Leitsatz

1. Rückstellungen für Verpflichtungen, ab dem 13. August 2005 in Verkehr gebrachte Energiesparlampen zu entsorgen, können erst gebildet werden, wenn sich diese Pflichten durch den Erlass einer Abholanordnung nach § 16 Abs. 5 ElektroG hinreichend konkretisiert haben.

2. Für die Verpflichtung zur Entsorgung von vor dem 13. August 2005 in Verkehr gebrachten Energiesparlampen können mangels hinreichenden Vergangenheitsbezugs keine Rückstellungen gebildet werden.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 5 und Abs. 6, § 16 Abs. 5 ElektroG, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB

 

Sachverhalt

Die klagende GmbH (Herstellerin i.S.d. ElektroG) wies in ihren Jahresabschlüssen "sonstige Rückstellungen" aus. Die darin enthaltenen (nicht besonders gekennzeichneten) Werte für Entsorgungskosten nach dem ElektroG blieben zunächst unbeanstandet, später erkannte das FA sie nicht mehr an.

In der mündlichen Verhandlung vor dem FG verständigten sich die Beteiligten über eine (mögliche) Höhe der Rückstellungen für Energiesparlampen, die nach dem 13.8.2005 in Verkehr gebracht und E (s.o. zu 1.) auch gemeldet worden waren. Die GmbH beantragte allerdings darüber hinaus für 2007 zusätzlich die Berücksichtigung der im vorgenannten Zeitraum in den Verkehr gebrachten, der E aber nicht gemeldeten sowie der vor dem genannten Zeitraum in den Verkehr gebrachten Energiesparlampen und für 2009 die Berücksichtigung der erst 2010 gemeldeten LED-Lampen.

Das FG Münster gab der Klage statt (Urteil vom 18.8.2015, 10 K 3410/13 K, G, Haufe-Index 8461993, EFG 2015, 1965), soweit das FA den Ansatz der Rückstellung für Entsorgungspflichten nach dem ElektroG für nach dem 13.8.2005 in Verkehr gebrachte und an E gemeldete Energiesparlampen abgelehnt hatte. Im Übrigen hat das FG die Klage abgewiesen.

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage (insgesamt) ab.

 

Hinweis

1. Fallkonstellationen "rund um Rückstellungsfragen" bieten ähnliche Grundstrukturen, aber immer wieder neue Sachhintergründe. Hier geht es um die Entsorgung von Elektro(nik)-Alt-Geräten (u.a.), das Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und ElektronikgerätegesetzElektroG – vom 16.3.2005, BGBl I 2005, 762) und die hierfür mit besonderen Aufgaben installierte Stiftung E.

Für ab dem 13.8.2005 und für zu entsorgende früher in Verkehr gebrachte Geräte legt das ElektroG den Herstellern die Pflicht zur Abholung der gesammelten Altgeräte und ihrer Entsorgung auf. E ist die "Gemeinsame Stelle" der Hersteller (§ 6 Abs. 1 Satz 1 ElektroG) und vom Umweltbundesamt mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut. Sie registriert die Hersteller und koordiniert die Bereitstellung von Sammelbehältern sowie die Abholung der Altgeräte. E erlässt in Ausübung ihrer hoheitlichen Aufgaben u.a. Abholanordnungen und Bereitstellungsanordnungen und stellt den Herstellern für diese Aufgaben Gebühren in Rechnung.

2. Das Urteil ist auch verfahrensrechtlich interessant: Lagen für eine Berichtigung "zulasten" die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ("neue Tatsachen") vor? Denn die GmbH hatte ordnungsgemäß deklariert (wenn auch eben nicht besonders spezifiziert!).

Entscheidend ist, dass dem FA nach dem Ergehen der ursprünglichen Steuerbescheide erst im Rahmen der Außenprüfung die Tatsache bekannt geworden war, dass in den "sonstigen Rückstellungen" auch solche für Entsorgungskosten von Energiesparlampen enthalten waren. Dabei ist dem FA insoweit nicht nur eine rechtliche Wertung nachträglich bekannt geworden, sondern zugleich der dieser Wertung zugrunde liegende Lebenssachverhalt, der aus dem Inverkehrbringen von Energiesparlampen samt der damit einhergehenden Abhol- und Entsorgungspflicht und der Meldung der in Verkehr gebrachten Mengen an E besteht.

Tatsachen können insoweit auch als komplexe Begriffe erscheinen (hier: Rückstellung für Entsorgungskosten betreffend Energiesparlampen), die eine Zusammenfassung von Tatsachen enthalten und auf einer bestimmten rechtlichen Wertung beruhen.

Es lag auch eine "Rechtserheblichkeit" vor: Das FA wäre bei rechtzeitiger Kenntnis des wahren Sachverhalts in der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem anderen Ergebnis gelangt.

Auch "Treu und Glauben" stellten kein Änderungshindernis für das FA dar: So hatten beide Beteiligten ihre jeweiligen Erklärungs- bzw. Ermittlungspflichten verletzt. Da der Pflichtverstoß des FA den der Klägerin aber nicht deutlich überwog, hatte die Klägerin die Verantwortung für die rechtzeitige Aufklärung des Sachverhalts zu tragen.

3. Und materiell? Für die Entsorgungskosten der in der Zeit vom 13.8.2005 bis zum 31.12.2009 in Verkehr gebrachten und der E gemeldeten Energiesparlampen dürfen keine Rückstellungen gebildet werden. Denn die Entsorgungsverpflichtungen waren in den Streitjahren nicht hinreichend konkretisiert. Dazu ist nach dem sehr differenzierten Gefüge der Regelungen des ElektroG das Erge...

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