Leitsatz

1. Nehmen Teilnehmer eines Mehrwegsystems mit Brunneneinheitsflaschen und -kästen mehr Leergut von ihren Kunden zurück als sie mit dem Vollgut zuvor an diese ausgegeben hatten (sog. Mehrrücknahmen), sind deshalb weder Anschaffungskosten noch gegen die Kunden gerichtete Forderungen zu aktivieren. In Betracht kommt jedoch die Aktivierung eines Nutzungsrechts, dessen Wert sich danach bemisst, inwieweit infolge der Mehrrücknahmen die jeweilige Miteigentumsquote des Teilnehmers an dem Leergutpool überschritten wird.

2. Für die Verpflichtung, bei Rückgabe des Individualleerguts und der Brunneneinheitsflaschen und -kästen die erhaltenen Pfandgelder an die Kunden zurückzuzahlen, ist eine Verbindlichkeit zu passivieren. Die Verbindlichkeit kann wegen Bruch oder Schwund des Leerguts, bei den Brunneneinheitsflaschen und -kästen darüber hinaus aber auch der Höhe nach zu mindern sein, wenn aufgrund der eigentumsunabhängigen Zirkulation des Leerguts erfahrungsgemäß davon auszugehen ist, dass ein bestimmter Teil an andere Poolmitglieder zurückgegeben wird.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 Nrn. 2, 3, 3a Buchst. c, § 6 Abs. 2, § 7 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 158 Abs. 1, § 1223 Abs. 1 BGB, § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Brunnenbetrieb in der Rechtsform einer GmbH, vertrieb in den Streitjahren 1999 bis 2002 natürliches Mineralwasser und Erfrischungsgetränke.

Sie war Mitglied der Genossenschaft Deutscher Brunnen eG (GDB), deren Mitglieder an einem branchenumfassenden Mehrwegsystem mit Brunneneinheitsflaschen und -kästen teilnahmen. Das Brunneneinheitsleergut kann nicht einem einzelnen Abfüllbetrieb zugeordnet werden und wird von den Mitgliedern der GDB einheitlich verwendet. Die Flaschen und Kästen sind mit dem aufgebrachten Schriftzug "Leihflasche Deutscher Brunnen" und dem Warenzeichen GDB gekennzeichnet. Durch das Mehrweg-Poolsystem, das detailliert durch sog. Verwendungsbestimmungen geregelt wird, wird sichergestellt, dass das Leergut sich in einem permanenten Umlauf bei den Marktteilnehmern (Abfüllbetrieben, Großhändlern, Einzelhändlern und Kunden) befinden kann, ohne dass es auf die Eigentumsverhältnisse am Leergut ankommt.

Bezogen auf einige Kunden kam es an den Bilanzstichtagen auf den kundenbezogen geführten Pfandkonten durch Mehrrücknahmen zu sog. negativen Pfandsalden, weil die verausgabten Pfandgelder die vereinnahmten Pfandgelder überstiegen. Spiegelbildlich kam es gegenüber anderen Kunden durch Minderrücknahmen zur Entstehung positiver Pfandsalden, weil mehr Pfandgelder vereinnahmt als verausgabt wurden.

Das FA ging unter Berücksichtigung eines 10 %igen Abschlags davon aus, dass in Höhe der negativen Pfandsalden eine Forderung zu aktivieren sei. ­Anstelle der von der Klägerin gebildeten Pauschalrückstellungen seien Verbindlichkeiten in Höhe der positiven Pfandsalden auszuweisen. Die u.a. deswegen erhobene Klage blieb erfolglos (Hessisches FG, Urteil vom 23.3.2011, 4 K 1065/07, EFG 2011, 1510).

 

Entscheidung

Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Er hat die Rechtsgrundsätze so justiert, wie sie aus den Praxis-Hinweisen ersichtlich sind. Allerdings blieb auf dieser Basis noch das eine oder das andere aufzuklären und war dem BFH deshalb eine abschließende Entscheidung in der Sache nicht möglich.

 

Hinweis

1. Das Leergut, das zwischen den Abfüllbetrieben, Groß- und Einzelhändlern sowie den Verbrauchern zirkuliert, besteht aus verschiedenen Leerguttypen:

a) Individualleergut: Hiermit werden Flaschen und Kästen bezeichnet, die dauerhaft so gekennzeichnet sind, dass sie sich von Flaschen anderer Hersteller und Vertreiber unterscheiden und eindeutig als Eigentum eines bestimmten Herstellers erkennbar sind. Dies sind beispielsweise Flaschen, auf denen der Name oder das Logo des Abfüllers aufgebracht worden ist.

b) Einheitsleergut: Hiermit werden Flaschen und Kästen bezeichnet, die keine Individualisierungsmerkmale aufweisen und von unbestimmt vielen Herstellern verwendet werden.

c) Brunneneinheitsflaschen: Schließlich befinden sich in dem Leergutkreislauf Flaschen und Kästen, die zwar nicht einem bestimmten Hersteller, aber einer geschlossenen Herstellergruppe zugeordnet werden können. Hierunter fallen insbesondere die sog. Brunneneinheitsflaschen, die von den Mitgliedern der Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB) verwendet werden und die mit dem aufgebrachten Schriftzug "Leihflasche Deutscher Brunnen" sowie dem Warenzeichen GDB versehen sind.

2. Für den Fall eines Getränkehändlers hatte sich der BFH bereits in dem Verfahren I R 36/07 mit derbilanzsteuerrechtlichen Behandlung des Leergutkreislaufs zu beschäftigen (BFH, Urteil vom 6.10.2009, I R 36/07, BFH/NV 2010, 108, BFH/PR 2010, 42, BStBl II 2010, 232). Der BFH entschied, dass dann, wenn ein Getränkehändler einerseits an seinen Lieferanten Pfandgelder für die an ihn gelieferten Kästen und Flaschen zahlt und andererseits von seinen Kunden Pfandg...

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