Rz. 31

Die zur Sachverhaltsgestaltung eingesetzten bilanzpolitischen Instrumente verändern nicht das im Jahresabschluss und Lagebericht dargestellte Abbild, sondern nur die abzubildende Realität. Daher werden sie auch als "reale Transaktionswahlrechte" bezeichnet.[1] Kritisch kann insbesondere die Identifizierung bzw. Abgrenzung von bilanzpolitischen Instrumenten gegenüber unternehmenspolitischen Maßnahmen sein. Nach Heinhold soll bei der Sachverhaltsgestaltung nur dann von Bilanzpolitik gesprochen werden, wenn hierdurch ausschließlich oder überwiegend die Beeinflussung des Jahresabschlusses beabsichtigt ist; andernfalls liegen allgemein unternehmenspolitische Maßnahmen (ohne besondere bilanzpolitische Motivation) vor.[2] Dementsprechend kann die Grenze zwischen realen und bilanzpolitisch motivierten Maßnahmen schwierig zu ziehen sein. Weiterhin kann sich die Abgrenzung zwischen Sachverhaltsgestaltung und nicht mehr zulässiger Bilanzpolitik, die mit dem Vorwurf der Bilanzmanipulation einhergeht, ebenfalls kritisch darstellen. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Gestaltungen, die ausschließlich oder bei weitem überwiegend aus bilanzpolitischen Gründen vorgenommen werden, als Missbrauch oder Umgehung der handels- und steuerrechtlichen Bilanzierungsvorschriften anzusehen sind.

 

Rz. 32

Um einer eventuellen Willkür vorzubeugen, sind für die bilanzrechtliche Anerkennung einer Sachverhaltsgestaltung bestimmte Voraussetzungen zu beachten:[3]

(1) Es muss sich um ein in der gewählten Form von den Beteiligten ernsthaft gewolltes Geschäft handeln. Wird z. B. aus bilanzpolitischen Gründen (zwecks Gewinnrealisierung) ein Veräußerungsgeschäft vorgenommen, so kommt es darauf an, dass der Erwerber wirklich die Verfügungsmacht über den veräußerten Vermögenswert erhält. Ob diese Bedingungen etwa bei Pensionsgeschäften, die nicht selten aus bilanziellen Motiven heraus erfolgen, erfüllt sind, kann im Einzelfall fraglich sein.[4] Analoges gilt auch für den Verkauf von Forderungen an Dritte, falls der Verkäufer eine Reihe von mit dem Forderungseinzug verbundenen Risiken trägt, oder Sale-and-Leaseback-Transaktionen, wenn das Leasingverhältnis als Finanzierungs-Leasingverhältnis zu klassifizieren ist. Ein bilanzrechtlich nicht anzuerkennendes Scheingeschäft liegt jedenfalls vor, wenn ein kurz vor dem Bilanzstichtag abgeschlossener und durchgeführter Vertrag nach dem Bilanzstichtag (ggf. sogar noch vor Bilanzerstellung) wieder rückgängig gemacht wird, z. B. Tilgung eines langfristigen Darlehens unmittelbar vor dem Abschlussstichtag und unmittelbare Wiederaufnahme eines langfristigen Darlehens nach dem Abschlussstichtag, es sei denn, dass wirklich plausible wirtschaftliche Gründe dafür bestehen.

 

Rz. 33

(2) Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Konditionen des Geschäfts angemessen sind. Leistung und Gegenleistung müssen einander in der Wertigkeit entsprechen. Diese Bedingung ist hauptsächlich dann von Bedeutung, wenn es sich um Sachverhaltsgestaltungen zwischen verbundenen Unternehmen handelt. Hierbei ist entscheidend, ob die Gestaltung in der vorgenommenen Art und Weise auch mit einem unabhängigen Dritten hätte erfolgen können. Ob dieses Kriterium erfüllt ist, lässt sich allerdings im konkreten Fall u. U. sehr unterschiedlich beurteilen und entscheiden.

 

Rz. 34

(3) Wenn zu Beginn eines Geschäftsjahrs die ersten – vorläufigen – Abschlusszahlen für das vorangegangene Geschäftsjahr vorliegen, wird ggf. versucht, durch rückwirkend vereinbarte Geschäfte das Ergebnis des Vorjahrs noch zu beeinflussen. Dies könnte z. B. in der Form geschehen, dass Veräußerungen noch rückwirkend für das alte Geschäftsjahr vereinbart und eingebucht werden. Solche Maßnahmen widersprechen dem Stichtagsprinzip und sind deshalb unzulässig. Eine in der Bilanz zu berücksichtigende Sachverhaltsgestaltung muss eindeutig am Bilanzstichtag realisiert sein. Im konkreten Fall ist jedoch zu überprüfen, ob tatsächlich eine echte Rückwirkung beabsichtigt ist. Denkbar ist, dass ein nach dem Bilanzstichtag angefertigtes Schriftstück lediglich der Bestätigung einer schon vorher mündlich getroffenen Vereinbarung dient. Dies gilt z. B. dann, wenn der wirtschaftliche Vollzug des Geschäfts noch im alten Geschäftsjahr erfolgt ist. Es kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein, ob eine offiziell nach dem Bilanzstichtag getroffene Gestaltung bilanziell dem neuen Geschäftsjahr zuzurechnen ist oder ob es sich nur um einen wertaufhellenden Faktor in Bezug auf einen bereits am Bilanzstichtag gegebenen Sachverhalt handelt, z. B. im Fall einer vom Gesellschafter nach dem Bilanzstichtag ausgesprochenen Werthaltigkeitsgarantie für Forderungen der Gesellschaft am Bilanzstichtag[5] oder im Falle einer Entscheidung über die Restrukturierung von Geschäftsbereichen.

[1] Vgl. Waschbusch, WiSu 1994, S. 812.
[2] Vgl. Heinhold, in Wittmann u. a., Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 5. Aufl. 1993, Bilanzpolitik, Tlb. 1, A–H, Sp. 534.
[3] Vgl. dazu Pfleger, DB 1982, S. 2145  ff.; Stellungnahme B...

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