Differenzierungs- und Kostendruck

Viele Unternehmen sehen sich erhöhtem Markt- und Wettbewerbsdruck sowie Regulierungsanforderungen ausgesetzt, insbesondere in global agierenden Branchen mit hohem Differenzierungs- und Innovationsdruck. Als Reaktion werden die Vielfalt im Produkt- und Dienstleistungsportfolio häufig stark erhöht und die Lebenszyklen verkürzt. Konkurrenten, auch aus Ländern mit günstigeren Kostenstrukturen, erhöhen gleichzeitig mit der Differenzierung den Kostendruck.

Um derartige Wettbewerbsanforderungen zu begegnen, setzen Unternehmen auf

  • diversifizierte Marktbearbeitung,
  • vielfältige Vertriebs- und Absatzkanäle und
  • anforderungsspezifische Produkte.

Dies steigert die Komplexität der Aufbauorganisation und der Prozesse in Unternehmen. Niederschlag finden diese Sachverhalte auch in den Kostenstrukturen der Unternehmen. Um die Komplexität transparent und beherrschbar zu machen, werden mehr Aktivitäten zur Planung, Steuerung und Koordination erforderlich.

Dies gilt besonders für Gemeinkosten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie keinem Produkt bzw. keiner Dienstleistung direkt zugerechnet werden können. Sie repräsentieren damit sehr stark nicht direkt zurechenbare Managementaufgaben zur Komplexitätsbeherrschung. Somit nehmen Gemeinkosten im Vergleich zu Einzelkosten zunehmend an Bedeutung und Ausmaß zu.[1]

Komplexität treibt Gemeinkosten

Homogene Produkt-, Absatz- und Kundenstrukturen gehören in vielen Unternehmen der Vergangenheit an. Analog dazu ist sowohl eine Komplexitäts- als auch Kostenzunahme in den Vertriebs- und Verwaltungsaktivitäten zu verzeichnen. Die Anwendung herkömmlicher Methoden der Gemeinkostenzuordnung wird dann den Strukturen und Prozessen nicht gerecht und führt zu Fehlinformationen.[2] Dem kann durch immer neuere und detailliertere Verfahren des Gemeinkostenmanagements begegnet werden, oder alternativ durch die Gestaltung von Organisationen und Planungssystemen, welche die Komplexität durch flexiblere Unternehmen reduzieren.

Komplexitätsbegriff

Komplexität bezieht sich auf den Aufbau eines Systems und die Vielfalt an Zustände, die dieses System annehmen kann. Hat ein Unternehmen eine große Anzahl verschiedenartiger Elemente wie z. B. Organisationseinheiten, Produkte, Prozesse oder Märkte, so wird es als kompliziert bezeichnet. Verändern sich diese Systemelemente und Beziehungen mit der Zeit, dann handelt es sich um ein dynamisches System. Treffen beide Eigenschaften zu, dann wird von einem komplexen System gesprochen.[3] Abb. 1 veranschaulicht dies. Komplexe Systeme verfügen aufgrund der großen Variabilität über vielfältige und schwierig vorherzusehende Verhaltensmöglichkeiten. Die Handhabung von Komplexität wird daher zum Kern der Unternehmensführung.[4]

Abb. 1: Unterscheidung von Komplexitätsdimensionen[5]

In vielen Unternehmen steigen sowohl Kompliziertheit wie auch die Dynamik an. Komplexitätsbeherrschung wird deshalb zur zentralen Herausforderung der Unternehmensführung. Dies wird durch Internationalisierung, sozialen, technologischen und ökologischen Wandel oder Megatrends wie Digitalisierung mit neuen Informations- und Kommunikationssystemen oder weltwirtschaftlicher Pluralität und Volatilität maßgeblich beeinflusst.[6]

Abb. 2: Zeitschere als Dilemma zum Management von Komplexität[7]

Ein Ansatz der Komplexitätsbeherrschung ist die verstärkte Detaillierung der Steuerung und Koordination. Damit wird der externen Vielfalt eine Kompliziertheit im Unternehmen gegenübergestellt, um den externen Anforderungen zu begegnen. Empfunden wird dies als Bürokratisierung, welche Flexibilität und Offenheit der Unternehmen reduziert und zum Anstieg an Gemeinkosten führt. Steigt gleichzeitig die Dynamik im Unternehmensumfeld, und verkürzt sich damit die Anpassungszeit an Veränderungen, so erscheint der Ansatz "Externe Komplexität durch interne Komplexität beherrschen" wenig Erfolg versprechend. Dies zeigt schematisch auch die Zeitschere nach Bleicher, welche das Dilemma von Reaktionszeit in komplexen Systemen und verfügbarer Anpassungszeit in dynamischen Umfeldern visualisiert.

Als alternativer Ansatz zur Komplexitätsbeherrschung nach der Devise "Externe Komplexität durch Reduzierung der internen Komplexität beherrschen" erscheint daher als fundamentaler Lösungsansatz für das Gemeinkostenproblem. Reduzierung der internen Komplexität bedeutet flexiblere Planungs- und Kontrollsysteme sowie Organisationsstrukturen.

Abb. 3: Systembestandteile und -beziehungen als Komplexitätstreiber[8]

[1] Vgl. Pfläging, 2003, S. 355 ff.; Horváth, 2009, S. 232 ff.; Dillerup/Stoi, 2011, S. 406.
[2] Vgl. Pfläging, 2003, S. 355 f.
[3] Vgl. Ulrich/Probst, 2001, S. 59 ff.
[4] Vgl. Bleicher, 2004, S. 37.
[5] In Anlehnung an Ulrich/Probst, 2001, S. 61.
[6] Vgl. Bleicher, 2011, S. 47 ff.
[7] Bleicher, 2011, S. 59.
[8] Dillerup/Stoi, 2011, S. 25.

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