Rz. 237

Mit dem am 20.12.2004 in Kraft getretenen "Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen – Bilanzkontrollgesetz (BilKoG)"[1] hat der deutsche Gesetzgeber ein zweistufiges Enforcement-System eingeführt. "Enforcement" bezeichnet dabei die Überwachung der Rechtmäßigkeit konkreter Unternehmensabschlüsse durch eine außerhalb des Unternehmens stehende, nicht mit dem gesetzlichen Abschlussprüfer identische unabhängige Stelle.

 

Rz. 238

Zu diesem Zweck wurde eine privatrechtlich organisierte, unabhängige Einrichtung, die "Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) e. V."[3] gegründet (§ 342b HGB). Die DPR nominiert jeweils für einen 4-Jahres-Zeitraum die Mitglieder der Prüfstelle.[4]

 

Rz. 239

Der Prüfung unterliegen lediglich kapitalmarktorientierte Unternehmen, d. h. Unternehmen mit Sitz im In- oder Ausland, deren Wertpapiere im Sinne von § 2 Abs. 1 WpHG an einer inländischen Börse im amtlichen oder geregelten Markt gehandelt werden (§ 342b Abs. 2 Satz 2 HGB).

 

Rz. 240

Gegenstand der Prüfung sind der zuletzt festgestellte Jahresabschluss und Lagebericht bzw. Konzernabschluss und Konzernlagebericht, der zuletzt veröffentlichte verkürzte Abschluss und der zugehörige Zwischenlagebericht sowie zuletzt veröffentlichte Zahlungsberichte und Konzernzahlungsberichte des betreffenden Unternehmens (§ 342b Abs. 2 Satz 1 HGB).

 

Rz. 241

Die Prüfstelle wird sowohl reaktiv bei Vorliegen von Anhaltspunkten für Rechnungslegungsverstöße (so genannte Anlassprüfung) als auch proaktiv im Rahmen von Stichprobenprüfungen oder unabhängig davon im Einzelfall auf Verlangen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) tätig (so genannte erste Stufe).[5]

 

Rz. 242

Zu einer Anlassprüfung kann es kommen, wenn der Prüfstelle konkrete Umstände tatsächlicher Art bekannt werden[6], die einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften nahelegen und deren Auswirkungen nicht nur belanglos sind. Ob die Prüfung nur auf den jeweiligen Anhaltspunkt beschränkt ist oder aber eine Vollprüfung stattfindet, liegt im Ermessen der Prüfstelle. Art und Umfang der stichprobenbezogenen Prüfung sind gesetzlich nicht festgelegt. Es ist sowohl eine vollständige Zufallsauswahl als auch eine nach bestimmten Kriterien[7] vorgenommene Stichprobe denkbar. Nach den Stichprobengrundsätzen der DPR werden Indexunternehmen alle 4-5 Jahre, Nicht-Index-Unternehmen alle 8-10 Jahre geprüft.

 

Rz. 243

Prüfungsmaßstäbe sind die gesetzlichen Rechnungslegungsvorschriften einschließlich der GoB oder international anerkannter Rechnungslegungsstandards (IFRS und US-GAAP).

 

Rz. 244

Die Zusammenarbeit der Unternehmen mit der Prüfstelle soll auf freiwilliger Basis erfolgen. Die Kontrolleure erhalten also keine hoheitlichen Befugnisse. In Kooperation mit dem Unternehmen soll eine einvernehmliche Lösung zur Fehlerbeseitigung gefunden werden. Entscheidet sich das Unternehmen dafür, bei einer Prüfung durch die Prüfstelle mitzuwirken, so sind die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens und die sonstigen Personen, derer sich die gesetzlichen Vertreter bei der Mitwirkung bedienen, verpflichtet, richtige und vollständige Auskünfte zu erteilen und richtige und vollständige Unterlagen vorzulegen (§ 342b Abs. 4 HGB).

 

Rz. 245

Die nicht richtige oder nicht vollständige Auskunft bzw. Unterlagenvorlage kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 EUR geahndet werden (§ 342e HGB).

 

Rz. 246

Nach Abschluss der Prüfung teilt die Prüfstelle dem jeweiligen Unternehmen das Ergebnis mit, gegebenenfalls schlägt sie einen Weg zur Fehlerbeseitigung vor, bestimmt hierfür eine Frist und überwacht jene (§ 342b Abs. 5 HGB). Außerdem berichtet sie der BaFin (§ 342b Abs. 6 HGB) und zeigt gegebenenfalls Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit der Rechnungslegung begründen, der für die Verfolgung zuständigen Behörde an bzw. übermittelt Tatsachen, die auf das Vorliegen einer Berufspflichtverletzung durch den Abschlussprüfer schließen lassen, an die Wirtschaftsprüferkammer (§ 342b Abs. 8 HGB).

 

Rz. 247

Verweigert ein Unternehmen hingegen die Kooperation mit der Prüfstelle, d. h. entzieht sich der Prüfung, beseitigt aufgezeigte Fehler nicht oder zieht die Ergebnisse der Prüfstelle in Zweifel, so kommt es zu einem Übergang in die zweite Stufe (§ 108 Abs. 1 Satz 2 WpHG). Zuständig ist nunmehr die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Sie kann aber auch selbstständig über die Einleitung und Durchführung einer Prüfung entscheiden und eine Prüfung – unabhängig von einer Mitteilung durch die Prüfstelle – z. B. auch dann einleiten, wenn sie erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Prüfungsergebnisses der Prüfstelle oder an deren ordnungsgemäßer Prüfungsdurchführung hat.

 

Rz. 248

Ordnet die BaFin eine eigene Prüfung per Verwaltungsakt an, so kann sie diese Anordnung und deren Grund im Bundesanzeiger bekannt machen (§ 107 Abs. 1 Satz 5 WpHG). Gegenstand der Prüfung ist lediglich das auf der ersten Stufe geprüfte Rechenwerk. Die BaFin kann – anders...

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