Rz. 86

Auch der Bereich der Bewertungsmethoden selbst bietet eine Reihe von Möglichkeiten, eine flexible Bilanzpolitik zu unterstützen. In diesem Zusammenhang ist es empfehlenswert, bei jeder erstmaligen Festlegung oder jeder Änderung des Bewertungskonzepts darauf zu achten, dass die gewählten Bewertungsmethoden ein Höchstmaß an Flexibilität gewährleisten. Die in der Methode selbst verankerte Flexibilität kann teilweise an die Stelle einer gesonderten bilanzpolitischen Inanspruchnahme von Bewertungsalternativen treten.[1]

 

Rz. 87

Bilanzpolitische Mittel werden im Allgemeinen in der Form fallweise getroffener Einzelentscheidungen eingesetzt. Jede einzelne bilanzpolitische Maßnahme erfordert dann einen separaten Beurteilungs- und Auswahlvorgang, z. B. die Feststellung der nur schwer schätzbaren voraussichtlichen Nutzungsdauer von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens und entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerten, Ausnutzung von Wahlrechten für die Ermittlung der Herstellungskosten bei der Bewertung der Bestände. Die Regulierung kann aber auch automatisch, sozusagen durch Regelmechanismen, erfolgen. Voraussetzung dafür sind geordnete, von vornherein genau festgelegte Vorgaben für unterschiedliche Situationen, d. h. Datenkonstellationen. Sind derartige Vorgaben vorhanden, z. B. die nach Beschäftigungsgraden abgestufte Einbeziehung von Gemeinkosten in die Herstellungskosten der Erzeugnisse, so lösen Änderungen der Bezugsdaten bilanzpolitische Effekte aus, durch die der Einfluss der Veränderungen auf den Ergebnisausweis abgeschwächt wird, ohne dass es noch weiterer Anpassungsentscheidungen bedarf. Auf diese Weise entsteht in Teilbereichen ein sich selbst regulierendes bilanzpolitisches System, das vor allem für die Strategie der Ergebnisglättung einzusetzen ist. Entscheidend ist dabei, dass die sich u. U. von Jahr zu Jahr ergebenden Bewertungsänderungen hier keine Methodenänderungen darstellen, sondern lediglich eine planmäßige Auswirkung einer speziellen Bewertungsmethode sind.

 

Rz. 88

Damit die gewünschten Wirkungen eintreten, ist es erforderlich, dass die Bewertungsänderungen durch die Veränderung solcher Daten ausgelöst werden, die möglichst unmittelbar die Ergebnisschwankungen widerspiegeln bzw. verursacht haben. Beispiele für solche flexiblen Bewertungsmethoden:

  • Abschreibung nach der Leistung: Die Abschreibungen werden so zu variablen Kosten. Im Vergleich zu den üblicherweise verwendeten zeitabhängigen Abschreibungen, die zu beschäftigungsunabhängigen Kostenverrechnungen führen, tritt bei der Leistungsabschreibung im Falle unterschiedlicher Beschäftigungsgrade i. d. R. ein ergebnisnivellierender Effekt ein. Vermieden wird dabei der Mangel der zeitabhängigen Abschreibungsverfahren, dass auf Perioden mit hoher Beschäftigung relativ geringe Abschreibungen verrechnet werden, während Perioden mit Unterbeschäftigung relativ hohe Abschreibungsbeträge zu tragen haben.[2]

    Eine ähnliche Wirkung lässt sich jedoch erzielen, wenn bei der Anwendung zeitabhängiger Abschreibungsmethoden von vornherein zusätzliche Abschreibungen bei einer besonderen Beanspruchung von Maschinen vorgesehen sind, z. B. zusätzliche Abschreibung bei Nutzung einer Maschine im Mehrschichtbetrieb.

  • Ermittlung der Herstellungskosten auf der Basis des tatsächlichen Beschäftigungsgrades und nicht etwa anhand von Normal- oder Plankosten: Die Heranziehung der Ist-Beschäftigung hat zur Folge, dass den Erzeugnissen bei niedriger Beschäftigung höhere Gemeinkostenanteile zugerechnet werden als bei hoher Beschäftigung, weil im Falle niedriger Beschäftigung die Gemeinkosten (Fixkosten) auf eine geringere Zahl von Produkten zu verteilen sind. Allerdings ist – unabhängig von der Frage der Ermittlung der Herstellungskosten auf Basis des tatsächlichen Beschäftigungsgrads – zum einen zu beachten, dass § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB nur die Einbeziehung von "angemessenen" Teilen der Fertigungsgemeinkosten gestattet (vgl. auch Rz. 88a) und daher im Allgemeinen die Aktivierung sog. "Leerkosten" der Fertigung ausgeschlossen ist[3], und zum anderen der Grundsatz der verlustfreien Bewertung (§ 253 Abs. 4 HGB) einer zu hohen Bewertung der Vorratsbestände am Abschlussstichtag entgegenwirkt. Die Höhe der in den Vorratsbeständen aktivierten Herstellungskosten je Stück verändert sich damit – vorbehaltlich der Aktivierung unangemessener Teile der Fertigungsgemeinkosten und einer verlustfreien Bewertung – gegenläufig zur Beschäftigung. Der Einfluss von Beschäftigungsschwankungen auf die Höhe der zu aktivierenden Herstellungskosten ist also bewusst nicht auszuschalten.
  • umsatzabhängige Bildung von Rückstellungen, insbes. von Rückstellungen für ausstehende Gewährleistungs- und Garantieverpflichtungen: Den umsatz- und damit ertragstarken Geschäftsjahren werden dann entsprechend höhere Garantieaufwendungen zugeordnet.[4] Demgegenüber müssen umsatzschwache Geschäftsjahre geringere Ergebnisbelastungen für Garantieaufwendungen tragen. Ebenso wie bei der...

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