Leitsatz

Beantragen Eheleute innerhalb der Frist für einen Einspruch gegen den Zusammenveranlagungsbescheid die getrennte Veranlagung oder die besondere Veranlagung im Jahr der Eheschließung, ist das FA bei der daraufhin für jeden durchzuführenden getrennten oder besonderen Veranlagung an die tatsächliche und rechtliche Beurteilung der Besteuerungsgrundlagen im Zusammenveranlagungsbescheid gebunden. Den Zusammenveranlagungsbescheid hat es aufzuheben.

 

Normenkette

§ 26 Abs. 1 EStG , § 26a EStG , § 26b EStG , § 26c EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin wurde im Januar 2000 geschieden und heiratete im Oktober 2000 erneut. Sie beantragte für 2000 die Zusammenveranlagung mit ihrem neuen Ehemann. Dabei machten die Eheleute Prozesskosten wegen Zugewinnausgleichs als Scheidungskosten geltend, die das Finanzamt bei der Zusammenveranlagung – unzutreffend – als außergewöhnliche Belastung berücksichtigte. Innerhalb der Einspruchsfrist beantragten die Eheleute die besondere Veranlagung für das Jahr der Eheschließung nach § 26c EStG.

Das Finanzamt ließ bei der darauf durchgeführten besonderen Veranlagung die Prozesskosten wegen Zugewinnausgleichs mit der Begründung nicht mehr zum Abzug zu, es handele sich insoweit nicht um Scheidungskosten und die Besteuerungsgrundlagen seien neu festzustellen.

 

Entscheidung

Der BFH entschied, die Besteuerungsgrundlagen, wie sie in dem bereits ergangenen Einkommensteuerbescheid (Zusammenveranlagung) berücksichtigt worden seien, würden von der Wahl der besonderen Veranlagung nicht betroffen. Eine Abweichung von diesen Besteuerungsgrundlagen komme nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer Korrekturnorm (§§ 129, 172 ff.) vorlägen. Das Finanzamt habe daher die erneute Veranlagung (besondere Veranlagung) auf der Grundlage der bisherigen Besteuerungsgrundlagen – unter Anerkennung der Prozesskosten – durchzuführen.

 

Hinweis

Eheleute können zwischen der Zusammenveranlagung, der getrennten Veranlagung und der besonderen Veranlagung im Jahr der Eheschließung wählen (§ 26 Abs. 1 EStG). Das Veranlagungswahlrecht kann bis zur Unanfechtbarkeit eines Einkommensteuerbescheids ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl der Veranlagungsart – vorbehaltlich rechtsmissbräuchlicher oder willkürlicher Antragstellung – widerrufen werden.

Beantragen die Eheleute innerhalb der Einspruchsfrist eine andere Veranlagungsart, hat das Finanzamt die Eheleute daher unter Berücksichtigung der geänderten Veranlagungsart neu zu veranlagen. Hier war bisher fraglich, ob das Finanzamt bei dieser erneuten Veranlagung an die bisherigen Besteuerungsgrundlagen, wie sie der ergangenen Festsetzung zugrunde lagen, gebunden ist oder ob es diese Besteuerungsgrundlagen erneut überprüfen kann und als Folge davon möglicherweise in den neuen Bescheiden zum Nachteil der Eheleute zuvor zu Unrecht zum Abzug zugelassene Beträge streichen kann.

Zu unterscheiden ist, ob die Eheleute die geänderte Veranlagungsart im Rahmen eines Einspruchsverfahrens wählen oder ob sie – außerhalb eines Einspruchsverfahrens – sich darauf beschränken, ihr Wahlrecht hinsichtlich des Wechsels der Veranlagungsart auszuüben. Im Rahmen eines Einspruchsverfahrens hat das FA die Besteuerung in vollem Umfang nachzuprüfen mit der Folge, dass bei der erneuten Veranlagung neben der Änderung der Veranlagungsart auch die Besteuerungsgrundlagen, wie sie sich nach einer erneuten Prüfung, d.h. möglicherweise auch zum Nachteil, darstellen, zu berücksichtigen sind.

Legen die Eheleute dagegen keinen Einspruch ein, sondern beantragen sie – vor Unanfechtbarkeit, d.h. innerhalb der Einspruchsfrist – lediglich die Änderung der Veranlagungsart, bleiben die Besteuerungsgrundlagen unberührt. Es werden nur die Rechtsfolgen der §§ 26a bis 26c EStG ausgelöst, d.h. die Zuordnung der Einkünfte und Abzugsbeträge entsprechend den Regelungen über die unterschiedlichen Veranlagungsarten. Die ergangenen Bescheide werden nur hinsichtlich der Veranlagungsart rechtswidrig. Die materiellen Besteuerungsgrundlagen sind von der Wahl der Veranlagungsart nicht betroffen.

Wird die Änderung der Veranlagungsart angestrebt, ist daher zu bedenken, ob zugleich Einspruch erhoben wird. Denn der Einspruch eröffnet dem Finanzamt wieder die Möglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen insgesamt aufzugreifen und bereits zugestandene Abzüge wieder zu versagen. Sollen die bisherigen Besteuerungsgrundlagen unverändert bleiben, ist dagegen der Änderungsantrag auf die erstrebte Veranlagungsart zu beschränken. Das Finanzamt hat zu beachten, dass ein Begehren auf Änderung der Veranlagungsart nicht als Anfechtung (Einspruch) zu verstehen ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 3.3.2005, III R 60/03

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