Entscheidungsstichwort (Thema)

Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Daß die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften davon abhängig ist, ob der Anteilseigner (unmittelbar oder mittelbar durch Zwischengesellschaften) zu mehr als 25% am Grundkapital oder Stammkapital der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, ist unabhängig von Einflußmöglichkeiten und Stimmrechtsanteilen verfassungsgemäß.

2. Auch die Besitzfristregelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist verfassungsgemäß. Es ist zwar denkbar, daß innerhalb von fünf Jahren vor der Veräußerung der Beteiligung nur vorübergehend die Grenze zur wesentlichen Beteiligung überschritten ist. Jedoch sind Härten, die mit Stichtagsregelungen und Fristbestimmungen verbunden sind, grundsätzlich hinzunehmen.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Beschluss vom 12.05.1982; Aktenzeichen VI 71/81 A)

BFH (Beschluss vom 10.02.1982; Aktenzeichen I B 39/81)

 

Gründe

Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Steuergesetzgeber die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften davon abhängig macht, ob der Anteilseigner (unmittelbar oder mittelbar) zu mehr als 25 v.H. am Grund- oder Stammkapital der Kapitalgesellschaft beteiligt ist (BVerfGE 27, 111 ≪128 – 130≫). Ein Kapitalanleger, dem es im wesentlichen um die Erzielung von Kapitalerträgen und nicht so sehr um Einfluß und Substanzgewinne zu tun ist, wird zur Verringerung des Anlagerisikos Beteiligungen von mehreren Kapitalgesellschaften in verschiedenen Wirtschaftszweigen erwerben, ohne allzu intensiv seine eigenen Interessen mit den Interessen der einzelnen Unternehmen, an denen er sich beteiligt, zu verbinden. Je größer der Anteil des Gesellschafters am Vermögen der Kapitalgesellschaft ist, desto eher ist es sachlich gerechtfertigt, den Gesellschafter bei der Veräußerung des Anteils wegen der mitunternehmerähnlichen Stellung im wesentlichen wie den Mitunternehmer einer Personengesellschaft zu besteuern, bei dem sich gleichfalls der Gewinn – und gegebenenfalls der Verlust – aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils auf das zu versteuernde Einkommen auswirkt (vgl. § 16 EStG).

Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 EStG auf den Anteil am Kapital der Gesellschaft und nicht, was vielleicht den gesteigerten Einflußmöglichkeiten des Anteilseigners auf die Geschäftsführung noch besser entsprechen würde, auf das Stimmrechtsverhältnis abstellt. In der Regel fällt bei Kapitalgesellschaften ohnehin das Verhältnis der Stimmrechts- und Kapitalanteile nicht auseinander. Zudem vermitteln höhere Kapitalanteile auch dann größere Einflußmöglichkeiten, wenn sie nicht mit entsprechenden Stimmrechten ausgestattet oder verbunden sind. Die Stimmrechte der Anteilseigner können überdies nach der Satzung lediglich auf einzelnen Gebieten unterschiedlich und abweichend von der Kapitalbeteiligung zu gewichten sein; für die Durchführung der Besteuerung aber muß der Gesetzgeber auf die Schaffung klarer und tunlichst eindeutiger Tatbestände Bedacht nehmen. Es ist deshalb nicht sachwidrig, wenn § 17 Abs. 1 EStG das Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung von der Überschreitung einer genau bestimmten Kapitalbeteiligung abhängig macht und auf die Einflußmöglichkeiten und das Stimmrechtsverhältnis nicht abstellt.

Es ist Sache des Gesetzgebers, zu bestimmen, wo bei § 17 Abs. 1 EStG die Grenze zwischen einer wesentlichen und einer nichtwesentlichen Beteiligung verlaufen soll. Jede gesetzliche Regelung muß generalisieren. Härten in Einzelfällen sind bei einer generalisierenden Regelung unvermeidlich und grundsätzlich hinzunehmen (BVerfGE 13, 21 ≪29≫; 26, 265 ≪275 f.≫). Es ist deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß sich Gewinne (und Verluste) aus einer Anteilsveräußerung auf das zu versteuernde Einkommen auswirken, wenn die Beteiligungsquote noch so geringfügig über der Grenzmarke von 25 v.H. liegt, nicht dagegen, wenn die Grenzmarke von 25 v.H. nur gerade erreicht oder geringfügig unterschritten wird.

Freilich kann im Einzelfall aus der Veräußerung einer nicht wesentlichen Beteiligung ein erheblich höherer Gewinn erwachsen als bei der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung. Gleichwohl kann der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 EStG auf die Beteiligungsquote abstellen. Ähnliches gilt für die Besitzfristregelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG. Es ist denkbar, daß innerhalb von fünf Jahren vor der Veräußerung der Beteiligung nur vorübergehend die Grenze zur wesentlichen Beteiligung überschritten ist. Jedoch sind Härten, die mit Stichtagsregelungen und Fristbestimmungen verbunden sind, grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BVerfGE 3, 58 ≪148≫).

Der Gesetzgeber war auch berechtigt, in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG bei der Regelung der Frage, ob eine Beteiligung die Schwelle zur wesentlichen Beteiligung überschreitet, nicht nur auf die vom Anteilseigner unmittelbar gehaltene Beteiligung abzustellen, und nicht gehindert, mittelbare Beteiligungen in die Quotenberechnung miteinzubeziehen. Denn der Gesetzgeber kann davon ausgehen und der Bundesfinanzhof kann bei der Gesetzesauslegung berücksichtigen, daß durch die Beteiligung an einer anderen Kapital- oder Personengesellschaft, die ihrerseits an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, deren Anteile gewinnbringend veräußert werden, dem Anteilseigner entsprechend seiner Quote, mit der er an der Zwischengesellschaft beteiligt ist oder war, ein zusätzlicher anteiliger Einfluß auf die Kapitalgesellschaft zustand. Zwar wird im Steuerrecht bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern allgemein unterschieden, ob ein Wirtschaftsgut einer natürlichen Person allein oder einer Personen- oder Kapitalgesellschaft gehört, an der die natürliche Person als Gesellschafter beteiligt ist. Für die Berechnung der Beteiligungsquote in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG steht es dem Gesetzgeber indessen frei, anzuordnen, daß auch mittelbare Beteiligungen mit zu berücksichtigen sind, weil andernfalls ein Steuerpflichtiger durch Zwischenschaltung Personen- oder Kapitalgesellschaften seinen Anteilsbesitz an der Kapitalgesellschaft so aufteilen könnte, daß die in seinem persönlichen Privatvermögen gehaltene Beteiligung die Grenzmarke zur wesentlichen Beteiligung überschreitet oder auch nicht, je nachdem, ob bei der Veräußerung mit der Realisierung von Verlusten oder Gewinnen zu rechnen ist. Die Mitberücksichtigung mittelbarer Beteiligungen ist nicht sachwidrig, weil unterstellt werden kann, daß die Zwischengesellschaft oder – bei Zwischenschaltung mehrerer Gesellschaften – die Zwischengesellschaften, an denen der Anteilseigner unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, ihren auf dem Kapitalbesitz beruhenden Einfluß auf die Kapitalgesellschaft unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Anteilseigners geltend machen werden.

Wenn es nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht darauf ankommt ob der Anteilseigner die Zwischengesellschaft beherrscht oder auch nur an ihr zu mehr als 25 v.H. beteiligt ist, läßt sich dies verfassungsrechtlich nicht beanstanden. Eine restriktive Interpretation des Gesetzeswortlauts ist zur Wahrung der Grundrechte des Anteilseigners nicht geboten und würde die Zielsetzung des Gesetzgebers beeinträchtigen, alle Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von mehr als 25 v.H. zu erfassen, auch wenn die Beteiligungsgrenze nur durch Berücksichtigung von mittelbaren Beteiligungen erreicht wird. Aus demselben Grunde ist es verfassungsrechtlich auch unbedenklich, Beteiligungen, die durch einander nachgeschaltete Zwischengesellschaften vermittelt werden, zu berücksichtigen.

Die Verfassungsbeschwerde macht geltend, daß es für den Anteilseigner nicht immer erkennbar und durchschaubar sei, ob er außer der unmittelbaren Beteiligung noch mittelbar über zwischengeschaltete Kapital- oder Personengesellschaften an der Kapitalgesellschaft, um die es geht, beteiligt sei mit der Folge, daß die für sich genommen nicht wesentliche unmittelbare Beteiligung unter Berücksichtigung des mittelbaren Anteilsbesitzes die Grenzmarke des § 17 Abs. 1 EStG zur wesentlichen Beteiligung überschreite. Die Verfassungsbeschwerde macht aber selbst nicht geltend, der Erblasser, ein Bankier, habe nicht gewußt oder nicht in Erfahrung bringen können, ob er bei Berücksichtigung mittelbarer Beteiligungen nicht doch wesentlich an der Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen sei. Überhaupt ist die Annahme, ein Kapitaleigner könnte etwa unbedacht, versehentlich und absichtswidrig durch Mitberücksichtigung mittelbarer Beteiligungen in eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft „hineinschlittern”, unrealistisch. Auf konstruierte und rein hypothetische Sachverhaltsgestaltungen aber kann die Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht gestützt werden (vgl. BVerfGE 27, 111 ≪130 f.≫). Im übrigen ließe auch Unkenntnis die Besteuerung nach § 17 EStG nicht als rechtsstaatswidrig erscheinen; denn wer nicht ausschließen kann, daß er sich unter Berücksichtigung mittelbaren Anteilsbesitzes im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EStG an einer Kapitalgesellschaft wesentlich beteiligt, kann sich des Erwerbs, des Hinzuerwerbs oder der Veräußerung der Anteile enthalten oder die Veräußerung nur nach und nach in der Weise vornehmen, daß die sogenannte Bagatellgrenze jeweils nicht überschritten wird.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

BStBl II 1982, 392

NJW 1986, 421

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