Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinheitlichung der steuerberatenden Berufe; Zusammenführung von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Vereinheitlichung der steuerberatenden Berufe – Zweites Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; StBerG §§ 5, 8

 

Tatbestand

I.

1. Das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vom 16. August 1961 (Steuerberatungsgesetz) – BGBl I S. 1301 – (StBerG) hatte die Berufe der Steuerberater und der Steuerbevollmächtigten neu geordnet. Dabei waren die beiden Berufe weitgehend einander angenähert worden, namentlich im Hinblick auf Inhalt und Umfang der steuerberatenden Berufstätigkeit; sie unterschieden sich im wesentlichen in den Anforderungen an die Vorbildung (vgl. BVerfGE 21, 227 [234 f.].)

Die beiden Berufe werden nunmehr durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl I S. 1401) zu einem einheitlichen Beruf zusammengeführt: Auf die Dauer soll es nur noch den Beruf des Steuerberaters geben, für den das Gesetz verschiedenartige Zulassungsvoraussetzungen vorsieht einerseits Zugang über die Steuerberaterprüfung entweder nach abgeschlossenem Hochschulstudium oder nach langjähriger hauptberuflicher Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens und andererseits prüfungsfreier Zugang für bestimmte Personengruppen – vgl. im einzelnen §§ 5 und 8 StBerG in der Fassung des Änderungsgesetzes (im folgenden: n. F.). Die Überleitungsregelung des Gesetzes ermöglicht es den Steuerbevollmächtigten, in ihrem bisherigen Beruf zu verbleiben oder nach 6jähriger Berufstätigkeit, Teilnahme an einem 50stündigem Seminar und Ablegung einer mündlichen Prüfung den Steuerberaterberuf zu ergreifen (vgl. im einzelnen § 118 b n. F.). Die Durchführung des Seminars obliegt zunächst einer Arbeitsgemeinschaft, zu der die bisherigen Berufskammern zusammengeschlossen werden (§ 118 b Abs. 2 n. F.). Ab 1. Januar 1975 bilden die Steuerberater zusammen mit den im bisheriges Beruf verbleibenden Steuerbevollmächtigten einheitliche Steuerberaterkammern (vgl. §§ 31 ff. und 118 c f. n. F.).

2. Nach Auffassung der beschwerdeführenden Steuerberater verletzt die Neuregelung ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

Die Neuregelung sei schon deshalb unvereinbar mit der verfassungsmäßigen Ordnung, weil der Zugang zur steuerberatenden Berufstätigkeit künftig grundlos erschwert werde. Insbesondere werde der Steuerberaterberuf durch die Schaffung eines Einheitsberufs in verfassungswidriger Weise entwertet. Das zeige sich vor allem bei der Überleitungsregelung, die einen Massenzugang von Steuerbevollmächtigten zum Steuerberaterberuf zur Folge haben werde. In den künftig zu bildenden einheitlichen Berufskammern müsse zumindest ein Minderheitenschutz für die derzeitigen Steuerberater vorgesehen werden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerden können keinen Erfolg haben.

1. Soweit die Beschwerdeführer bemängeln, der Zugang zur steuerberatenden Berufstätigkeit werde ungerechtfertigt dadurch erschwert, daß der bisherige Steuerbevollmächtigtenberuf durch Streichung des § 4 Abs. 2 und des § 6 a. F. geschlossen und die Voraussetzung für eine prüfungsfreie Bestellung als Steuerberater durch die Neufassung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 a verschärft worden sei, ist nicht erkennbar, inwiefern die Beschwerdeführer selbst durch die Neuordnung in ihrer Berufs- und Handlungsfreiheit unmittelbar betroffen sein könnten.

2. Der Gesetzgeber hat auch nicht dadurch in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen speziell der Beschwerdeführer eingegriffen, daß er die beiden steuerberatenden Berufe vereinheitlicht und für die Steuerbevollmächtigten eine Überleitungsregelung getroffen hat.

a) Bei der Vereinheitlichung der Berufe ist der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen, daß die bisherigen Berufe der Steuerberater und der Steuerbevollmächtigten nach Aufgaben und Befugnissen bereits weitgehend einander angenähert waren und die Vereinheitlichung im wesentlichen eine Modifizierung der bisherigen Zulassungsvoraussetzungen bedeutet. Schon nach früherem Recht konnten nicht allein akademisch vorgebildete Bewerber den Beruf des Steuerberaters ergreifen, sondern auch solche Bewerber, die sich mindestens 10 Jahre als Steuerbevollmächtigte besonders bewährt oder sich mindestens 10 Jahre in der Finanzverwaltung, davon 5 Jahre als Sachgebietsleiter betätigt und sodann die Steuerberaterprüfung bestanden hatten (§ 5 Abs. 2 und 3 a. F.). Nach der Neuregelung führt der regelmäßige Zugang zum Steuerberaterberuf weiterhin über die für alle Bewerber gleiche Steuerberaterprüfung, zu der künftig auch Bewerber ohne Hochschulstudium zugelassen werden, die entweder 10 Jahre hauptberuflich auf dem Gebiet des Steuerwesens oder 7 Jahre als Sachbearbeiter oder in gleichwertiger Stellung im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung tätig gewesen sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 c und Abs. 2 n. F.). Die schon vorher bestehende Möglichkeit eines prüfungsfreien Zugangs zum Steuerberaterberuf nach längerer Berufspraxis auf dem Gebiet des Steuerwesens (vgl. § 8 a. F.) ist durch § 8 Abs. 1 Nr. 3 b und 4 n. F. auf bestimmte andere Personengruppen erweitert worden.

Die von den Beschwerdeführern in erster Linie aufgegriffene Überleitungsregelung in § 118 b n. F. stimmt mit der zuvor geschilderten „Dauerlösung” insofern überein, als beidemal der Zugang zum Steuerberaterberuf für Bewerber ohne Hochschulstudium über eine vorherige, insgesamt mindestens 10jährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens führt (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 c n. F. einerseits und § 118 b Abs. 1 Nr. 1 n. F. in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 a. F. andererseits). Sie unterscheidet sich von der Dauerlösung insbesondere dadurch, daß diejenigen Steuerbevollmächtigten, die in den Steuerberaterberuf aufsteigen wollen, keine vollständige Steuerberaterprüfung, sondern lediglich eine mündliche Prüfung nach Teilnahme an einem 50stündigen Seminar ablegen müssen.

b) Berufsregelnde Maßnahmen der zuvor dargestellten Art verletzen die Steuerberater nicht in ihrem Grundrecht ans Art. 12 Abs. 1 GG, der in erster Linie als Prüfungsmaßstab in Betracht kommt. Die Gestaltungsfreiheit, die Art. 12 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber für Berufsregelungen läßt, schließt die Befugnis zur Vereinheitlichung von Berufen ein und läßt auch Spielraum dafür, neugeschaffene Berufsbilder durch Überleitungsregelungen mit erleichterten Anforderungen für die bereits Berufstätigen möglichst bald zu verwirklichen (vgl. BVerfGE 21, 173 [180 ff.]; 25, 236 [248]; 32, 1, [36]). Wo die verfassungsrechtlichen Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit im einzelnen zu ziehen sind, braucht nicht näher erörtert zu werden. Denn für die Entscheidung über die vorliegenden Verfassungsbeschwerden ist von maßgebender Bedeutung, daß die Neuregelung die berufliche Rechtsstellung der beschwerdeführenden Steuerberater unangetastet gelassen hat. Da ihnen nach wie vor die gleichen rechtlichen Befugnisse in der Ausübung ihres Berufs zustehen wie bisher, hat der Gesetzgeber durch die geschilderte Neuregelung die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit jedenfalls ihnen gegenüber nicht überschritten. Dagegen, daß den Beschwerdeführern durch die Neuregelung in ihrem Beruf neue Konkurrenz erwächst, gewährt Art. 12 Abs. 1 GG, der auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung abzielt, keinen Schutz, ebensowenig wie es nach der freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes ein subjektives verfassungskräftiges Recht auf die Erhaltung des Geschäftsumfanges und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten gibt (vgl. BVerfGE 7, 377 [408]; 11, 168 [189]; 24, 236 [251]; 31, 8, [31]).

Auch soweit im Rahmen der Prüfung nach Art. 12 Abs. 1 GG Art. 3 Abs. 1 GG heranzuziehen ist, scheidet ein Grundrechtsverstoß zum Nachteil der Beschwerdeführer aus. Nach ständiger Rechtsprechung gebührt dem Gesetzgeber insoweit ebenfalls ein breiter Gestaltungsspielraum, wobei es ihm grundsätzlich überlassen bleibt, diejenigen Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln. Ob ihm im vorliegenden Fall eine zweckmäßige und überzeugende Neuordnung und Überleitungslösung gelungen ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen; jedenfalls ist der Gesetzgeber innerhalb der Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit geblieben.

Ob – wie ein Teil der Beschwerdeführer meint – in Fällen der vorliegenden Art neben Art. 12 Abs. 1 GG auch Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab in Betracht zu ziehen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn ein Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführer gemäß Art. 14 GG, der insbesondere nicht gegen Konkurrenten schützt (vgl. BVerfGE 11, 192 [202 f.]), scheidet jedenfalls aus den gleichen Gründen aus wie ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

3. Da die Neuregelung als solche nicht in Grundrechte der Beschwerdeführer eingreift, gehen auch die weiteren Rügen fehl, die sich gegen die Konsequenzen dieser Regelung wenden (Mitwirkung von Vorstandsmitgliedern der Steuerberaterkammern bei der gemäß § 118 b Abs. 2 n. F. gebildeten Arbeitsgemeinschaft sowie für die Zeit ab 1. Januar 1975 vorgesehene Bildung einheitlicher Berufskammern).

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 178

BVerfGE 34, 252

DStR 1973, 212

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