Rz. 168

Die kurzfristigen Deckungsverhältnisse von Vermögen und Kapital sollen Erkenntnisse darüber liefern, inwieweit die kurzfristig liquidierbaren Vermögensgegenstände in der Lage sind, kurzfristig fällig werdende Auszahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Hierzu werden i. d. R. sog. Liquiditätskoeffizienten gebildet. Diese geben, als Relativ- oder Absolutkennzahlen, das Verhältnis bestimmter kurzfristiger Vermögensgegenstände zum kurzfristigen Fremdkapital an. Dies ermöglicht eine genauere Bestimmung der kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen.[1] Üblicherweise werden die folgenden Liquiditätskoeffizienten unterschieden:

 
Liquidität 1. Grades = Zahlungsmittel und -äquivalente
kurzfristiges Fremdkapital
Liquidität 2. Grades = monetäres Vermögen
kurzfristiges Fremdkapital
Liquidität 3. Grades = kurzfristiges Vermögen
kurzfristiges Fremdkapital
 

Rz. 169

Absolute Maßstäbe für diese Kennzahlen lassen sich nicht begründen. In der Praxis werden etwa Normen verwendet, die fordern: Liquidität 1. Grades ≥ 30 % und Liquidität 2. Grades ≥ 100 % und Deckungsgrad des gebundenen Vermögens ≥ 100 %. Neben diesen Kennzahlen kann noch die absolute Differenz aus kurzfristigem Vermögen und kurzfristigem Fremdkapital, das sog. Working Capital, zur Analyse herangezogen werden. Das Working Capital stellt einen Überschuss des kurzfristig gebundenen Vermögens über das kurzfristige Fremdkapital dar. In der Interpretation bedeutet dies, dass ein positives Working Capital den Teil des kurzfristigen Vermögens angibt, der langfristig finanziert ist. Durch eine zusätzliche kurzfristige Finanzierung des Working Capital könnten also langfristige Mittel für andere Zwecke verwendet werden. Weiterhin gibt das Working Capital die eingetretene Liquiditätsveränderung an, sodass es möglich ist, im Zeitablauf Veränderungen der Liquidität festzustellen.[2]

 

Rz. 170

Die Bildung von Kennzahlen zur kurzfristigen Liquiditätsanalyse ist hinsichtlich der Aussagekraft der ermittelten Werte mit einigen Problemen verbunden. Neben den allgemeinen Problemen der bestandsgrößenorientierten Liquiditätsanalyse, wobei das veraltete Datenmaterial bei der kurzfristigen Analyse noch gravierender ist als bei den langfristigen Deckungsgraden, sind im Rahmen der kurzfristigen Liquiditätsanalyse noch weitere Punkte zu beachten. So werden z. B. keine Zahlungen berücksichtigt, die kurz nach dem Bilanzstichtag erfolgen. Zum Zeitpunkt der Analyse sind jedoch die Zahlungen schon geleistet worden und haben die Liquidität des analysierten Unternehmens beeinflusst. Auch werden bei der stichtagsbezogenen kurzfristigen Liquiditätsanalyse keine Möglichkeiten zur Kapitalaufstockung (wie z. B. Prolongationen oder Substitutionen von Kapital) berücksichtigt. Allgemein bieten die kurzfristigen Liquiditätskennzahlen kein adäquates Mittel, um die aktuelle Liquidität richtig und sinnvoll abzubilden, da das zugrunde liegende Datenmaterial unvollständig ist, weil die für die aktuelle Liquidität relevanten Ströme der Erfolgszahlungen, wie z. B. Umsätze, Lohn- und Gehalts-, Material- oder Zinszahlungen, nicht erfasst werden und Bilanzdaten obendrein zum Zeitpunkt der Analyse schon nicht mehr aktuell sind. Um ein besseres Bild der Liquiditätslage zu erhalten, ist es notwendig, im Rahmen einer bewegungsbezogenen Liquiditätsanalyse finanzielle Stromgrößen miteinzubeziehen.[3]

[1] Vgl. Lachnit/Müller, Bilanzanalyse, 2. Aufl. 2017, S. 292.
[2] Vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 16. Aufl. 2012, S. 600 f.
[3] Vgl. Lachnit/Müller, Bilanzanalyse, 2. Aufl. 2017, S. 293.

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