Rz. 46

Im Rahmen der Harmonisierungsbestrebungen und der Angleichung der Bilanzierung an die IFRS kommt es zu einem Konflikt mit den Grundprinzipien der deutschen Bilanzierung. Insbesondere das Vorsichtsprinzip mit seinen Ausprägungen Realisations-und Imparitätsprinzip findet in der angloamerikanischen Rechnungslegung keinen vergleichbaren Niederschlag. Eine Annäherung an internationale Bilanzierungsnormen bedeutet gleichzeitig eine stärkere Betonung der dynamischen Bilanztheorie, da die IFRS in wesentlichen Bereichen den Grundaussagen Schmalenbachs entsprechen.[1]

 

Rz. 47

Durch die zunehmende Erkenntnis über die Begrenztheit der Aussagen der Jahresabschlüsse auch nach IFRS wurde die Fortentwicklung der Bilanzauffassungen lange eher auf ergänzende Berichte, wie insbesondere den Lagebericht und darin verankerte Nichtfinanzielle Erklärungen oder Erklärungen der Unternehmensführung zur Corporate Governance, verlagert. Aktuell wird unter dem Eindruck nötiger Nachhaltigkeitsberichte eher ein Ansatz in Richtung eines Integrated Reportings angestrebt, nach dem sich die Nachhaltigkeitsaspekte auch gerade im finanziellen Jahresabschluss niederschlagen sollen, um eine entkoppelte Doppeldarstellung des Unternehmens zu vermeiden. Es geht somit eher um die Integration qualitativer Aspekte und die Darstellung der bestehenden Interdependenzen. Innerhalb der Rechnungslegung treibt das IASB die Entwicklung der Bilanzauffassungen tendenziell weiter weg von der Glaubwürdigkeit der Darstellung hin zu einer relevanteren Abbildung der berichterstattenden Einheit, wie etwa im Bereich der in den vergangenen Jahren neu anwendungsnötigen Standards zur Umsatzerlösrealisation (IFRS 15) oder zu Leasingverhältnissen (IFRS 16) erkennbar ist. Die IFRS räumen dem Management so erhebliche Ermessensspielräume ein, die zwar definitionsgemäß vom Managment nur zur Erreichung der bestmöglichen Abbildung des Unternehmens genutzt werden sollen, vor dem Hintergrund der Agency-Theorie und von Kapitalbeteiligungsleistungen aber auch bewusst gegen die langfristigen Interessen der Anteilseigner eingesetzt werden könnten, womit die im Rahmenkonzept der IFRS vorgenommene Fokussierung auf den Investor in der Praxis konterkariert wird. Die bilanztheoretische Forschung könnte zur Lösung dieser Probleme weiterhin ihren Beitrag leisten.

[1] Vgl. Baetge/Beermann, BFuP 1998, S. 167.

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