Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtanhörung des Prozeßgegners im Prozeßkostenhilfeverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt weder, daß der Prozeßgegner eines Antragstellers auf Prozeßkostenhilfe ein Recht auf rechtliches Gehör hinsichtlich der Erklärung des Antragstellers über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse hat noch ein diesem inhärentes Recht auf Einsichtnahme in diese Akten.Die Auslegung des Prozeßkostenhilferechts dahin, daß eine Rechtsposition des Gegners nicht schon dann berührt wird, wenn der soziale Teil des Bewilligungstatbestandes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers bejaht wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 114, 117 Abs. 2, §§ 118, 299 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BGH (Entscheidung vom 04.02.1988; Aktenzeichen V ZR 125/87)

BGH (Beschluss vom 08.10.1987; Aktenzeichen V ZR 125/87)

 

Gründe

Die jedenfalls nach Erstreckung auf den Bewilligungsbeschluß vom 4. Februar 1988 zulässige Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 8. Oktober 1987 (V ZR 125/87) läßt einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht erkennen.

Dieses Verfahrensgrundrecht gewährleistet den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlaß der Entscheidung äußern zu können (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 66, 116 ≪146 f.≫). Die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs ist den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 74, 1 ≪5≫); soweit dies jedoch nicht im ausreichenden Maße gewährleistet ist, hat das Bundesverfassungsgericht auch unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG Anhörungspflichten hergeleitet (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 61. 37 ≪41≫).

Auch insoweit kommt ein Anspruch auf rechtliches Gehör jedoch nur demjenigen zu, der nach der maßgeblichen Verfahrensordnung an einem gerichtlichen Verfahren als Partei oder parteiähnlicher Stellung beteiligt ist oder unmittelbar rechtlich von dem Verfahren betroffen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 75, 201 ≪215≫). Denn dieses Verfahrensgrundrecht stellt eine justizielle Ausprägung der Würde der Person dar, die insoweit fordert, daß über ihr Recht nicht kurzerhand von Obrigkeits wegen verfügt wird; der Einzelne soll nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern er soll von einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluß auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 63, 332 ≪337≫).

Die angegriffenen Entscheidung, die dem Beschwerdeführer im Prozeßkostenhilfeverfahren ein Anhörungsrecht hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und im Gefolge dessen ein Recht auf Einsicht in diese Akten versagt, steht im Einklang mit dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Die tragende Begründung, daß der Gegner des Antragstellers hinsichtlich der subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen nicht Verfahrensbeteiligter sei und die Beurteilung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers mit seinen eigenen Rechten nichts zu tun habe, ist offenkundig an der von Art. 103 Abs. 1 GG gemeinten Gewährleistung orientiert, daß nur über eine Rechtsposition des Gegners nicht ohne vorgängige Gewährung rechtlichen Gehörs gerichtlich entschieden werden darf. Die angegriffene Entscheidung, die unter Bezugnahme auf die Grundsatzentscheidung BGHZ 89, 65 ff. das Prozeßkostenhilferecht dahin auslegt, daß eine Rechtsposition des Gegners nicht schon dann berührt wird, wenn der soziale Teil des Bewilligungstatbestandes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers bejaht wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dementsprechend folgt auch unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG weder ein Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör hinsichtlich der Erklärung des Antragstellers über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse noch ein diesem inhärentes Recht auf Einsichtnahme in diese Akten.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

NJW 1991, 2078

NVwZ 1991, 869

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