Mitarbeiter dienliche Vorkehrungen, sind keine begünstigten Nebeneinrichtungen. Auch Anlagen zur Herstellung von Energieerzeugnissen (z.B. Biogasanlagen), die im Kraftwerk zur Stromerzeugung eingesetzt werden sollen, gehören nicht hierher; sie werden in der Anlage verbraucht, dienen aber nicht dazu, diesen Verbrauchsprozess in Gang zu setzen und zu halten oder zu steuern (vgl. BFH, Beschluss vom 9.9.2011, VII R 75/10, BFH/NV 2011, 2181, BFH/PR 2012, 68).

Hingegen sind auch solche Einrichtungen in die Begünstigung einzubeziehen, ohne die ein Kraftwerk nach den atomrechtlichen, gewerberechtlichen, umweltrechtlichen, wasserrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Vorschriften oder Auflagen überhaupt nicht betrieben werden kann. Das hatte der BFH in seinem allerdings noch zum alten MinöStG zur Verwendung von Mineralöl in einer KWK-Anlage ergangenen Urteil VII R 33/07 noch enger gesehen, jetzt aber – gestützt auch auf die etwas anders gefassten unionsrechtlichen Vorgaben – den Kreis der begünstigten Nebenanlagen weiter gezogen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.12.2011 – VII R 73/10

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