Rz. 153

Im Rahmen der Finanzierungsanalyse sollen durch die Kapitalstrukturanalyse mit Hilfe von vertikalen Kennzahlen die Quellen und die Zusammensetzung des Kapitals nach Art, Sicherheit und Fristigkeit ermittelt werden, um Finanzierungsrisiken abschätzen zu können. Bei der Analyse der Kapitalrückflusszeiten sollen durch die Gegenüberstellung des Cashflows zu verschiedenen Arten von Fremdkapital Informationen über die Fristen gewonnen werden, die zur Begleichung des jeweiligen Fremdkapitals notwendig sind. Die Kapitalverfügbarkeitszeiten geben Aufschluss über die Fristausnutzung bestimmter Positionen des Kapitals.[1]

[1] Vgl. Lachnit/Müller, Bilanzanalyse, 2. Aufl. 2017, S. 277.

6.3.3.1 Eigenkapitalbereinigung

 

Rz. 154

Das Eigenkapital eines Unternehmens ist das elementare Charakteristikum für Sicherheit, Bonität, Unabhängigkeit und Entwicklungskraft. Es erfüllt die Finanzierungs-, Haftungs- und Garantiefunktion eines Unternehmens. Daneben beeinflusst es die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität einer Unternehmung, da es als Maßstab für Kreditwürdigkeit und Krisenfestigkeit gilt. So findet das Eigenkapital im Rahmen der Kreditwürdigkeitsanalyse z. B. bei der Berechnung von zahlreichen Kennzahlen Berücksichtigung.[1] Allerdings kann nicht nur der ausgewiesene Buchwert des Eigenkapitals betrachtet werden, da u. U. erhebliche Verzerrungen vorliegen, die eine Eigenkapitalbereinigung nötig machen.

 

Rz. 155

Die Bereinigung des Eigenkapitals erfolgt analog zur in Rz. 62 ff. dargestellten Jahresergebnisbereinigung. Wurden bei Letzterer die Erfolgswirkungen betrachtet, so sind bei der Eigenkapitalbereinigung die Bestände an Eigenkapital relevant. Daher sind einerseits Ausweisunterschiede zu korrigieren, was bereits in der Aufbereitung erfolgte, und andererseits sollen mögliche Verzerrungen der betriebswirtschaftlichen Lage durch stille Reserven oder Lasten beseitigt werden.

 

Rz. 156

In diesen stillen Reserven und Lasten sind auch alle Unterschiede bei Ansatz und Bewertung zwischen IFRS und HGB enthalten. So ist eine Bereinigung um steuerrechtlich bedingte stille Reserven oder Lasten, wie diese bei Abschlüssen nach HGB bis zur Umsetzung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) im Einzelabschluss notwendig war und aufgrund der Übergangsvorschriften auch noch weiterhin notwendig ist, nach IFRS sowie in Konzernabschlüssen nicht notwendig. Bei beiden Rechnungslegungsnormen sind unterschiedliche Deckungslücken für Pensionsrückstellungen zu berücksichtigen – die IFRS kennen zudem Neubewertungsrücklagen usw. Bei den Korrekturen ist stets auf die mögliche Auswirkung auf latente Steuern zu achten, sodass die stillen Reserven i. d. R. nur nach Korrektur um passive latente Steuern in die Eigenkapitalbereinigung einbezogen werden dürfen.

6.3.3.2 Kapitalstrukturanalyse

 

Rz. 157

Die Analyse der Kapitalstruktur dient der Information über die Quellen und die Zusammensetzung nach Art, Sicherheit und Fristigkeit des dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Kapitals. Zentrale Kennzahl dieser Analyse ist die Eigenkapitalquote, die durch den Wert des Quotienten aus Eigenkapital und Gesamtkapital dargestellt wird. Darüber hinaus beinhaltet die Kapitalstrukturanalyse noch einige weitere Kennzahlen, welche die Struktur des Kapitals beleuchten.[1] Eine hohe Eigenkapitalquote wird in Bezug auf die Verlustabsorbtions- und Schuldendeckungsfunktion positiv bewertet. Allerdings ist unter Rentabilitätsgesichtspunkten die Optimierung der Kapitalstruktur über die Nutzung des Leverage-Effektes von großer Bedeutung. Es gibt keine allgemein gültige Regel über die optimale Art und Zusammensetzung des Kapitals, vielmehr hängt die optimale Eigenkapitalquote stark vom leistungswirtschaftlichen Risiko des jeweiligen Unternehmens ab – generell ist mit steigendem leistungswirtschaftlichen Risiko eine höhere Eigenkapitalquote sinnvoll.[2] Zudem ist der Verschuldungsgrad einer Unternehmung bei der Kapitalanalyse zu beurteilen, wofür der Langfristkapitalanteil in Bezug zum Gesamtkapital zu errechnen ist.

[1] Vgl. Küting/Weber, Die Bilanzanalyse, 11. Aufl. 2015, S. 140 f.
[2] Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 26. Aufl. 2021, S. 1147ff.

6.3.3.3 Kapitalrückfluss- und Kapitalverfügbarkeitszeiten

 

Rz. 158

Während die Kapitalverfügbarkeitszeiten die Fristausnutzung bei bestimmten Kapitalposten ausdrücken, wird mit den Kapitalrückflusszeiten die (mögliche) Dauer der Rückzahlung der Fremdkapitalpositionen untersucht. Bei Kennzahlen über Kapitalrückflusszeiten werden im Gegensatz zu statischen Kennzahlen nicht Bestandsgrößen an einem Stichtag, sondern die zeitraumbezogene Größe "Cashflow" betrachtet. Der Cashflow gilt als Indikator der Finanzkraft eines Unternehmens, der den finanzwirtschaftlichen Überschuss aus der betrieblichen Erfolgstätigkeit einer Periode darstellt.[1] Dabei wird unterstellt, dass der Cashflow in liquider Form zur Verfügung steht bzw. in der betrachteten Periode zur Verfügung stand.[2]

 

Rz. 159

Im Rahmen einer Analyse der Kapitalrückfluss- oder Tilgungszeiten wird die Fähigkeit ...

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