Leitsatz

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache bedarf es jedenfalls dann, wenn der BFH seine Auffassung zu einer Rechtsfrage (hier: betreffend Wegfall des Fehlbetrags nach § 10a GewStG) nach Ergehen eines sog. Nichtanwendungserlasses der Finanzverwaltung (noch einmal) bekräftigt hat, konkreter Ausführungen dazu, aufgrund welcher bisher nicht berücksichtigter Gesichtspunkte eine erneute Befassung des Revisionsgerichts mit der Rechtsfrage für erforderlich gehalten wird.

 

Normenkette

§ 115, § 116 FGO, § 10a GewStG

 

Sachverhalt

Aus einer Personengesellschaft war ein Gesellschafter ausgeschieden. Das FA hatte da­raufhin den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag um den Anteil des Ausgeschiedenen gekürzt. Den Anteil hatte es nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel errechnet, wie es die GewStR vorsahen.

Im Klageverfahren kam das FG zu einer geringeren Kürzung des Verlustvortrags, weil es den Anteil des Ausgeschiedenen auch unter Berücksichtigung von Sonderbetriebsein- und -ausgaben ermittelte. Damit folgte das FG der Rechtsprechung des BFH.

Das FG ließ die Revision nicht zu. Deshalb erhob das FA Nichtzulassungsbeschwerde und machte geltend, wegen Abweichung von den GewStR habe die Sache grundsätzliche Bedeutung.

 

Entscheidung

Der BFH verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig. In der Begründung hätten Argumente dargelegt werden müssen, mit denen sich der BFH in seinen vorherigen Entscheidungen noch nicht habe auseinandersetzen können.

 

Hinweis

1. Ein immer noch großer Teil der Nichtzulassungsbeschwerden wird vom BFH als unzulässig beurteilt, weil den Anforderungen an eine schlüssige Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) eines Revisionszulassungsgrunds nicht genügt wird. Die vom BFH herausgearbeiteten Merkmale des jeweils gerügten Zulassungsgrunds i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO müssen in der Beschwerdebegründung so behandelt werden, dass sich für den Leser alle Voraussetzungen für eine Revisionszulassung schlüssig aus dem Text ergeben. Dies setzt i.d.R. eine intensive Beschäftigung mit der Auslegung der Revisionszulassungsgründe durch den BFH voraus.

2. Im Besprechungsfall scheiterte das FA an der Zulässigkeitshürde, weil es nicht alle Merkmale des von ihm beanspruchten Zulassungsgrunds "Grundsätzliche Bedeutung" (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) schlüssig dargelegt hatte. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage nämlich nach ihrer Entscheidung durch den BFH nicht mehr. Soll der BFH erneut mit einer schon entschiedenen Frage befasst werden, bedarf es besonderer Gründe.

Ein solcher Grund kann dann vorliegen, wenn die Finanzverwaltung der Entscheidung des BFH nicht folgt und ein Nichtanwendungserlass ergangen ist. Entscheidet danach ein FG wie zuvor der BFH gegen die Finanzverwaltung, kann diese das Verfahren nochmals wegen grundsätzlicher Bedeutung zum BFH bringen. Hierzu wird sie ihre Gründe für die Ablehnung der ersten BFH-Entscheidung darlegen müssen.

Beharrt der BFH danach allerdings auf seiner Meinung und weist die Revision des FA zurück, wird eine nochmalige (dritte) Befassung des BFH schwieriger werden. Denn in den zwei abgeschlossenen Verfahren sollten ja alle Argumente ausgetauscht sein. Um einen solchen Fall ging es im hier besprochenen Beschluss: Das FA wollte den BFH ein drittes Mal befassen. Hierzu verlangt der BFH aber nun eine schlüssige Darlegung von entscheidungserheblichen Argumenten, die in den beiden vorangegangenen Verfahren noch von keiner Seite angesprochen worden sind. Fehlt es an solchen neuen Argumenten, bedarf es keiner weiteren Entscheidung durch den BFH.

Dies gilt selbstverständlich nur, soweit das FG der BFH-Rechtsprechung folgt. Weicht das FG von dem BFH ab, weil es der Position der Finanzverwaltung folgt, liegt der Revisionszulassungsgrund "Rechtsvereinheitlichung" gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vor und der BFH muss erneut entscheiden.

3. Der Sache nach war hier streitig, was Anlass für die Vorlagebeschlüsse vom 19.04.2007, IV R 4/06 (BFH-PR 2007, 347) und IV R 59/05 (BFH/NV 2007, 2334) gegeben hatte. Es ging um die Frage, ob der gewerbesteuerliche Verlustanteil des ausgeschiedenen Mitunternehmers nur nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu errechnen ist (so Finanzverwaltung) oder unter Einbeziehung der Sonderbilanzen (so BFH). Für die Zukunft ist die Frage im Sinn der Finanzverwaltung geklärt (§ 10a Sätze 4 und 5 GewStG n.F.). Für die Vergangenheit hält der BFH die angeordnete Rückwirkung dieser Neuregelung für verfassungswidrig.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 08.11.2007, IV B 171/06

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