2.3.1.1 Bilanzierungsverstöße bei der Aufstellung, Prüfung, Feststellung und Offenlegung des Abschlusses

 

Rz. 140

Wie bereits eingangs festgestellt wurde, hat sich der Anwendungsbereich der speziellen aktienrechtlichen Vorschriften (§§ 400, 403 und 404 AktG) durch die Einführung der §§ 331 ff. HGB wesentlich verringert.[1]

 

Rz. 141

Wegen § 331 HGB kommt § 400 AktG nur noch eine beschränkte Bedeutung zu. Er ist nur noch für solche Fälle relevant, die nicht von § 331 HGB erfasst werden. So umfasst der Anwendungsbereich des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG beispielsweise noch andere Darstellungen und Übersichten über den Vermögensstand, die nicht in § 331 Nr. 1 HGB genannt sind, wie z. B. Sonder- oder Zwischenbilanzen sowie Vorträge und Auskünfte in der Hauptversammlung. § 400 Abs. 1 Nr. 2 AktG behält einen Anwendungsbereich für Angaben bei anderen als Abschlussprüfungen, wie z. B. Sonderprüfungen nach §§ 142, 258 AktG. Außerdem erfasst § 400 Abs. 1 Nr. 2 AktG abweichend von § 331 Nr. 4 HGB auch Mitglieder des Aufsichtsrats. Im Übrigen ist § 400 AktG jedoch formell subsidiär ("wenn die Tat nicht in § 331 Nr. 1 oder Nr. 1a bzw. 4 HGB mit Strafe bedroht ist"). Wegen der verringerten Bedeutung des § 400 AktG kann auf das einschlägige ältere Schrifttum verwiesen werden.[2]

 

Rz. 142

Auch gegenüber § 403 AktG ist § 332 HGB lex specialis. § 403 AktG hat nur noch Bedeutung für die in § 332 HGB nicht genannten besonderen Prüfungen des AktG, wie z. B. Gründungs- und Sonderprüfungen.

 

Rz. 143

§ 333 HGB ist lex specialis gegenüber § 404 Abs. 1 Nr. 2 AktG, soweit es sich um Abschlussprüfungen handelt, nicht jedoch bei Gründungs- und Sonderprüfungen. Einen weiteren Anwendungsbereich hat § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG für die unbefugte Offenbarung von Geheimnissen der Gesellschaft durch Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates oder durch Abwickler.

 

Rz. 144

Zur Einhaltung der Pflichten aus § 170 AktG (unverzügliche Vorlage des aufgestellten Jahresabschlusses und Lageberichts an den Aufsichtsrat) und § 171 AktG (Vorlage des Prüfungsberichtes an den Vorstand) kann gegen Vorstandsmitglieder bzw. Abwickler ein Zwangsgeld in Höhe von maximal 5.000 EUR festgesetzt werden (§ 407 Abs. 1 AktG).

[1] Vgl. hierzu die Darstellung bei Gramich, wistra 1987, S. 157 f.
[2] Z. B. Klussmann, Geschäftslagetäuschungen nach § 400 AktG 65, 1975; Marker, Bilanzfälschung und Bilanzverschleierung, 1970; Nelles, Aktienrechtliche Bilanzdelikte, 1974; Arnold, Auslegungshilfen zur Bestimmung einer Geschäftslagetäuschung im Rahmen der §§ 331 Nr. 1 HGB, 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG, 1993.

2.3.1.2 Zusätzliche Folgen von Aufstellungs-, Prüfungs-, Feststellungs- und Offenlegungsmängeln

 

Rz. 145

Schadenersatzpflicht

Eine zivilrechtliche Schadenersatzpflicht kann sich zunächst wegen Verletzung eines Schutzgesetzes aus § 823 Abs. 2 BGB ergeben. Als Schutzgesetz sind die §§ 400, 403 und 404 AktG[1] anerkannt.

 

Rz. 146

Außerdem sind Vorstandsmitglieder, die bei der Geschäftsführung nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwenden oder andere Pflichten verletzten, der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet (Vorstandshaftung).

 

Rz. 147

Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses

Der festgestellte Jahresabschluss einer AG kann nichtig sein, wenn er bestimmte in § 256 Abs. 1 bis 5 AktG aufgezählte Mängel enthält und keine Heilung durch Zeitablauf nach § 256 Abs. 6 AktG eingetreten ist. Die zur Nichtigkeit führenden Mängel lassen sich in Fehler bei der Aufstellung, bei der Prüfung und bei der Feststellung des Jahresabschlusses einteilen.

  • Aufstellungsfehler, d. h. im Einzelnen:

    • inhaltliche Verletzung von Vorschriften zum Schutze der Gläubiger (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG),
    • wesentliche Verletzung von Gliederungs- oder Formblattvorschriften (§ 256 Abs. 4 AktG) (ein Gliederungsverstoß liegt vor, wenn die Bilanz oder GuV-Rechnung nicht hinreichend tief gegliedert ist, wenn Vermögensgegenstände, Kapital oder Verbindlichkeiten an falscher Stelle aufgeführt sind oder verbotenerweise saldiert wurden;[2] die Wesentlichkeit bestimmt sich nach der Bedeutung der verletzten Vorschriften und dem Umfang des Verstoßes; Bagatellverstöße reichen nicht aus; der Leser muss wegen des Verstoßes vielmehr zu einem wesentlich anderen Bild über die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage der Gesellschaft kommen[3]),
    • Verletzung von Bewertungsvorschriften

      1. wenn Posten überbewertet sind (§ 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG) (Aktivposten sind überbewertet, wenn sie mit einem höheren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253 ff.HGB zulässig ist; gleichzusetzen sind unzulässige Aktivierungen und unterbliebene, aber gebotene Passivierungen einschließlich nach § 249 HGB gebotener Rückstellungen, weil sie zu vergleichbaren Folgen wie Überbewertungen führen;[4] entgegen dem Wortlaut kann jedoch nicht jede kleinste Überbewertung ausreichen; es sollten daher nur wesentliche und schwerwiegende Beeinträchtigungen der Rechnungslegung zur Nichtigkeit führen[5]) oder
      2. unterbewertet sind und dadurch die Vermögens- und Ertragslage vorsätzlich unrichtig dargestellt ist (§ 256 Abs. 5 ...

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