Rz. 9

Ein Jahresabschluss ist fehlerhaft, wenn er objektiv unrichtig ist und die Gesellschaft im Zeitpunkt der Abschlussfeststellung bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen. Spätere lediglich wertaufhellende Umstände machen den Jahresabschluss dagegen nicht fehlerhaft.[1] Eine Bilanzberichtigung als handelsrechtlicher Unterfall der Änderung des Jahresabschlusses ist ohne Einschränkung bis zur Feststellung des Jahresabschlusses zulässig und geboten, da bis zu diesem Zeitpunkt ein nur unverbindlicher Bilanzentwurf vorliegt – der Begriff "Berichtigung" ist an dieser Stelle nicht vollständig zutreffend und könnte eher als "Bilanzbearbeitung" verstanden werden. Nach der Feststellung des Jahresabschlusses ist eine Berichtigung von fehlerhaften Bilanzansätzen nur dann zwingend, falls ohne Berichtigung nicht ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt werden kann.[2]

 

Rz. 10

Zeitliche Grenzen für die Berichtigung von Jahresabschlüssen bestehen dabei nicht, sodass erkannte Fehler unbeschränkt aus dem Jahresabschluss getilgt werden können. Die sog. "Rückwärtsberichtigung" fehlerhafter Jahresabschlüsse ist zwar grundsätzlich zulässig, aber nicht immer geboten. Sie ist jedoch für die Fälle erforderlich, in denen der fehlerhafte Jahresabschluss kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt und eine zeitnahe Richtigstellung des Bilds durch die Korrektur im laufenden Jahresabschluss nicht hinreichend durchgeführt werden kann.[3]

 

Rz. 11

Erfolgt eine Berichtigung, so ist die jeweilige Gesetzeslage des betroffenen Geschäftsjahres maßgeblich. Dies bedeutet, dass für die Berichtigung dieselben Vorschriften wie für die Aufstellung des Jahresabschlusses in seiner ursprünglichen Fassung Anwendung finden müssen. Dies ist regelmäßig unproblematisch, da bei Gesetzesänderungen des HGB grundsätzlich im EGHGB eine Anwendungsvorschrift erlassen wird, wonach diese frühestens für das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens laufende Geschäftsjahr gelten.[4]

 

Rz. 12

Werden Jahresabschlüsse berichtigt, die mehrere Geschäftsjahre zurückliegen, ist der Grundsatz der Bilanzidentität[5] zu beachten, sodass unter Umständen alle nachfolgenden Abschlüsse ebenfalls einer Änderung unterzogen werden müssen, auch wenn diese ihrerseits bereits festgestellt wurden. Werden in der Handelsbilanz Berichtigungen bezüglich der Ansätze vorgenommen, so sind diese aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz grundsätzlich auch in Letztere zu übernehmen. Zu beachten gilt es, dass der Maßgeblichkeitsgrundsatz durch das Steuerrecht durchbrochen werden kann, d. h., dass dieser eingeschränkt wird (z. B. mit Blick auf die Bildung von Drohverlustrückstellungen; § 5 Abs. 4a EStG).[6]

 

Rz. 13

Der kodifizierte Grundsatz der Bilanzidentität, der im handelsrechtlichen Schrifttum auch als Grundsatz der Wertansatzidentität oder als Grundsatz der formellen Bilanzkontinuität und in der steuerlichen Rechtsprechung und Literatur überwiegend als Grundsatz des Bilanzzusammenhangs bezeichnet wird, fordert die Übereinstimmung der Wertansätze in der Eröffnungsbilanz eines Geschäftsjahres mit den Wertansätzen der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres.[7] Zwischen der Schlussbilanz des Vorjahres und der Eröffnungsbilanz des darauffolgenden Geschäftsjahres dürfen somit keine Geschäftsvorfälle verbucht und keine Änderungen des Bilanzinhalts oder der Bewertung durchgeführt werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass sämtliche Geschäftsvorfälle in das neue Geschäftsjahr übertragen werden, ohne dass insbesondere Erfolgsbeiträge aus der Gewinn- und Verlustrechnung eliminiert und damit dem Zugriff der Anteilseigner entzogen werden.[8]

 

Rz. 14

Der Grundsatz der Bilanzidentität zählt zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung und trägt zur Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse verschiedener Geschäftsjahre bei. Die Notwendigkeit der Bilanzidentität ist als Grundvoraussetzung einer wahrheitsgetreuen Rechnungslegung und gleichzeitig als Ausdruck des Stetigkeitsgebots anzusehen. Darüber hinaus dient die diesbezügliche Regelung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB einer periodengerechten Gewinnermittlung. Durch die Bilanzidentität wird erreicht, dass das Totalergebnis eines Betriebs die Summe der Ergebnisse der einzelnen Geschäftsjahre widerspiegelt.[9] Die in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB ausgedrückte Forderung nach einer Übereinstimmung der Wertansätze der Eröffnungsbilanz mit jenen der vorangegangenen Schlussbilanz beinhaltet demgegenüber jedoch nicht die Pflicht zur jährlichen Erstellung einer Eröffnungsbilanz. Vielmehr ist die Übereinstimmung der Saldenvorträge auf den jeweiligen Bestandskonten zu Beginn des Geschäftsjahrs mit den Schlusssalden des vorangegangenen Geschäftsjahrs gemeint.[10]

 

Rz. 15

Aus der Norm des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB ergibt sich zudem die Spezifizierung, dass darunter auch die Wertansä...

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