Rz. 13

Im Einzelfall können mit Bilanzpolitik auch andere Ziele verfolgt werden, die mit den Unternehmenszielen nicht identisch sein müssen. Dabei ist zuallererst an das grundsätzliche Bestreben der Geschäftsleitung zu denken, die eigene Leistung nach außen hin möglichst positiv darzustellen, um die eigene Position zu erhalten bzw. auszubauen.[1] Aus diesem Grund wird die Unternehmensführung vorrangig das Ziel der "Erhaltung des Unternehmens" anstreben[2] und demgemäß in wirtschaftlich guten Zeiten Vorsorge durch die Bildung offener und/oder stiller Reserven treffen, die in wirtschaftlich schwachen Zeiten dann aufgelöst werden. Somit strebt die Unternehmensführung primär eine Verstetigung des Gewinnausweises an. Eine solche Politik der Verstetigung des Gewinnausweises kann weiterhin auch als Vorsorge gegen eine mögliche Kompensation der Auswirkung von Fehlentscheidungen auf den Jahresabschluss interpretiert werden. Haben sich etwa aufgrund falscher Einschätzung von Entwicklungen unerwartete Verluste ergeben, so wird u. U. versucht, mit Hilfe ergebnisverbessernder bilanzieller Gestaltungen einen betragsmäßigen Ausgleich für diese Verluste herbeizuführen, d. h. die Verluste nach Möglichkeit mit ergebnisverbessernden Maßnahmen auszugleichen. Die Geschäftsführung will so vor allem vermeiden, von den – nicht an der Geschäftsführung beteiligten – Anteilseignern oder vom Aufsichtsrat für ihre Fehler zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Bilanzpolitik dient hier vorwiegend der Umgehung von Kontrollmöglichkeiten Externer, um der Unternehmensleitung eine weitgehend unangefochtene Position gegenüber den Kontrollorganen und den Anteilseignern zu geben.[3]

 

Rz. 14

Spezielle Ziele der Geschäftsführung sind auch dann im Spiel, wenn es darum geht, durch ergebnisverbessernde Maßnahmen eine Erhöhung erfolgsabhängiger Vergütungen an die Mitglieder der Leitungsgremien zu bewirken. Das setzt voraus, dass die betreffenden Vergütungen an den Handels- oder Steuerbilanzgewinn oder daraus abgeleiteten Erfolgskennzahlen (z. B. EBITDA, EBIT) geknüpft sind.[4]

 

Rz. 15

Mitunter stehen bilanzpolitische Gestaltungen im Zusammenhang mit einem Wechsel in der Geschäftsführung. Gewinnreduzierende bilanzpolitische Entscheidungen im Übergangsjahr sind für die neue Geschäftsführung in zweifacher Weise von Vorteil:[5]

  • Einerseits kann man das schlechtere Ergebnis im Übergangsjahr noch der alten Geschäftsführung anlasten und außerdem die Vergleichsbasis zur Beurteilung künftiger Ergebnisse unter der neuen Geschäftsführung verringern.
  • Anderseits werden durch eine solche gewinnreduzierende Bilanzpolitik im Jahr des Geschäftsführungswechsels künftige Ergebnisse von Belastungen befreit, sodass sich bessere Gewinntrends erreichen lassen, die dann der neuen Geschäftsführung als Erfolg zugerechnet werden.
 

Rz. 16

Ausgangspunkt für bilanzpolitisches Handeln kann auch ein bevorstehender Verkauf des bilanzierenden Unternehmens bzw. von Unternehmensanteilen sein. In einer derartigen Situation liegt es im Gesellschafterinteresse nahe, durch ergebnisverbessernde Gestaltungen das bilanzielle Eigenkapital zu steigern und damit die Kaufpreisverhandlungen günstig zu beeinflussen. Die Praxis zeigt allerdings, dass gerade hier nicht selten die Grenze zur Bilanzfälschung überschritten wird.

Bei börsennotierten Aktiengesellschaften wird die Geschäftsführung u. U. zwecks Abwehr eines unerwünschten und damit feindlichen Übernahmeangebots zu gewinnerhöhenden Maßnahmen greifen: Auf diese Weise soll es zu Kurssteigerungen kommen, durch welche die Übernahme der Gesellschaft verteuert und der Widerstand der alten Aktionäre gegen das Übernahmeangebot verstärkt wird. Die betreffenden bilanzpolitischen Entscheidungen können in einer solchen Situation auch für die Erhaltung der Position des bisherigen Managements von Bedeutung sein.[6]

[1] Vgl. Peemöller, Bilanzanalyse und Bilanzpolitik, 3. Aufl. 2003, S. 175.
[2] Ähnlich Brösel, Bilanzanalyse – Unternehmensbeurteilung auf der Basis von HGB- und IFRS-Abschlüssen, 17. Aufl. 2021, S. 44  ff., insbesondere S. 48.
[3] Vgl. Baetge/Ballwieser, BFuP 1978, S. 522.
[4] Vgl. in diesem Zusammenhang auch die nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 AktG vorgeschriebene vergleichende Darstellung der jährlichen Veränderung der Vergütung mit der Ertragsentwicklung der Gesellschaft.
[5] Schmidt, Bilanzpolitik deutscher Aktiengesellschaften – Empirische Analysen des Gewinnglättungsverhaltens, 1979, S. 29  f.
[6] Vgl. Schmidt, Bilanzpolitik deutscher Aktiengesellschaften – Empirische Analysen des Gewinnglättungsverhaltens, 1979, S. 31; Klein, Konzernbilanzpolitik, 1989, S. 38.

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