Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz für Aufrechterhaltung von Steuervergünstigungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Gesetzgeber hat bei der Erschließung von Steuerquellen und beim Abbau einer Steuerbegünstigung eine weitgehende Gestaltungsfreiheit; trotz unvermeidlich gewisser Härten ist es ihm dabei nicht verwehrt, Stichtage einzuführen. Der Bürger kann regelmäßig nicht darauf vertrauen, daß der Gesetzgeber Steuervergünstigungen immer und uneingeschränkt für die Zukunft aufrechterhalten werde.

2. Gegen die Beschränkung des Anwendungsbereichs der degressiven AfA gem. § 7 Abs. 5 EStG durch das StÄndG 1973 bestehen ebensowenig verfassungsmäßige Bedenken wie gegen die Wahl des Stichtages.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; EStG § 7 Abs. 5; StÄndG 1973

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 11.04.1989; Aktenzeichen IX R 118/85)

FG Düsseldorf (Urteil vom 18.04.1985; Aktenzeichen VII/V 499/79 E)

 

Gründe

Der Gesetzgeber hat bei der Erschließung von Steuerquellen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Will er eine bestimmte Steuerquelle erschließen, andere Steuerquellen hingegen nicht ausschöpfen, so sind Grundrechte, insbesondere der allgemeine Gleichheitssatz, solange nicht verletzt, als sich die Verschiedenbehandlung mit finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen rechtfertigen läßt (vgl. BVerfGE 49, 343 ≪360≫; 50, 386 ≪392≫; 65, 325 ≪354≫). Dabei genügt es, wenn einer der genannten Gründe die Verschiedenbehandlung trägt (vgl. BVerfGE 13, 181 ≪203≫; 65, 325 ≪354≫).

Hat somit der Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit bei der Erschließung von Steuerquellen, dann gilt das gleiche auch beim Abbau einer Steuerbegünstigung (vgl. BVerfGE 27, 58 ≪66≫; 60, 7 ≪43≫). Dem Gesetzgeber ist es dabei grundsätzlich nicht verwehrt, Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. etwa BVerfGE 71, 364 ≪397≫).

Zudem kann der Bürger regelmäßig nicht darauf vertrauen, daß der Gesetzgeber Steuervergünstigungen immer und uneingeschränkt für die Zukunft aufrechterhalten werde. Ein verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz kann nicht soweit gehen, den Begünstigten vor jeder „Enttäuschung” seiner Erwartungen in die Dauerhaftigkeit einer bestimmten Rechtslage zu bewahren (vgl. BVerfGE 48, 403 ≪416≫; 50, 386 ≪395 f.≫; 63, 312 ≪330 f.≫).

Geht man von diesen Grundsätzen aus, so läßt sich ein Verfassungsverstoß nicht erkennen. Der Gesetzgeber hat ersichtlich von volkswirtschaftlichen Überlegungen getragen den Anwendungsbereich der degressiven AfA in den Streitjahren eingeschränkt. Hiergegen bestehen ebensowenig Bedenken wie gegen die Wahl des Stichtages. Die notwendige, aber gesetzestechnisch nicht zu vermeidende Folge war, daß all diejenigen, die bis zu diesem Stichtage sich erfolglos um eine Baugenehmigung bemühten, nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen von der Inanspruchnahme einer degressiven AfA für Gebäude ausgeschlossen waren. Auch einen besonderen Vertrauenssehutz können die Beschwerdeführer nicht in Anspruch nehmen, denn als sie ihren schließlich genehmigten Bauantrag im Januar 1975 einreichten, mußten sie um die bereits seit dem Stichtag 9. Mai 1973 geltende eingeschränkte Möglichkeit der Absetzung für Abnutzung nach § 7 Abs. 5 EStG wissen. Wenn sie gleichwohl von der Baugenehmigung Gebrauch machten, konnte dies nicht im Vertrauen auf eine vorher bestehende Regelung geschehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1552241

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