Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiträge und Spenden an kommunale Wählergruppen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Ausschluß der Absetzbarkeit von Beiträgen und Spenden an kommunale Wählergruppen zufolge § 10b Abs. 2 EStG 1979 war mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Grundsatz der Chancengleichheit ist zunächst für den Wahlvorgang selbst entwickelt worden. Seine Geltung ist ausgedehnt worden auf die Wahlvorbereitung; er gilt für den Bereich der Erstattung von Wahlkampfkosten und für den Wettbewerb der Parteien um die Erlangung von Spenden. Auch der mittelbaren Finanzierung der Tätigkeit der politischen Parteien durch die steuerliche Berücksichtigung von Beiträgen und Spenden sind vom Grundgesetz Schranken gesetzt.

2. Auch die Regelung des § 10 b Abs. 2 EStG ist mithin, soweit sie eine steuerliche Begünstigung nur für Beiträge und Spenden an politische Parteien, nicht jedoch für solche an kommunale Wählergemeinschaften vorsieht, am Maßstab der im Bereich der politischen Willensbildung strikt verstandenen, formalen Gleichheit des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen.

3. Ob der völlige Ausschluß der Absetzbarkeit von Beiträgen und Spenden an kommunale Wählergruppen auch bei einer gegenüber der Regelung in § 10 b Abs. 2 EStG 1979 wesentlich höheren Absetzbarkeit von Geldzuwendungen an politische Parteien vor der Verfassung Bestand hätte, bleibt offen.

 

Normenkette

EStG 1979 § 10b Abs. 2; EStDV § 49; GG Art. 38 Abs. 1 S. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 2, Art. 3. Abs. 1; PartG § 2

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 01.06.1982; Aktenzeichen VI B 40/82)

FG Münster (Urteil vom 26.01.1982; Aktenzeichen X 5698/81 E)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.

 

Gründe

A. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß Beiträge und Spenden an kommunale Wählergemeinschaften bei der Festsetzung der Einkommensteuer keine Berücksichtigung finden, während Beiträge und Spenden an politische Parteien im Sinne des § 2 PartG in gewissen Grenzen als Sonderausgaben abzugsfähig sind.

I.

Für die Abzugsfähigkeit von Ausgaben für steuerbegünstigte Zwecke im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer enthielt § 10 b des Einkommensteuergesetzes 1979 i. d. F. der Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 721) folgende Regelung:

§ 10 b

Steuerbegünstigte Zwecke

(1) Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und staatspolitischer Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke sind bis zur Höhe von insgesamt 5 vom Hundert des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig. Für wissenschaftliche und staatspolitische Zwecke erhöht sich der Vomhundertsatz von 5 um weitere 5 vom Hundert. Als Ausgabe im Sinne dieser Vorschrift gilt auch die Zuwendung von Wirtschaftsgütern mit Ausnahme von Nutzungen und Leistungen. Ist das Wirtschaftsgut unmittelbar vor seiner Zuwendung einem Betriebsvermögen entnommen worden, so darf bei der Ermittlung der Ausgabenhöhe der bei der Entnahme angesetzte Wert nicht überschritten werden. In allen übrigen Fällen bestimmt sich die Höhe der Ausgabe nach dem gemeinen Wert des zugewendeten Wirtschaftsguts.

(2) Beiträge und Spenden an politische Parteien im Sinne des § 2 des Parteiengesetzes sind bis zur Höhe von insgesamt 600 Deutsche Mark und im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten bis zur Höhe von insgesamt 1200 Deutsche Mark im Kalenderjahr abzugsfähig.

Zu § 10 b EStG bestimmte § 49 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 5. Dezember 1977 (BGBl. I S. 2443):

§ 49

Förderung staatspolitischer Zwecke

(1) Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke können nur abgezogen werden, wenn sie an eine durch besondere Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates anerkannte juristische Person gegeben werden, die nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung

  1. ausschließlich staatspolitische Zwecke verfolgt und
  2. weder eine politische Partei ist noch ihre Mittel für die unmittelbare oder mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien verwendet.

Staatspolitische Zwecke im Sinne dieser Vorschrift sind solche, die auf die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich des Grundgesetzes und in Berlin (West) gerichtet sind; hierzu gehören nicht Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatspolitischer Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind.

(2) Die Empfängerin der Zuwendungen muß bestätigen, daß sie den ihr zugewendeten Betrag und ihre übrigen Mittel nur für staatspolitische Zwecke (Absatz 1), nicht aber für die unmittelbare oder mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien verwendet.

II.

1. Der Beschwerdeführer zu 1) ist Mitglied der Unabhängigen Wählergemeinschaft Lüdenscheid (im folgenden: UWG). Die UWG ist seit 1975 im Rat der Stadt vertreten.

Ihre Satzung lautet auszugsweise:

§ 1 (Sitz und Name)

Die Wählergemeinschaft umfaßt den politischen Bereich der Stadt Lüdenscheid und trägt den Namen „Unabhängige Wählergemeinschaft Lüdenscheid (UWG)”.

§ 2 (Aufgaben)

Die Unabhängige Wählergemeinschaft Lüdenscheid verfolgt das Ziel, an allen kommunalen Aufgaben der Stadt Lüdenscheid und des Märkischen Kreises überparteilich, unabhängig und verantwortlich mitzuarbeiten.

Durch die Teilnahme freier, parteipolitisch nicht gebundener Bürger an den Kommunalwahlen will die Unabhängige Wählergemeinschaft Lüdenscheid Voraussetzung schaffen, die Interessen aller Bürger wahrzunehmen und der Allgemeinheit zu dienen.

Die Unabhängige Wählergemeinschaft erstrebt zu allen politischen Parteien ein gutes Verhältnis und ist um den Ausgleich der Interessen aller Gruppen auf kommunaler Ebene bemüht.

§ 3 (Mitgliedschaft)

Jeder Bürger der Stadt Lüdenscheid kann Mitglied der Unabhängigen Wählergemeinschaft werden, sofern er bürgerliche Ehrenrechte besitzt, sich zu den demokratischen Grundrechten bekennt und 18 Jahre alt ist; er sollte nicht Mitglied einer anderen Partei sein.

Über eine eventuelle Ablehnung der Mitgliedschaft wie auch über eine eventuelle Aufnahme trotz Mitgliedschaft in einer anderen Partei entscheidet der Vorstand.

Der Austritt aus der Unabhängigen Wählergemeinschaft ist jederzeit ohne Angabe der Gründe möglich …

2. Im Jahre 1979 spendeten die Beschwerdeführer, die als Eheleute gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt werden, 1012,50 DM an die UWG. Den von den Beschwerdeführern beantragten Abzug dieses Betrages als Spende im Sinne des § 10 b Abs. 2 EStG versagte das Finanzamt Lüdenscheid mit der Begründung, die UWG sei keine Partei im Sinne des § 2 PartG. Einspruch und Klage der Beschwerdeführer blieben erfolglos.

Das Finanzgericht Münster führte in den Gründen seines Urteils vom 26. Januar 1982 im wesentlichen aus:

Der Abzugsfähigkeit der Spende stehe entgegen, daß die UWG keine Partei im Sinne des § 2 Abs. 1 des Parteiengesetzes sei. Parteien im Sinne dieser Vorschrift seien nur Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nähmen. Daran fehle es bei der UWG Lüdenscheid, weil sie ihrer Satzung gemäß nur im politischen Bereich der Stadt Lüdenscheid tätig werden wolle. Auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 3 GG sei es nicht geboten, die Spende an eine unabhängige Wählergemeinschaft einer Spende an eine politische Partei im Sinne des Parteiengesetzes gleichzustellen, da dem Gesetzgeber bei der Regelung steuerrechtlicher Tatbestände ein weitgehendes Ermessen zustehe. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Spenden an politische Parteien und an sog. Rathausparteien finde ihre sachliche Rechtfertigung in der überragenden Stellung, die der Grundgesetzgeber den politischen Parteien zugewiesen habe. Die politischen Parteien im Sinne des Art. 21 GG seien die verfassungsrechtlich notwendigen Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes und hätten den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution. Maßgebend für die Privilegierung der Parteien gegenüber anderen Organisationen, die auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß der Bürger einwirkten, sei der Umstand, daß die Parteien dem Bürger über die kommunale Ebene hinaus die Möglichkeit böten, auf die Geschicke des Staates Einfluß zu nehmen. Auch die Kommunalpolitik werde von den politischen Parteien maßgeblich gesteuert und ihnen komme hierbei die Führungsrolle zu. Die Tätigkeit der UWG decke sich nur insofern mit den von einer politischen Partei verfolgten Aufgaben und Zielen, als sie durch die Teilnahme an den Kommunalwahlen an allen kommunalen Aufgaben der Stadt Lüdenscheid unabhängig und verantwortlich mitarbeiten wolle. Sie empfinde sich jedoch offensichtlich nicht als eine Vereinigung, die einer Partei gleichzusetzen sei, da sie nach § 2 ihrer Satzung durch die Teilnahme freier, parteipolitisch nicht gebundener Bürger an den Kommunalwahlen Einfluß auf die Politik für den Bereich der Stadt zu nehmen gedenke.

Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommunale Wählervereinigungen mit den politischen Parteien im Sinne des Parteiengesetzes gleichzustellen seien, gelte dies nur für bestimmte Teilbereiche, insbesondere die Chancengleichheit im Wahlverfahren.

Die Revision wurde im Urteil des Finanzgerichts Münster nicht zugelassen. Die Beschwerde hiergegen wies der Bundesfinanzhof durch Beschluß vom 1. Juni 1982 als unbegründet zurück.

Der Beschluß des Bundesfinanzhofs ist den Beschwerdeführern am 6. August 1982 zugegangen.

III.

Mit der am 1. September 1982 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Regelung des § 10 b Abs. 2 EStG verstoße zugleich gegen die sich aus Art. 21, Art. 28 Abs. 2 und Art. 38 GG ergebenden Grundsätze der Chancengleichheit der politischen Parteien und anderer Wählergruppen im kommunalen Bereich.

Der Zulässigkeit stehe nicht entgegen, daß sich das Bundesverfassungsgericht schon in früheren Entscheidungen mit der Verfassungsmäßigkeit des § 10 b EStG in dem für das Jahr 1979 maßgeblichen Wortlaut befaßt habe. Denn das Gericht habe seinerzeit nicht die der vorliegenden Verfassungsbeschwerde zugrunde liegende Frage behandelt, ob eine Berücksichtigung der kommunalen Wählergemeinschaften in § 10 b EStG verfassungsrechtlich geboten sei.

Zur Begründung der Verfassungsbeschwerde tragen die Beschwerdeführer im wesentlichen vor:

Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit im Bereich mittelbarer Parteifinanzierung, zu der auch die steuerliche Begünstigung zähle, werde durch die Grundsätze der Chancengleichheit und Parteifreiheit sowie das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe am politischen Willensbildungsprozeß begrenzt. Diese Grundsätze beanspruchten auch Geltung für den Wettbewerb der Parteien um die Erlangung von Spenden. Das Grundgesetz verleihe den gemäß Art. 21 GG zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung berufenen Parteien kein Monopol. Das Bundesverfassungsgericht habe mehrfach festgestellt, daß den kommunalen Wählervereinigungen und Rathausparteien ein Recht auf chancengleiche Teilnahme an Kommunalwahlen zustehe. Hieraus folge das Verbot jeglicher Chancenungleichheit zwischen politischen Parteien und freien Wählervereinigungen. Das Recht auf chancengleiche Teilnahme an kommunalen Wahlen dürfe ebenso wie das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß nur Beiträge und Spenden an politische Parteien, nicht aber solche an kommunale Wählervereinigungen steuerlich abgesetzt werden könnten. Diese seien in noch stärkerem Maße als politische Parteien auf die Finanzierung durch ihre Mitglieder und Spenden unabhängiger Bürger angewiesen, zumal die Wahlkampfkostenerstattung bei Wahlen zum Bundestag oder zu den Landtagen kommunalen Wählervereinigungen verschlossen bleibe.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts gebiete Art. 3 GG, auch Spenden an Rathausparteien, die mit Ausnahme der Beteiligung an Landtags- und Bundestagswahlen alle übrigen Voraussetzungen des Parteiengesetzes erfüllten, durch § 10 b EStG zu begünstigen.

IV.

Von den Verfassungsorganen des Bundes und der Länder, denen Gelegenheit gegeben worden ist, zu der Verfassungsbeschwerde Stellung zu nehmen, hat sich für die Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen geäußert. Ferner liegt eine Stellungnahme des Präsidenten des Bundesfinanzhofs vor.

1. Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für zulässig, aber unbegründet.

Die Beschwerdeführer könnten nur die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG rügen, nicht jedoch geltend machen, daß die UWG Lüdenscheid in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt sei. Auch könne die Verfassungsbeschwerde nicht auf Art. 21 und Art. 28 Abs. 2 GG gestützt werden, da es sich hierbei nicht um Grundrechte im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG und des § 90 Abs. 1 BVerfGG handle.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Der Gesetzgeber dürfe politische Parteien und kommunale Wählervereinigungen, was die steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden angehe, unterschiedlich behandeln. Im Gegensatz zu kommunalen Wählervereinigungen erfüllten die politischen Parteien auch außerhalb des durch den formalen Grundsatz der Chancengleichheit bei Wahlen nach Art. 38 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geschützten Bereichs Aufgaben und nähmen Funktionen wahr, die erhebliche sachliche und personelle Kosten verursachten. Politische Parteien unterschieden sich von kommunalen Wählervereinigungen grundlegend durch ihre verfassungsrechtliche Stellung, ihre Zielsetzung und Organisation sowie durch den Umfang der tatsächlichen Mitwirkung bei der politischen Willensbildung. Zwar seien sie ebenso wie kommunale Wählervereinigungen Wahlkampforganisationen; ihre Bedeutung gehe jedoch über diese Funktion erheblich hinaus, wie schon ihre in § 1 PartG beschriebenen Aufgaben zeigten. Wenn der Gesetzgeber diese vielfältigen Aufgaben und Funktionen, die mit erheblichen Kosten verbunden seien, zum Anlaß nehme, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden auf politische Parteien zu beschränken, verletze dies die kommunalen Wählergemeinschaften daher nicht in ihrem Recht auf Chancengleichheit.

Auch das Recht aller Bürger auf gleiche Teilhabe am politischen Willensbildungsprozeß sei nicht verletzt. Daß die steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden gemäß § 10 b Abs. 2 EStG die finanzielle Leistungskraft politischer Parteien im Verhältnis zu kommunalen Wählervereinigungen stärken könne, berühre allenfalls die Frage der Gleichbehandlung von politischen Parteien und Wählergruppen, nicht jedoch den Bürger in seinem Recht auf gleiche Teilhabe am politischen Willensbildungsprozeß.

2. Der Präsident des Bundesfinanzhofs hat mitgeteilt, das Gericht sei mit der Streitfrage bisher nur in dem Verfahren befaßt gewesen, das Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sei. Er hat eine Äußerung des Vorsitzenden des VIII. Senats beigefügt:

Die Mehrheit des Senats neige zu der Auffassung, der Gesetzgeber verletze nicht Art. 3 GG, wenn er einen Spendenabzug nur für Organisationen (Parteien) vorsehe, die sich an Bundes- oder Landtagswahlen, nicht aber für Wählervereinigungen, die sich nur an Kommunal- oder Bezirkstagswahlen beteiligten. Wahlen zum Bundestag, zu Landtagen und zu kommunalen Vertretungsorganen seien jeweils unterschiedliche Sachverhalte. Eine Minderheit des Senats bezweifele, daß es gerechtfertigt sei, zwischen Bundestags- oder Landtagswahlen einerseits und Kommunalwahlen andererseits zu unterscheiden.

Sei die Unterscheidung zwischen Bundestags- oder Landtagswahlen und Wahlen zu den Kommunen gerechtfertigt, stelle sich gleichwohl die Frage, ob durch die Vorschrift des § 10 b Abs. 2 EStG gegen die Chancengleichheit der Wahlbewerber im kommunalen Wahlkampf verstoßen werde. Einerseits seien die politischen Parteien mit Rechenschafts-, Buchführungs- und Offenlegungspflichten belastet. Einer Verpflichtung, die Herkunft ihrer Mittel offenzulegen, unterlägen die kommunalen Wählergruppen hingegen nicht. Den steuerlichen Vorteilen bei Parteispenden stünden demgemäß Nachteile in Gestalt der Rechenschaftspflichten gegenüber. Die politischen Parteien seien zudem nicht nur Wahlvorbereitungsorganisationen; ihre politische Arbeit vollziehe sich auch zwischen den Wahlen.

Andererseits könne mit der steuerlichen Begünstigung die Pflicht zur Offenlegung auch für kommunale Wählervereinigungen gesetzlich verbunden werden. Für kommunale Wählervereinigungen könne ebenfalls ein Interesse an politischer Arbeit zwischen den Wahlen bestehen.

Zweifel bestünden auch an der Richtigkeit der Auffassung, die enge Begrenzung des Sonderausgabenabzugs begründe keinen rechtserheblichen Wettbewerbsvorsprung für die Parteien. Zutreffend sei zwar, daß der Bürger zum gewählten Gemeindeorgan ein anderes Verhältnis als zum Bundestag oder einem Landtag habe. Gleichwohl würden die politischen Parteien im Rahmen kommunaler Wahlen durch die Vorschrift gegenüber den kommunalen Wählervereinigungen finanziell begünstigt. Der Senat vermöge nicht abzuschätzen, ob die Parteien infolge ihres Aufwandes für Bundestags- und Landtagswahlen finanziell in einer Weise belastet seien, daß der durch steuerbegünstigte Spenden angefallene Anteil, der in kommunale Wahlkämpfe fließe, zur Zeit nicht entscheidend ins Gewicht falle.

Schließlich werde zu berücksichtigen sein, ob die Spende, deren Abzug im Verfassungsbeschwerde-Verfahren begehrt werde, an eine Wählervereinigung geleistet worden sei, deren Satzung die nach dem Parteiengesetz für Parteien vorgeschriebenen demokratischen Grundsätze einhalte, ob insbesondere die Mitglieder gleichberechtigt seien, die Freiheit ihres Beitritts und Austritts gewährleistet sei und ob sie die Willensbildung der Wählervereinigung bestimmten.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

Sie ist form- und fristgerecht nach Erschöpfung des Rechtsweges zu den Finanzgerichten erhoben (§§ 90, 92, 93 Abs. 1 BVerfGG).

Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung eines in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG in Bezug genommenen Rechts. Sie machen im wesentlichen geltend, der Gesetzgeber habe gegen den Grundsatz des Rechts auf gleiche Teilhabe des Bürgers an der politischen Willensbildung (vgl. BVerfGE 52, 63 (88) m. w. N.) und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Die Entscheidungen des Finanzamtes und der Finanzgerichte beruhten auf der Anwendung des von den Beschwerdeführern mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar gehaltenen § 10 b Abs. 2 EStG 1979.

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, daß sich das Bundesverfassungsgericht bereits in den Urteilen vom 3. Dezember 1968 (BVerfGE 24, 300 (357 f.)) und vom 24. Juli 1979 (BVerfGE 52, 63 (81 f.)) mit der Verfassungsmäßigkeit der steuerlichen Begünstigung von Beiträgen und Spenden an politische Parteien befaßt hat. Diese Urteile entschieden über einen anderen Verfahrensgegenstand.

Zum einen (BVerfGE 24, 300) war im Organstreitverfahren auf Antrag dreier kleiner Parteien darüber zu entscheiden, ob die Antragsteller durch den Erlaß der damaligen §§ 34 und 35 PartG, durch die im Wege der Änderung des § 10 b des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 10. Dezember 1965 (BGBl. I S. 1901) und des § 11 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 24. Mai 1965 (BGBl. I S. 449) die auch noch für den Veranlagungszeitraum 1979 maßgeblichen Höchstgrenzen der Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden an politische Parteien erstmals festgelegt wurden, gegenüber anderen politischen Parteien in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt worden waren.

Zum anderen (BVerfGE 52, 63) war im Normenkontrollverfahren auf Antrag der Niedersächsischen Landesregierung zu prüfen, ob der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Entscheidung von Verfassungs wegen gehalten war, die in § 10 b Abs. 2 EStG 1977 und § 9 Nr. 3 b KStG 1977 auf 600 DM und für den Fall der Zusammenveranlagung von Eheleuten zur Einkommensteuer auf 1200 DM begrenzten abzugsfähigen Beträge zu erhöhen. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Verfahren beschlossen:

§ 10 b Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 1977 (Bundesgesetzbl. I S. 2365) und § 9 Nummer 3 b des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des Körperschaftsteuerreformgesetzes vom 31. August 1976 (Bundesgesetzbl. I S. 2597) sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Der Entscheidung kommt materielle Rechtskraft zu (vgl. BVerfGE 20, 56 (86)). Die Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft; das schließt grundsätzlich eine neue Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der geprüften Norm aus (vgl. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, BVerfGG, § 31 Rdnr. 37 m. w. N.). Sowohl die stattgebenden wie die abweisenden Entscheidungen stellen die Nichtigkeit oder Gültigkeit eines Gesetzes mit Wirkung für und gegen alle fest.

Gleichwohl steht dies im vorliegenden Fall einer erneuten Prüfung des § 10 b Abs. 2 EStG nicht entgegen. Die Grenzen der Rechtskraft und der Gesetzeskraft bestimmen sich nach dem Inhalt der Entscheidung. Der Entscheidung vom 24. Juli 1979 (BVerfGE 52, 63) lag ein Antrag der Niedersächsischen Landesregierung zugrunde, die Vorschriften des § 10 b Abs. 2 EStG 1977 und des § 9 Nr. 3 b KStG 1977 wegen deren Unvereinbarkeit mit Art. 21 und mit Art. 3 GG „insoweit für nichtig zu erklären, als diese Vorschriften die Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden an politische Parteien auf insgesamt 600 DM und im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten auf insgesamt 1200 DM im Kalenderjahr beschränken”. Entsprechend ist in den Gründen als Gegenstand der Entscheidung die Frage bezeichnet worden, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß die steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden an politische Parteien in den genannten Vorschriften auf 600 DM und im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten auf 1200 DM jährlich begrenzt worden ist. Die verfassungsrechtliche Prüfung erstreckte sich damit nicht auf die Gesamtregelung des § 10 b Abs. 2 EStG, sondern lediglich auf die Anordnung von Höchstgrenzen für die Abzugsfähigkeit. § 10 b Abs. 2 EStG in der hier maßgeblichen Fassung enthält bei genauerer Betrachtung zwei Rechtssätze: Zum einen die Anordnung von Höchstgrenzen für die Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden und zum anderen die Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit auf Geldzuwendungen an politische Parteien im Sinne des § 2 des Parteiengesetzes. Wenn in einem solchen Fall eine Entscheidung eine Rechtsvorschrift, die nach ihrem Inhalt zwei Rechtssätze enthält, ohne Einschränkung für gültig erklärt, während den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, daß die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsvorschrift nur hinsichtlich eines dieser Rechtssätze geprüft und bejaht worden ist, so kann die gleiche Rechtsvorschrift in einem späteren Verfahren noch hinsichtlich des anderen Rechtssatzes geprüft werden (BVerfGE 22, 387 (405)).

C.

Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten.

I.

Die behauptete Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung beruht nicht auf der falschen Anwendung einfachen Rechts, sondern darauf, daß der Gesetzgeber eine steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden an kommunale Wählergemeinschaften nicht vorgesehen hat. Ein Anspruch des Bürgers, der Beiträge oder Spenden an eine kommunale Wählergemeinschaft leistet, auf Einbeziehung in die begünstigende Regelung des § 10 b EStG 1979 läßt sich aus dieser Norm nicht herleiten.

1. § 10 b Abs. 2 EStG sieht seinem Wortlaut nach nur die Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden an „politische Parteien im Sinne des § 2 des Parteiengesetzes” vor. Dieser Wortlaut ist eindeutig (vgl. BVerfGE 41, 399 (411)). Gruppen, die sich in ihrer Tätigkeit auf die kommunale Ebene beschränken – sog. Rathausparteien –, sind keine politischen Parteien im Sinne von Art. 21 GG (BVerfGE 6, 367 (372 f.)). Vollends ausgeschlossen ist eine andere Auslegung des § 10 b Abs. 2 EStG durch den Zusatz „im Sinne des § 2 des Parteiengesetzes”. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG setzt die Parteieigenschaft voraus, daß die Vereinigung dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken will. Deshalb verbietet sich die Anwendung des § 10 b Abs. 2 EStG auf Wählergemeinschaften, die nur im kommunalen Bereich tätig sein wollen.

2. Beiträge und Spenden an kommunale Wählergemeinschaften können auch nicht nach § 10 b Abs. 1 EStG 1979 als Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke steuerlich geltend gemacht werden. Für den Veranlagungszeitraum 1979 umschrieb § 49 Abs. 1 Satz 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung die staatspolitischen Zwecke im Sinne dieser Vorschrift als solche, die sich auf die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich des Grundgesetzes und in Berlin (West) richten, und nahm hiervon Bestrebungen aus, die nur bestimmte Einzelinteressen staatspolitischer Art verfolgen oder „die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind”. Letzteres ist bei kommunalen Wählergemeinschaften der Fall.

II.

Maßstab für die Prüfung, ob die Beschwerdeführer durch § 10 b Abs. 2 EStG 1979 in ihrem Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung des Volkes verletzt sind, ist Art. 3 Abs. 1 GG in seiner vom Demokratieprinzip gebotenen strengen, formalen Ausprägung.

1. Für den Sachbereich der Wahlen ist nach der geschichtlichen Entwicklung, die für das Bundestagswahlrecht in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und für das Wahlrecht in den Ländern, Kreisen und Gemeinden in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ihren verfassungsrechtlich verbindlichen Ausdruck gefunden hat, davon auszugehen, daß jedermann seine staatsbürgerlichen Rechte in formal möglichst gleicher Weise soll ausüben können (BVerfGE 6, 84 (91); 11, 266 (272); 11, 351 (360 f.); 12, 10 (25); 12, 73 (77); 13, 1 (12); 13, 243 (246); 16, 130 (138); 28, 220 (225)). Die durch das Grundgesetz errichtete demokratische Ordnung trägt insoweit einen formalen Charakter, als sie unbeschadet der bestehenden sozialen Unterschiede im Bereich der politischen Willensbildung alle Staatsbürger grundsätzlich gleich bewertet (BVerfGE 8, 51 (69); 14, 121 (132); 41, 1 (12)). Für die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ist die Gleichbewertung aller Staatsbürger bei der Ausübung des Wahlrechts eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung (BVerfGE 6, 84 (91); 11, 351 (360); 41, 399 (413)). Der Grundsatz der gleichen Wahl ist insoweit ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes, der als Grundrecht des Einzelnen in Art. 3 Abs. 1 GG garantiert ist (BVerfGE 1, 208 (242); 34, 81 (98); 41, 399 (413); 57, 43 (56)). Die öffentliche Gewalt muß, wenn sie den Bereich der politischen Willensbildung bei Wahlen in einer Weise regelt, daß dadurch die Chancengleichheit der politischen Parteien und Wahlbewerber verändert werden kann, sich gegenwärtig halten, daß ihrem Ermessen in diesem Bereich besonders enge Grenzen gezogen sind (BVerfGE 8, 51 (64 f.); 11, 266 (272); 24, 300 (341); 34, 160 (163); 44, 125 (146)). In diesem Bereich bedürfen Differenzierungen stets eines besonderen, rechtfertigenden, zwingenden Grundes (BVerfGE 6, 84 (92 ff.); 14, 121 (133); 47, 198 (227)).

Der Grundsatz der Chancengleichheit ist zunächst für den Wahlvorgang selbst entwickelt worden. Seine Geltung ist ausgedehnt worden auf die Wahlvorbereitung (vgl. BVerfGE 8, 51 (64 f.); 14, 121 (132 f.); 47, 198 (225)); er gilt für den Bereich der Erstattung von Wahlkampfkosten (vgl. BVerfGE 20, 56 (116); 24, 300 (339 f.); 41, 399 (413)) und für den Wettbewerb der Parteien um die Erlangung von Spenden (BVerfGE 6, 273 (280); 8, 51 (64 f.); 20, 56 (116); 52, 63 (89)). Auch der mittelbaren Finanzierung der Tätigkeit der politischen Parteien durch die steuerliche Berücksichtigung von Beiträgen und Spenden sind vom Grundgesetz Schranken gesetzt (BVerfGE 8, 51 (62 f.); 24, 300 (357 f.); 52, 63 (84)).

Das Gebot der grundsätzlich strengen Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber im Bereich der politischen Willensbildung des Volkes gilt nicht nur gegenüber politischen Parteien im Sinne des Art. 21 GG und des § 2 PartG, sondern auch gegenüber anderen Gruppen oder Bewerbern, die mit den politischen Parteien in Wettbewerb um Wählerstimmen treten (vgl. BVerfGE 41, 399). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß auf der kommunalen Ebene, für die Art. 28 Abs. 2 GG die seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts gewachsene moderne Form der Selbstverwaltung garantiert, grundsätzlich die örtlich gebundenen Rathausparteien oder Wählervereinigungen den politischen Parteien rechtlich gleichgestellt sind und daß den sich diesen Gruppen zurechnenden Bürgern wie ihren Kandidaten grundsätzlich eine chancengleiche Teilnahme an den kommunalen Wahlen gewährt werden muß (BVerfGE 11, 266 (274 f., 276); 11, 351 (361); 12, 10 (25); 13, 1 (16)).

2. Das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung des Volkes äußert sich in einer Demokratie nicht nur in der Stimmabgabe bei Wahlen, sondern auch in der Einflußnahme auf den ständigen Prozeß der politischen Meinungsbildung. Aus diesem Grunde ist der Gleichheitssatz nicht nur bei Wahlen, sondern auch in ihrem Vorfeld streng formal zu verstehen (vgl. BVerfGE 8, 51 (68); 14, 121 (132); 24, 300 (360); 52, 63 (88)). Das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung ist auch zu beachten, wenn Steuergesetze die finanzielle Unterstützung politischer Parteien durch den Bürger begünstigen (BVerfGE 52, 63 (88)). Der Bürger macht auch dann von seinem Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung Gebrauch, wenn er einer politischen Partei Geld spendet und dadurch deren Bestrebungen unterstützt (BVerfGE 24, 300 (360)). Der Gesetzgeber darf dieses Recht des Einzelnen grundsätzlich nicht in der Weise beeinträchtigen, daß er bestimmten Bürgern eine größere Einflußnahme auf den Willensbildungsprozeß ermöglicht als anderen (vgl. BVerfGE 8, 51 (68 f.); 24, 300 (360); 52, 63 (88, 92)).

Auch die Regelung des § 10 b Abs. 2 EStG ist mithin, soweit sie eine steuerliche Begünstigung nur für Beiträge und Spenden an politische Parteien, nicht jedoch für solche an kommunale Wählergemeinschaften vorsieht, am Maßstab der im Bereich der politischen Willensbildung strikt verstandenen, formalen Gleichheit des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. So wie der Bürger, der einer politischen Partei Geld zuwendet, sich damit in der Regel zu den Zielen dieser Partei bekennt, ähnlich wie wenn er ihr seine Wahlstimme geben würde (vgl. BVerfGE 8, 51 (68)), tut es derjenige, der an eine kommunale Wählergemeinschaft spendet, im Verhältnis zu dieser Organisation. Beide machen von ihrem Recht auf Teilhabe an der politischen Willensbildung Gebrauch. An dem für diesen Sachbereich entwickelten Maßstab sind daher die angegriffenen Entscheidungen und die Vorschrift des § 10 b Abs. 2 EStG 1979 zu prüfen.

III.

Die in § 10 b Abs. 2 EStG 1979 vorgesehene Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit auf Beiträge und Spenden, die politischen Parteien im Sinne des § 2 PartG gewährt werden, ist mit dem Grundgesetz vereinbar und verletzt nicht die Rechte der Beschwerdeführer auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung. Der Gesetzgeber war angesichts der für das Veranlagungsjahr 1979 maßgeblichen Höchstbeträge nicht gehalten, die steuerliche Abzugsfähigkeit auf Beiträge und Spenden zu erstrecken, die kommunalen Wählervereinigungen zugewendet wurden.

1. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, daß die Rechte der Bürger auf gleichberechtigte Mitwirkung an der politischen Willensbildung und der Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien und Wahlbewerber nicht schlechthin jede Differenzierung verbieten. So dürfen die den Parteien von den Trägern öffentlicher Gewalt gewährten staatlichen Leistungen bis zu einem von der Sache her gebotenen Mindestmaß nach der Bedeutung der Parteien abgestuft werden (BVerfGE 13, 204 (205); 14, 121 (134); 24, 300 (345)). Auch bezüglich des Umfangs der Erstattung der einer Partei entstandenen Wahlkampfkosten ist in gewissen Grenzen eine Differenzierung mit dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien vereinbar (BVerfGE 20, 56 (118)). Der Grundsatz der Chancengleichheit gebietet nicht, daß die sich aus der unterschiedlichen Größe, politischem Gewicht und Leistungsfähigkeit der Parteien ergebenden Unterschiede durch staatliche Maßnahmen ausgeglichen werden (BVerfGE 24, 300 (344)). Hinsichtlich der steuerlichen Begünstigung von Beiträgen und Spenden für politische Parteien hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt (BVerfGE 52, 63 (90 f.)), daß eine gewisse Veränderung der Wettbewerbslage, die bei jeder Form der steuerlichen Berücksichtigung von Beiträgen und Spenden nahezu unvermeidlich sein wird, von der Verfassung hingenommen wird. Die vom Grundsatz der Chancengleichheit dem Gesetzgeber bei der Bemessung der Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden gezogene Grenze verläuft dort, wo die steuerliche Begünstigung ein Ausmaß erreicht, das geeignet ist, die vorgegebene Wettbewerbslage zwischen den politischen Parteien und den kommunalen Wählervereinigungen in einer ernsthaft ins Gewicht fallenden Weise zu verändern.

Zu einer solchen Begünstigung der politischen Parteien gegenüber kommunalen Wählervereinigungen führt § 10 b Abs. 2 EStG mit den für das Veranlagungsjahr 1979 maßgeblichen Höchstgrenzen der Abzugsfähigkeit von 600 DM für Ledige und 1200 DM im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten jedoch noch nicht.

a) Das Grundgesetz hat die politischen Parteien in Art. 21 GG als verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes anerkannt und sie in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhoben. Sie sind politische Handlungseinheiten, deren die Demokratie bedarf, um die Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen so einen wirksamen Einfluß auf das staatliche Geschehen zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 11, 266 (273); 14, 121 (133); 20, 56 (99, 101); 41, 399 (416); 44, 125 (145 f.); 52, 63 (82 f.)).

Ihr Tätigkeitsfeld beschränkt sich heute nicht auf die Beteiligung an Wahlen, sondern erstreckt sich weit darüber hinaus. Die den politischen Parteien vom Grundgesetz und dem Parteiengesetz (§ 1) zugedachte Rolle führt zu vielfältigen Aktivitäten im öffentlichen Leben. Hierzu bedarf es einer auf Dauer angelegten festgefügten Parteiorganisation, die – neben den unmittelbaren Aufwendungen für die Wahlkämpfe in Bund, Ländern und Gemeinden sowie für die Wahl zum Europäischen Parlament – erhebliche sachliche und personelle Kosten verursacht.

b) Die Willensbildung des Volkes wird allerdings nicht nur von den politischen Parteien vorgeformt und beeinflußt. Auf der kommunalen Ebene wirken insbesondere die örtlich gebundenen Rathausparteien und Wählervereinigungen an der politischen Willensbildung in nicht unerheblichem Ausmaß mit. Die institutionelle Garantie der Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet diesen vor allem an den besonderen Belangen der örtlichen Gemeinschaften orientierten Wählervereinigungen und den sie tragenden Bürgern eine chancengleiche Mitwirkung bei der politischen Willensbildung im kommunalen Bereich, die vom Gesetzgeber nicht beeinträchtigt werden darf (vgl. BVerfGE 11, 266 (274 f., 276); 11, 351 (361); 12, 10 (25); 13, 1 (16)).

c) Andererseits ist der Gesetzgeber nicht gehalten, die Unterschiede zwischen den politischen Parteien und den kommunalen Wählervereinigungen außer Betracht zu lassen. Die ihrem Wesen und ihrer Organisation nach in erster Linie am Staatsganzen orientierten politischen Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten und auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens mit. Sie beteiligen sich in der Regel an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden. Kommunale Wählergruppen nehmen demgegenüber nur an den Kommunalwahlen teil; sie beschränken ihre Tätigkeit auf den örtlichen Bereich und richten sie danach aus. Wenn der Gesetzgeber diese Unterschiede und die durch die umfangreicheren Aufgaben der politischen Parteien bedingten erheblich höheren sachlichen und personellen Kosten zum Anlaß nimmt, Beiträge und Spenden an politische Parteien gegenüber Geldzuwendungen an kommunale Wählergruppen in unterschiedlicher Weise steuerlich zu begünstigen, ist dies in gewissen Grenzen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch angesichts des Umstands, daß bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag, den Landtagen und der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments den teilnehmenden Parteien die Kosten des Wahlkampfes erstattet werden.

2. Der aufgrund der Regelung des § 10 b Abs. 2 EStG 1979 den Parteien mittelbar zugute kommende staatliche Steuerverzicht führt nicht zu einer ernsthaft ins Gewicht fallenden Differenzierung des Rechts der Bürger auf Teilhabe an der politischen Willensbildung im kommunalen Bereich. § 10 b Abs. 2 EStG 1979 beschränkt die Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden an politische Parteien auf 600 DM für Ledige und auf 1200 DM im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten. Für Beiträge und Spenden von mehr als 600 DM im Jahr sieht § 10 b Abs. 2 EStG 1979 eine Steuerermäßigung nicht vor. Die jährliche Steuerersparnis beträgt im Höchstfall etwas über 300 DM. Daß bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten Parteispenden bis zu 1200 DM jährlich absetzbar sind, ändert daran nichts, da sich jeder der Ehegatten selbständig entscheiden kann (BVerfGE 52, 63 (91)).

Die den örtlichen Untergliederungen der politischen Parteien zufließenden Beiträge und Spenden werden nicht nur zur Förderung ihrer politischen Arbeit in den Kommunen, sondern auch zur Unterstützung der von den Orts- und Kreisverbänden im Rahmen der politischen Willensbildung auf Landes- und Bundesebene wahrgenommenen Aufgaben gewährt und verwendet. Der staatliche Steuerverzicht wirkt sich mithin nur zum Teil auf den Wettbewerb zwischen den politischen Parteien und den kommunalen Wählervereinigungen aus. Dadurch wird das Ausmaß der Ungleichbehandlung weiter vermindert.

3. Ob der völlige Ausschluß der Absetzbarkeit von Beiträgen und Spenden an kommunale Wählergruppen auch bei einer gegenüber der Regelung in § 10 b Abs. 2 EStG 1979 wesentlich höheren Absetzbarkeit von Geldzuwendungen an politische Parteien vor der Verfassung Bestand hätte, bleibt offen.

 

Fundstellen

BVerfGE, 92

NJW 1985, 1017

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