Leitsatz

Die im Rahmen der Gewinnfeststellung getroffene Billigkeitsmaßnahme, von der Aktivierung des Feldinventars abzusehen, wirkt auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags.

 

Normenkette

§ 163 Sätze 1 und 2, § 184 Abs. 2 Satz 2 AO a.F.

 

Sachverhalt

Eine landwirtschaftlich tätige GbR hatte das Feld­inventar gestützt auf die EStR nicht aktiviert. Nach einer Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die GbR infolge der Abfärbung zwischenzeitlich aufgenommener gewerblicher Tätigkeiten zu einem Gewerbebetrieb geworden sei und deshalb auch nicht mehr von dem Wahlrecht zur Nichtaktivierung des Feldinventars Gebrauch machen dürfe. Aufgrund der Prüfungsfeststellungen ergingen geänderte Gewinnfeststellungsbescheide und erstmalige GewSt-Messbescheide für die Streitjahre.

Im Rahmen des nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klageverfahrens verständigten sich GbR und FA darauf, dass das Feldinventar in den Gewinnfeststellungsbescheiden nicht zu berücksichtigen sei, weil bei Erlass der erstmaligen Gewinnfeststellungsbescheide in Bezug auf die Nichtaktivierung des Feldinventars eine eigenständige und auch für die Änderungsbescheide bindende Billigkeitsmaßnahme gewährt worden sei.

Die Klage gegen die GewSt-Messbescheide wies das FG anschließend ab (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.9.2014, 3 K 180/13, Haufe-Index 7536484). Die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme sei rechtmäßig. Die mit den erstmaligen Gewinnfeststellungsbescheiden verbundene bestandskräftige Billigkeitsentscheidung habe keine Bindungswirkung für die GewSt-Messbescheide.

 

Entscheidung

Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das FG. Die sich aus § 163 Satz 2 AO (heute § 163 Abs. 1 Satz 2 AO) ergebende Billigkeitsmaßnahme bei Erlass der erstmaligen Gewinnfeststellungsbescheide wirke sich nach § 184 Abs. 2 Satz 2 AO auch auf den Gewerbeertrag aus. Zu dessen Ermittlung seien noch weitere Feststellungen des FG erforderlich.

 

Hinweis

1. Nach allgemeinen Grundsätzen müssten bilanzierende Landwirte den Pflanzenbestand auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen – das sog. Feldinventar – als Umlaufvermögen aktivieren. Die Finanzverwaltung gestattet es jedoch, auf die Aktivierung zu verzichten (R 14 Abs. 2, heute Abs. 3 EStR). Dies dient der Vereinfachung, weil die Herstellungskosten schwer zu ermitteln sind, der Bestand von Jahr zu Jahr nur geringfügig schwankt und ohnehin im nächsten Wirtschaftsjahr veräußert wird. Das dem Landwirt danach zustehende Wahlrecht war zunächst als Bilanzierungserleichterung nach § 148 AO verstanden worden, ist nach heutiger Rechtsprechung des BFH aber eine Billigkeitsmaßnahme i.S.d. § 163 Abs. 1 AO.

Zuletzt hatte der BFH eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO angenommen (BFH, Urteil vom 12.12.2013, IV R 31/10, BFH/NV 2014, 514). Mit dem hiesigen Urteil korrigiert der BFH diese Auffassung und ordnet die Billigkeitsmaßnahme § 163 Abs. 1 Satz 2 AO zu. Derartige Billigkeitsmaßnahmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur eine Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts bewirken. Billigkeitsmaßnahmen i.S.d. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO führen demgegenüber zu einem dauerhaften Steuerverzicht.

2. Der BFH hatte nicht zu entscheiden, ob das Wahlrecht zur Nichtbilanzierung des Feldinventars auch für Gewerbebetriebe gilt, die landwirtschaftliche Nutzflächen bewirtschaften. Denn im entschiedenen Fall ergab sich die bindende Billigkeitsentscheidung aus den erstmaligen Gewinnfeststellungsbescheiden. Zu entscheiden war lediglich, ob sich diese Billigkeitsentscheidung auch auf die GewSt erststreckt. Der BFH bejaht die Frage, weil § 184 Abs. 2 Satz 2 AO einkommensteuerlichen Billigkeitsmaßnahmen i.S.d. § 163 Abs. 1 Satz 2 AO Bindungswirkung für die Festsetzung des GewSt-Messbetrags beimisst. Für Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Abs. 1 Satz 1 EStG gilt diese Erstreckung nicht. Vereinfacht gesagt müssen die Gemeinden danach eine bloße Periodenverschiebung der GewSt hinnehmen, dürfen über einen endgültigen Steuerverzicht aus Billigkeitsgründen aber selbst entscheiden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.9.2017 – IV R 51/14

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