Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung Ausgleichsanspruch Tankstellenhalter. Schätzung Stammkundenumsatz. Inkasso als werbende Tätigkeit. Handelsvertretervertrag. Umwirksamkeit einer Vereinbarung über 50 %iger verwaltender Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zur Schätzung des Stammkundenumsatzanteils im Rahmen der Berechnung des Ausgleichsanspruchs eines Tankstellenhalters (im Anschluß an BGH, Urteile vom 6. August 1997 – VIII ZR 150/96 und VIII ZR 92/96, NJW 1998, 66 bzw. 71).

b) Im Tankstellengeschäft zählt auch das Inkasso zur „werbenden” Tätigkeit des Tankstellenhalters (Ergänzung zu BGH, Urteile vom 6. August 1997 – VIII ZR 150/96 und VIII ZR 92/96, jeweils aaO).

c) Eine Vereinbarung in dem zwischen einem Mineralölunternehmen und einem Tankstellenhalter geschlossenen Handelsvertretervertrag, nach der 50 % der Gesamtvergütung des Tankstellenhalters für „verwaltende” Tätigkeiten gezahlt werden, ist wegen Verstoßes gegen § 89 b Abs. 4 HGB unwirksam.

 

Normenkette

HGB § 89b

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 11.02.2000; Aktenzeichen 9 U 204/99)

LG Bochum (Urteil vom 14.04.1999)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 35. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. Februar 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Klage in Höhe von mehr als 35.851,58 DM nebst Zinsen abgewiesen hat.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 14. April 1999 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 35.836,89 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 6. Januar 1998 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger betrieb von 1970 bis zum 30. September 1992 zunächst eine Tankstelle der Beklagten in B. – G.. Er pachtete sodann ab dem 1. Januar 1993 eine Tankstelle der Beklagten in B. -Z.. Nach dem hierfür am 24. November 1992 geschlossenen „Tankstellenvertrag” übernahm der Kläger als Handelsvertreter den Verkauf von Motorenkraftstoffen und anderen Produkten im Namen und für Rechnung der Beklagten. Für die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Agenturverhältnis erhielt der Kläger eine in § 6 des Vertrages geregelte Vergütung. § 6 Nr. 4 Satz 2 des Vertrages lautet:

„50% der von ARAL an Partner nach dieser Vereinbarung zu zahlenden Gesamtvergütung sind für verwaltende Tätigkeiten.”

Wegen Erkrankung des Klägers vereinbarten die Parteien die Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 5. Januar 1998. Der Kläger forderte einen Handelsvertreterausgleich in Höhe der während der Vertragszeit erzielten Jahresdurchschnittsprovision von brutto 152.188,47DM. Darauf zahlte die Beklagte vorgerichtlich einen Betrag von 80.500 DM. Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von brutto 71.688,47 DM nebst Zinsen.

Zur Berechnung seines Anspruchs hat der Kläger vorgetragen, von der im letzten Vertragsjahr erzielten Nettoprovision entfielen mindestens 84% auf Umsätze mit von ihm geworbenen Stammkunden. Dies ergebe sich aus einer von der Beklagten in Auftrag gegebenen Repräsentativbefragung des Allensbach-Instituts aus dem Jahre 1987 über die Tankgewohnheiten der Pkw-Fahrer im früheren Bundesgebiet. Davon ausgehend hat der Kläger – nach Abzug eines Provisionsanteils von 10% für Verwaltungstätigkeiten und unter Berücksichtigung einer jährlichen Abwanderungsquote von 20 % – Provisionsverluste in einer die Jahresdurchschnittsprovision übersteigenden Höhe errechnet.

Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, der Umsatzanteil der vom Kläger geworbenen Stammkunden könne nicht aufgrund allgemeiner statistischer Ergebnisse einer Repräsentativbefragung der Pkw-Fahrer geschätzt werden, sondern sei vom Kläger konkret darzulegen. Zudem sei die vom Kläger herangezogene Allensbach-Studie durch eine neuere Repräsentativbefragung des MAFO-Instituts aus dem Jahre 1996 überholt. Davon abgesehen dürften die Kunden, die mit der Kundenkarte der Beklagten (ARAL-Card) tankten, nicht als vom Kläger geworbene Stammkunden berücksichtigt werden. Der in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs darüber hinaus nicht einzubeziehende Provisionsanteil, durch den verwaltende Tätigkeiten des Klägers vergütet würden, sei nach der vertraglichen Vereinbarung mit 50% und nicht mit lediglich 10 % anzusetzen. Von dem Zeitbedarf für die Ausführung der an einer Tankstelle anfallenden Tätigkeiten entfielen sogar 52,7 % auf verwaltende und nur 47,3 % auf werbende Tätigkeiten. Der Verlustprognose müsse eine höhere Abwanderungsquote als 20 % zugrunde gelegt werden. Schließlich sei insbesondere wegen der mit großem Werbeaufwand erkauften „Sogwirkung”, welche die Marke der Beklagten mehr als die Marken anderer Mineralölgesellschaften besitze, ein Billigkeitsabzug von 50 % gerechtfertigt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 30.064,73 DM nebst Zinsen verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit ihren zugelassenen Revisionen greifen beide Parteien das Berufungsurteil an, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

 

Entscheidungsgründe

A. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt (teilweise veröffentlicht in JR 2002, 71):

Dem Kläger stehe – ohne Berücksichtigung der vorprozessualen Zahlung der Beklagten – ein Ausgleichsanspruch in Höhe von insgesamt 110.564,73 DM zu. Grundlage für dessen Berechnung sei der Anteil, der von der im letzten Vertragsjahr erzielten Provision auf Umsätze mit Stammkunden entfalle. Dieser könne auf der Grundlage einer Repräsentativbefragung über die Tankgewohnheiten von Pkw-Fahrern nach § 287 Abs. 2 ZPO geschätzt werden. Dafür sei im vorliegenden Fall aber nicht die Allensbach-Befragung aus dem Jahr 1987, sondern die aktuellere MAFO-Studie aus dem Jahr 1996 zugrunde zu legen. Aus ihr sei ein Stammkundenumsatzanteil von 58,4 % zu errechnen, der auch der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Klägers zugrunde zu legen sei. Vorab sei jedoch von der letzten Nettojahresprovision der Betrag abzuziehen, der auf Tankvorgänge mit der Kundenkarte der Beklagten entfalle, weil Kunden, die mit der ARAL-Card tankten, von der Beklagten selbst und nicht vom Kläger geworben worden seien. Darüber hinaus sei von dem verbleibenden Betrag gemäß dem Vortrag des Klägers ein Abzug von 10% für nicht berücksichtigungsfähige Verwaltungstätigkeiten zu machen. Einen höheren Anteil der verwaltenden im Verhältnis zur werbenden Tätigkeit des Klägers, zu der auch Lagerhaltung, Auslieferung und Inkasso gehörten, habe die Beklagte nicht dargelegt. Auf die Vereinbarung in § 6 Nr. 4 Satz 2 des Tankstellenvertrages, wonach 50% der Vergütung auf verwaltende Tätigkeiten entfielen, könne sich die Beklagte nicht berufen, weil diese Klausel wegen unangemessener Benachteiligung im Sinne von § 9 AGBG und wegen Verstoßes gegen § 89 b Abs. 4 HGB nichtig sei. Der Prognosezeitraum für den Provisionsverlust des Klägers sei infolge einer anzunehmenden Abwanderungsquote von 20 % auf vier Jahre anzusetzen, so daß sich ein Provisionsverlust in Höhe von 200 % des zuvor errechneten Betrages ergebe. Davon sei ein Billigkeitsabzug von 10 % für die „Sogwirkung” der Marke der Beklagten gerechtfertigt. Der verbleibende – abgezinste – Betrag des Ausgleichsanspruchs übersteige den von der Beklagten bereits gezahlten Betrag um 30.064,73 DM. Diese Differenz sei dem Kläger zuzusprechen.

B. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Ausgleichsanspruchs des Klägers wegen Beendigung des Tankstellenvertrages halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die auf Tankvorgänge mit der Kundenkarte der Beklagten entfallenden Provisionsanteile aus der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ausgeklammert. Insoweit ist die Revision des Klägers begründet. Im übrigen haben die Rechtsmittel der Parteien keinen Erfolg.

I.

Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß der Berechnung des dem Grunde nach unstreitigen Ausgleichsanspruchs des Klägers nach § 89 b HGB grundsätzlich die letzte Jahresprovision zugrunde zu legen und davon nur der Teil zu berücksichtigen ist, den der Kläger für Umsätze mit von ihm geworbenen Stammkunden erhalten hat, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im Sinne des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB besteht (zum Tankstellenhalter: Senatsurteile vom 6. August 1997 – VIII ZR 150/96 und VIII ZR 92/96, NJW 1998, 66 und 71 = WM 1998, 25 und 31 unter B I 2 bzw. B I 1; zum Handelsvertreter allgemein: BGHZ 141, 248, 252). Als Stammkunden sind dabei Mehrfachkunden anzusehen, die innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder voraussichtlich abschließen werden (Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO unter B I 1 a bzw. B I 2 a).

1. Ohne Erfolg wenden sich die Revisionen beider Parteien dagegen, daß das Berufungsgericht den Stammkundenumsatzanteil und den entsprechenden Provisionsanteil, der in der vom Kläger zuletzt erwirtschafteten Jahresprovision enthalten ist, aufgrund der in einer Pressemitteilung der Beklagten veröffentlichten Ergebnisse einer im Jahr 1996 vom MAFO-Institut durchgeführten Repräsentativbefragung über die Tankgewohnheiten der Pkw-Fahrer in Deutschland geschätzt hat (§ 287 Abs. 2 ZPO).

a) Sinn und Zweck des § 89 b HGB ist es, dem Handelsvertreter einen Ausgleich dafür zu schaffen, daß der Unternehmer aus der vom Handelsvertreter zustande gebrachten Geschäftsverbindung durch weitere Geschäftsabschlüsse auch dann noch erhebliche Vorteile hat, wenn der Handelsvertreter infolge der Beendigung seines Vertragsverhältnisses eine Provision für Folgegeschäfte mit den von ihm geworbenen Kunden nicht mehr erhält (vgl. BT-Drucks. I/3856, S. 33; BGHZ 135, 14, 20; Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO, unter B I 1 a bzw. B I 2 b). Dies erfordert nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 HGB eine Prognose über den Umfang der Geschäfte, die der Unternehmer mit den vom Handelsvertreter geworbenen „Stamm-” bzw. „Mehrfachkunden” nach Beendigung des Vertrages voraussichtlich noch abschließen wird, und damit zugleich über die Höhe der Provisionen, die der Handelsvertreter aus der Geschäftsverbindung mit diesen Kunden noch verdient hätte, wenn das Handelsvertreterverhältnis nicht beendet worden wäre (Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO). In welchem Umfang während des Prognosezeitraums Umsätze mit den vom Tankstellenhalter geworbenen Mehrfachkunden zu erwarten sind, richtet sich mangels sonstiger verläßlicher Anhaltspunkte nach den Erfahrungen während der Vertragszeit (Senatsurteil vom 6. August 1997 – VIII ZR 150/96, aaO, unter B I 1 b m.w.Nachw.; ebenso – für den Vertragshändler – BGHZ 135, 14, 22).

b) Die vom Berufungsgericht im Rahmen dieser Prognose vorgenommene Schätzung des Stammkundenumsatz- bzw. -provisionsanteils im letzten Vertragsjahr weist keinen Rechtsfehler auf. Es ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht seine Schätzung auf die in einer Pressemitteilung der Beklagten veröffentlichten Ergebnisse einer demoskopischen Studie des MAFO-Instituts über die Tankgewohnheiten der Pkw-Fahrer in Deutschland gestützt und daraus einen Stammkundenumsatz- bzw. -provisionsanteil von 58,4 % hergeleitet hat.

aa) Unbegründet ist die Rüge der Beklagten, das Berufungsgericht hätte eine Schätzung des Stammkundenumsatzanteils auf der Grundlage derart allgemeiner statistischer Daten nicht vornehmen dürfen, sondern die Klage als unschlüssig abweisen müssen, weil der Kläger konkrete Anhaltspunkte für eine fallbezogene Schätzung des Stammkundenumsatzanteils an seiner Tankstelle nicht dargelegt habe.

Zutreffend ist allerdings, daß die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 HGB dem Handelsvertreter obliegt (vgl. BGHZ 135, 14, 24). Dies gilt auch für den Tankstellenhalter, der somit darzulegen und zu beweisen hat, welcher Anteil am Umsatz bzw. an den Provisionseinnahmen in der Zeit vor der Vertragsbeendigung auf Geschäfte mit Mehrfachkunden entfiel (Senatsurteil vom 6. August 1997 – VIII ZR 150/96, aaO).

Im Hinblick auf die tatsächlichen Schwierigkeiten, in dem anonymen Massengeschäft einer Tankstelle den Stammkundenumsatzanteil konkret zu ermitteln, hat der Senat jedoch in diesem Bereich eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zugelassen, die dem Kläger sowohl die Darlegung als auch die Beweisführung erleichtert (Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO, unter B I 1 c bzw. B I 2 c; vgl. auch bereits BGHZ 34, 310, 320 und BGHZ 59, 125, 130 zum Ausgleichsanspruch des Bausparkassenvertreters). Zudem hat der Senat die Schätzung des Stammkundenumsatzanteils dadurch erleichtert, daß er hierfür auch die Verwendung statistischen Materials gebilligt hat (Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO).

Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß eine zuverlässige Ermittlung des Stammkundenumsatzanteils mit Hilfe von Kundenerfassungslisten oder Kundenbefragungen für den Kläger nicht möglich war. Es durfte deshalb den Stammkundenumsatzanteil auf der Grundlage statistischen Materials schätzen.

Statistische Daten wie die vom Berufungsgericht verwerteten Ergebnisse der MAFO-Studie besitzen allerdings wegen der ihrer Erhebung zugrundeliegenden Fragestellung nur eine eingeschränkte Aussagekraft für den prozentualen Anteil der Stammkundschaft an der Gesamtkundschaft einer bestimmten Tankstelle und für den auf die Stammkunden entfallenden Umsatzanteil. In der Veröffentlichung der Beklagten über die MAFO-Studie wird darauf hingewiesen, daß die Befragungen repräsentativ sind für die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, nicht aber für einzelne Regionen oder Tankstellen. Statistisch sichere Aussagen über den Kundenkreis einzelner Tankstellen lassen sich aus solchen Untersuchungen nicht ableiten (so bereits Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO). Deren Ergebnisse können deshalb – als gewisser Anhaltspunkt – für eine Schätzung des Stammkundenumsatzanteils an einer bestimmten Tankstelle nur dann herangezogen werden, wenn konkrete Daten, die eine individuellere Schätzung des Stammkundenumsatzanteils an dieser Tankstelle ermöglichen, nicht zur Verfügung stehen und mit vertretbarem Aufwand auch nicht zu beschaffen sind. Davon sind die Senatsurteile vom 6. August 1997 (aaO) ausgegangen, in denen die Verwertung solchen statistischen Materials gebilligt wurde. Auch der vorliegende Fall bietet noch keinen Anlaß, die Verwendung statistischen Materials deshalb zu mißbilligen, weil eine konkretere, fallbezogene Schätzung des Stammkundenumsatzanteils möglich gewesen wäre.

In Zukunft dürfte jedoch eine Darlegung konkreter Anhaltspunkte für eine fallbezogene Schätzung des Stammkundenumsatzanteils an einer bestimmten Tankstelle aufgrund fortschreitender elektronischer Erfassung der Zahlungsvorgänge weniger schwierig und daher von dem Tankstellenhalter auch zu verlangen sein, so daß sich eine Heranziehung des weniger aussagekräftigen statistischen Materials weitgehend erübrigen kann. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, daß die Anonymität des Massengeschäfts an einer Selbstbedienungstankstelle einer konkreten Darlegung des Stammkundenumsatzanteils jedenfalls insoweit nicht entgegensteht, als es um den Teil der Kundschaft geht, der nicht mehr mit Bargeld, sondern mit den inzwischen weit verbreiteten Kreditkarten oder vergleichbaren Karten (z.B. EC-Karten) bezahlt. Über diese Zahlungsvorgänge werden Belege ausgedruckt, welche zumindest die Kartennummer und die Tankmenge ausweisen und die mit Hilfe eines entsprechenden Datenverarbeitungsprogramms daraufhin ausgewertet werden können, ob mit diesen Karten in einem bestimmten Zeitraum mehrfach getankt wurde. Zugleich lassen sich mit Hilfe der Zahlungsbelege auch die „Laufkunden” unter den Kartenbenutzern erfassen, so daß sich der Umsatzanteil der Mehrfachkunden am Gesamtumsatz der Kartenkundschaft für einen bestimmten Zeitraum errechnen läßt. Auf dieser Grundlage kann eine auf die konkreten Verhältnisse im letzten Vertragsjahr bezogene Schätzung einsetzen, indem der Stammkundenumsatzanteil innerhalb der Kartenkunden hochgerechnet wird auf den Gesamtumsatz des letzten Vertragsjahres, falls keine Anhaltspunkte dafür sprechen, daß dieses Verhältnis bei den anonymen „Barzahlern” wesentlich anders ist als innerhalb der Kartenkundschaft. Selbst wenn bei dieser tatrichterlichen Schätzung noch weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen und Detailprobleme zu lösen wären, könnte auf diese Weise die Schätzung des Stammkundenumsatzanteils an die tatsächlichen Verhältnisse einer bestimmten Tankstelle stärker angenähert werden, als dies bei einer Verwendung allgemeinen statistischen Materials der Fall sein kann.

Im vorliegenden Fall bestand jedoch diese Möglichkeit einer konkreten, fallbezogenen Schätzung des Stammkundenumsatzanteils an der Tankstelle des Klägers noch nicht. Zwar lag nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vorbringen der Beklagten der Umsatzanteil der Kreditkartengeschäfte an der Tankstelle des Klägers bei mehr als 50 %. Bei einem solchen Umfang böte das Kreditkartengeschäft durchaus eine hinreichend breite Basis für eine Hochrechnung. Es ist jedoch weder festgestellt noch vorgetragen, daß der Kläger in der Zeit vor Vertragsbeendigung über Software verfügte, mit deren Hilfe eine maschinelle Auswertung der ausgedruckten Zahlungsbelege möglich gewesen wäre. Eine manuelle Auswertung dieser Zahlungsbelege war dem Kläger wegen des damit verbundenen Aufwandes an Zeit und Kosten jedenfalls nicht zuzumuten. Inzwischen dürfte jedoch für eine Auswertung der Zahlungsbelege geeignete Software ohne unverhältnismäßigen Aufwand zu beschaffen sein, wenn diese nicht mittlerweile bereits Bestandteil der für die Buchhaltung von Tankstellen verwendeten EDV-Programme geworden ist.

bb) Unbegründet ist auch die prozessuale Rüge der Beklagten, das Berufungsgericht hätte seinem Urteil die Ergebnisse der Repräsentativbefragung des MAFO-Instituts jedenfalls deshalb nicht zugrunde legen dürfen, weil der Kläger seinen Anspruch nicht auf diese Studie gestützt, sondern deren Ergebnisse bestritten habe. Zutreffend ist zwar der rechtliche Ansatzpunkt dieser Rüge, daß ein Gericht nur solche Tatsachen zugunsten einer Partei berücksichtigen darf, die diese zur Begründung ihres Begehrens vorgetragen oder sich zumindest hilfsweise zu eigen gemacht hat (BGH, Urteil vom 23. Juni 1989 – V ZR 125/88, NJW 1989, 2756 unter II 2; Urteil vom 15. Dezember 1993 – VIII ZR 197/92, NJW-RR 1994, 1405 unter III 1). Das Berufungsgericht ist aber ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß der Kläger sich die Daten der MAFO-Studie jedenfalls hilfsweise zu eigen gemacht hat, weil diese geeignet waren, seiner Klage zumindest teilweise zum Erfolg zu verhelfen. Der Kläger selbst hat nämlich mit seiner Berufungsbegründung die Pressemitteilung der Beklagten über die MAFO-Studie unter Hinweis darauf vorgelegt, daß sich die Ergebnisse der verschiedenen Umfragen nicht wesentlich unterschieden, weshalb solche Erhebungen auch verläßlich seien. Wenn der Kläger später gleichwohl die Ergebnisse der MAFO-Studie in Zweifel gezogen hat, erfolgte dies – bei verständiger Würdigung seines Vorbringens – ersichtlich nur deshalb, um das Berufungsgericht zu veranlassen, der Schätzung in erster Linie die für den Kläger günstigeren Daten der älteren Repräsentativbefragung des Allensbach-Instituts aus dem Jahr 1987 zugrunde zu legen, auf welche er sich bereits in der Klage berufen hatte.

cc) Zu Unrecht meint der Kläger, das Berufungsgericht hätte seiner Schätzung statt der MAFO-Studie die ältere Studie des Allensbach-Instituts zugrunde legen müssen, deren Ergebnisse in einer Pressemitteilung der Beklagten aus dem Jahr 1988 veröffentlicht worden waren. Das Berufungsgericht durfte bei seiner Schätzung aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgehen, daß die zeitnähere Erhebung, also die im Jahr 1996 vom MAFO-Institut durchgeführte Repräsentativbefragung, für die Tankgewohnheiten von Autofahrern im Jahr 1997, für welches der Umsatz des Klägers mit Stammkunden zu ermitteln war, größere Aussagekraft besitzt als eine neun Jahre zuvor durchgeführte Befragung zum gleichen Gegenstand.

dd) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner Schätzung des Stammkundenumsatzanteils aus dem Anteil derjenigen, die sich in der MAFO-Befragung als „Stammtanker” mit einer oder mit bis zu drei Stammtankstellen bezeichnet haben (60% und 13%), unter Abzug von jeweils 20 % einen auf diese Mehrfachkunden entfallenden (durchschnittlichen) Stammkundenumsatzanteil von 58,4% (48% und 10,4%) errechnet.

aaa) Bei einer Übertragung der Ergebnisse der MAFO-Studie auf die Verhältnisse einer Durchschnittstankstelle in Deutschland kann unter den dabei zu unterstellenden Voraussetzungen, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, der prozentuale Umsatzanteil, der an dieser Tankstelle auf eine der drei Kundengruppen (Mehrfachkunden mit einer Stammtankstelle, Mehrfachkunden mit zwei oder drei Stammtankstellen, Laufkunden) entfällt, nicht größer sein als der in der Repräsentativbefragung ermittelte Anteil dieser Kundengruppe an der Gesamtheit der Pkw-Fahrer. Daraus ergibt sich, daß der auf „Stammtanker” im Sinne der MAFO-Umfrage (also Pkw-Fahrer mit bis zu drei Stammtankstellen) entfallende Umsatzanteil (60 % + 13 % =) 73 % nicht übersteigen kann.

Bei der Betrachtung einer Durchschnittstankstelle muß die Annahme zugrunde gelegt werden, daß zwischen den drei Kundengruppen kein Unterschied hinsichtlich der von ihnen jährlich getankten Menge Kraftstoff besteht und daß sich die Kunden der drei Kundengruppen jeweils gleichmäßig über alle Tankstellen verteilen. Die Autofahrer, die mehrere Tankstellen aufsuchen (Laufkunden oder Kunden mit mehr als einer Stammtankstelle), sind also gedanklich auf die übrigen Tankstellen zu verteilen. Daraus ergibt sich, daß der prozentuale Anteil der Kunden, die mehrere Tankstellen aufsuchen, an der Kundschaft der Durchschnittstankstelle größer ist als ihr Anteil an der Gesamtheit der Pkw-Fahrer. Umgekehrt ist der prozentuale Anteil der Kunden mit nur einer Stammtankstelle an der Kundschaft der Durchschnittstankstelle niedriger als ihr Anteil an den Pkw-Fahrern insgesamt.

Gäbe es zum Beispiel in einem abgegrenzten Gebiet zwei Tankstellen und vier Autofahrer, von denen nach einer Befragung zwei Autofahrer (50%) „Stammtanker” je einer der beiden Tankstellen sind, während die anderen beiden Autofahrer (ebenfalls 50%) gleichmäßig wechseln, so hätte jede der beiden Tankstellen einen Stammkunden (also nur 33,3 % ihrer Gesamtkundschaft) und zwei Laufkunden (66,6%). Ihren Umsatz erzielte jede der beiden Tankstellen aber zu 50% mit dem einen Stammkunden, der seinen gesamten Bedarf dort deckt, und zu ebenfalls 50% mit den beiden Laufkunden, die jeweils die Hälfte ihres Bedarfs dort decken. Das Beispiel zeigt, daß bei der Berechnung des Umsatzes der Durchschnittstankstelle nicht angenommen werden kann, daß der mit den „Stammtankern” erzielte Umsatzanteil deshalb größer ist, weil diese an der Durchschnittstanksstelle häufiger tanken als deren Laufkunden. Die geringere Tankhäufigkeit des einzelnen Laufkunden wird dadurch ausgeglichen, daß eine größere Anzahl von Laufkunden die Tankstelle aufsucht. Soweit hiervon abweichend der Senat in seinen Urteilen vom 6. August 1997 (aaO unter B II 2 bzw. B I 2 d) davon ausgegangen ist, daß der Anteil der „Stammtanker” im Sinne der Umfrage mit dem Stammkundenanteil einer einzelnen Tankstelle gleichzusetzen ist, wird daran nicht festgehalten.

bbb) Nicht zu beanstanden ist entgegen der Meinung des Klägers, daß das Berufungsgericht für die Ermittlung des Stammkundenumsatzes vom Anteil derjenigen, die sich bei der MAFO-Befragung als „Stammtanker” mit bis zu drei Stammtankstellen bezeichnet haben, eine Quote von 20 % abgezogen hat, weil diese angegeben haben, nur 4/5 ihres Bedarfs an ihren Stammtankstellen zu decken. Auch insoweit muß zugrunde gelegt werden, daß diese Kunden den verbleibenden Teil ihres Bedarfs von 1/5 gleichmäßig an allen übrigen Tankstellen decken. Jede Tankstelle erzielt somit einen Teil ihres Umsatzes auch mit Stammkunden anderer Tankstellen, und dieser Teil ist nicht in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs einzubeziehen.

c) Zu Recht beanstandet die Revision des Klägers jedoch, daß das Berufungsgericht diejenigen Provisionen, die auf Geschäfte mit Inhabern der von der Beklagten herausgegebenen Kundenkarte (ARAL-Card) entfallen, in die Schätzung des Stammkundenumsatzanteils nicht einbezogen, sondern aus der Berechnung des Ausgleichsanspruchs von vornherein ausgeklammert hat. Der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht der Kläger, sondern die Beklagte selbst habe die Kunden geworben, die mit der Kundenkarte der Beklagten tanken, kann nicht gefolgt werden.

Geworben im Sinne des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB ist ein Kunde durch den Handelsvertreter dann, wenn dessen Tätigkeit zumindest mitursächlich für eine Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und dem Unternehmer geworden ist. Dies setzt voraus, daß der Handelsvertreter für den Unternehmer Verträge vermittelt oder abschließt, aus denen sich eine Geschäftsverbindung zum Kunden entwickelt, die auch nach Vertragsbeendigung mit dem Handelsvertreter weitere Geschäftsabschlüsse zwischen dem Unternehmer und dem Kunden erwarten läßt. Diese Voraussetzung ist auch hinsichtlich der Kunden erfüllt, die mit der ARAL-Kundenkarte tanken.

Das Berufungsgericht stellt zu Recht nicht in Frage, daß auch beim Tanken mit der ARAL-Kundenkarte ein Kaufvertrag über die getankte Menge Kraftstoff zwischen dem Kläger als Vertreter der Beklagten und dem Kunden geschlossen wird. Hiergegen wendet sich die Beklagte ohne Erfolg. Die Verträge über die Ausgabe und Verwendung der von einer Tochtergesellschaft der Beklagten herausgegebenen Kundenkarte, die zwischen der Beklagten, der Kartengesellschaft und dem Kunden bereits vor dem Tanken und damit ohne Mitwirkung des Tankstellenhalters geschlossen worden sind, stellen entgegen der Auffassung der Beklagten noch keine Kaufverträge über den zukünftig getankten Kraftstoff dar, sondern lediglich Rahmenverträge, in denen die Vertragskonditionen – insbesondere der Preis – für zukünftige Kaufgeschäfte mit der Kundenkarte festgelegt sind. Daß die Beklagte diese Verträge als „Lieferabkommen” bezeichnet, ändert an deren Charakter als Rahmenverträge nichts. Denn hierin ist nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten eine Pflicht zur Abnahme und Bezahlung einer bestimmten Menge Kraftstoff nicht festgelegt. Eine Zahlungspflicht wird erst begründet durch das Tanken selbst und den dabei geschlossenen Kaufvertrag über die getankte Menge Kraftstoff, den der Tankstellenhalter als Vertreter der Beklagten mit den Karteninhabern abschließt.

Zu Unrecht meint das Berufungsgericht jedoch, daß es dabei an einer werbenden Tätigkeit des Tankstellenhalters fehle, weil der Kunde mit der Kundenkarte für die Beklagte „schon gewonnen” sei. Damit verkennt das Berufungsgericht den Begriff der werbenden Tätigkeit. Die werbende Tätigkeit des Tankstellenhalters liegt bereits darin, daß er die Tankstelle offenhält und sich als Vertreter des Mineralölunternehmens zum Abschluß von Kaufverträgen mit Kunden bereit hält. Der konkrete Kaufvertrag über die an seiner Tankstelle getankte Menge Kraftstoff kommt ohne ihn nicht zustande. Deshalb ist seine Tätigkeit für den Abschluß von Kaufverträgen auch mit den Karteninhabern mitursächlich. Erst dadurch und nicht bereits durch den Besitz der Kundenkarte, die den Kunden zu einem Kauf bei der Beklagten nicht verpflichtet, wird der Kunde als Vertragspartner der Beklagten für einen konkreten Kaufvertrag geworben. Zwar weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die Kundenkarte der Beklagten wegen der mit ihr verbundenen Vorteile einen besonderen Anreiz für den Kunden schafft, Kraftstoff an den Tankstellen der Beklagten zu tanken. Dieser Umstand läßt aber die Mitursächlichkeit der Tätigkeit des Tankstellenhalters für den Verkauf der Produkte der Beklagten nicht entfallen.

II.

Ohne Erfolg rügt die Revision der Beklagten, das Berufungsgericht habe in zu geringem Umfang vermittlungsfremde Provisionsanteile aus der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ausgeklammert.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß bei der Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur solche Provisionen oder Provisionsanteile zugrunde zu legen sind, die der Handelsvertreter für seine Vermittlungs- und Abschlußtätigkeit erhält, nicht dagegen Provisionen für vermittlungsfremde (sogenannte „verwaltende”) Tätigkeiten (Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO unter B I 3 bzw. B I 1). Deren Anteil hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei in Höhe von 10 % aus der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ausgeklammert. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision, nach deren Auffassung 50 % der an den Kläger gezahlten Vergütung nicht zu berücksichtigen seien, haben keinen Erfolg.

1. Grundlage für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs sind nach dem Sinn und Zweck des § 89 b HGB nur die Provisionen, die der Handelsvertreter für seine Vermittlungs- und Abschlußtätigkeit erhält (BGHZ 30, 98, 101 f). Denn die Vermittlungs- und Abschlußtätigkeit des Handelsvertreters führt zur Schaffung eines Kundenstammes, von dem der Unternehmer auch nach Vertragsbeendigung profitiert, und dafür soll dem Handelsvertreter mit dem Ausgleichsanspruch eine noch ausstehende Vergütung zuteil werden (st. Rspr.; BGHZ 24, 214, 221; 24, 223, 228 f; 30, 98, 101 f; vgl. auch Amtliche Begründung, BT-Drucks. I/3856, S. 33, 35).

Den Vermittlungs- und Abschlußprovisionen gegenüberzustellen sind deshalb die für den Ausgleichsanspruch nicht zu berücksichtigenden Provisionen oder Provisionsanteile, die der Handelsvertreter für Tätigkeiten erhält, die über seine „werbende” (vermittelnde, abschließende) Tätigkeit hinausgehen und mit denen der Handelsvertreter zusätzliche, für die Schaffung eines Kundenstammes nicht ausschlaggebende Aufgaben erfüllt, die ihm der Unternehmer überträgt und vergütet (vgl. BGHZ 30, 98, 102 f; zum Tankstellenhalter: BGH, Urteil vom 15. November 1984 – I ZR 79/82, NJW 1985, 860; BGH, Urteil vom 28. April 1988 – I ZR 66/87, NJW-RR 1988, 1061; Senatsurteile vom 6. August 1997 – VIII ZR 150/96, NJW 1998, 66 unter B I 3; VIII ZR 92/96, NJW 1998, 71 unter B I 1).

2. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Anteil von 10 % der im letzten Vertragsjahr an den Kläger gezahlten Provision auf nicht-werbende („verwaltende”) Tätigkeiten entfällt und deshalb bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht zu berücksichtigen ist.

a) Die Parteien haben keine wirksame Vereinbarung darüber getroffen, mit welchem Anteil der dem Kläger gezahlten Provision „werbende” Tätigkeiten des Klägers einerseits und darüber hinausgehende, nicht-werbende („verwaltende”) Tätigkeiten andererseits vergütet werden. Die Regelung in § 6 Nr.4 Satz 2 des Tankstellenvertrages, nach der 50 % der Gesamtvergütung „für verwaltende Tätigkeiten” gezahlt werden, verstößt, wie das Berufungsgericht zutreffend beurteilt hat, wegen der mit ihr verbundenen, im voraus vereinbarten Einschränkung des Ausgleichsanspruchs gegen § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB. Sie ist deshalb nichtig (§ 134 BGB) und führt nicht dazu, daß die Hälfte der an den Kläger gezahlten Provision als vermittlungsfremder Provisionsanteil anzusehen ist, der bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs unberücksichtigt zu bleiben hätte.

§ 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB verbietet nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur Abreden, durch die der Ausgleichsanspruch ganz ausgeschlossen wird, sondern auch solche, durch die er nur im Ergebnis mehr oder weniger eingeschränkt wird (BGHZ 55, 124, 126; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1990 – I ZR 32/89, WM 1991, 196 unter II). Frei aushandeln können Unternehmer und Handelsvertreter allerdings den Grund und die Höhe der Provision nach § 87 HGB, auch wenn diese sich – mittelbar – auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs auswirkt.

Die vorliegende Klausel in § 6 Nr. 4 Satz 2 des Tankstellenvertrages enthält aber nur vordergründig – ihrer Formulierung nach – eine der Vertragsfreiheit unterliegende Vereinbarung darüber, welche Provision der Kläger für bestimmte Tätigkeiten erhält. Tatsächlich hat sie jedoch keine Auswirkungen auf die Höhe und die Abrechnung der an den Kläger – während des bestehenden Vertrages – zu zahlenden Provision. Ihr Zweck und ihre Wirkung bestehen ausschließlich darin, den Ausgleichsanspruch zu regeln und zu beschränken.

aa) Der Kläger erhält nach § 6 Nr. 1 des Tankstellenvertrages eine nach einheitlichen Grundsätzen berechnete und ausgezahlte Gesamtvergütung „für die Erfüllung aller Verpflichtungen aus diesem Vertrag”. Dies wird in § 6 Nr. 4 Satz 1 des Tankstellenvertrages sinngemäß wiederholt. Die sich daran anschließende Aufspaltung der Gesamtvergütung in § 6 Nr. 4 Satz 2 des Vertrages, nach der 50 % davon für verwaltende Tätigkeiten „sind”, hat Bedeutung ausschließlich für die spätere Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach Vertragsbeendigung. Deshalb ist diese Klausel an dem Grundsatz der Unabdingbarkeit des § 89 b Abs. 4 HGB zu messen; anderenfalls wäre ein wirksamer Schutz vor einer Aushöhlung der zwingenden Vorschrift des § 89 b Abs. 4 HGB durch scheinbare Provisionsvereinbarungen, mit denen eine Vereinbarung über den Ausgleichsanspruch verdeckt wird, nicht möglich (vgl. BGHZ 58, 60, 67).

bb) Die Vertragsbestimmung in § 6 Nr. 4 Satz 2 des Tankstellenvertrages beschränkt die Höhe des Ausgleichsanspruchs des Klägers, weil danach die Hälfte der an den Kläger gezahlten Gesamtvergütung bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs – als vermittlungsfremder (verwaltender) Provisionsanteil – außer Ansatz bleibt, ohne daß es nach dieser Regelung darauf ankommt, ob und in welchem Umfang „verwaltende Tätigkeiten” vom Kläger vertraglich übernommen worden sind. Dies verstößt gegen § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB.

Der in der Klausel verwendete Begriff „verwaltende Tätigkeiten” ist von der Rechtsprechung im Handelsvertreterrecht gebildet worden, um damit die bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht berücksichtigungsfähigen, für solche Tätigkeiten gezahlten Provisionen oder Provisionsanteile zu bezeichnen (vgl. BGHZ 30, 98; 34, 310; 55, 45; 59, 125; zum Tankstellenhalter erstmals: BGH, Urteil vom 15. November 1984 – I ZR 79/82, NJW 1985, 860; Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO unter B I 3 bzw. B I 1). Deshalb ist bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs anhand der vertraglichen Vereinbarung zu prüfen, ob der Unternehmer dem Handelsvertreter vermittlungsfremde („verwaltende”) Aufgaben und Tätigkeiten übertragen und vergütet hat, für die dem Handelsvertreter nach Vertragsbeendigung kein Ausgleich gebührt.

Die Klausel in § 6 Nr. 4 Satz 2 des Tankstellenvertrages enthält jedoch keine derartige Vereinbarung über die Vergütung konkreter, gegenständlich umschriebener Tätigkeiten, die – im Hinblick auf § 89 b HGB – rechtlich danach zu beurteilen wären, ob es sich hierbei um „werbende” (berücksichtigungsfähige) oder „verwaltende” (nicht-berücksichtigungsfähige) Tätigkeiten handelt. Sie nimmt vielmehr die erforderliche rechtliche Bewertung selbst vor, indem der in der Klausel verwendete Begriff der „verwaltenden Tätigkeiten” aufgrund seiner Bedeutung im Handelsvertreterrecht von vornherein festlegt, daß der hierauf entfallende Teil der Vergütung bei einer späteren Ermittlung des Ausgleichsanspruchs unberücksichtigt bleibt. Deshalb hat die scheinbar als Entgeltvereinbarung formulierte Klausel in Wahrheit nur den Inhalt und die Bedeutung, 50 % der zu zahlenden Gesamtvergütung bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs unberücksichtigt zu lassen. Eine solche Vertragsbestimmung im Tankstellenvertrag ist als im voraus vereinbarte Beschränkung des Ausgleichsanspruchs mit § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB nicht zu vereinbaren.

cc) Eine rechtliche Zulässigkeit der Klausel ist auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer möglichen vertraglichen Aufteilung der Provisionsanteile für werbende und verwaltende Tätigkeiten herzuleiten. In der Entscheidung des I. Zivilsenats vom 28. April 1988 (I ZR 66/87, WM 1988, 1204 unter II 1 b), der sich der Senat insoweit angeschlossen hat (Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO, unter B I 3 bzw. B I 1 c), ist dem Mineralölunternehmen die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegt worden, daß der auf Verwaltungstätigkeiten entfallende Provisionsanteil größer ist als vom Tankstellenhalter vorgetragen. Dies wurde unter anderem damit begründet, daß im Vertrag „keine Aufteilung der Provision im einzelnen dafür vorgenommen (worden war), in welchem Umfang damit eine werbende und verwaltende Tätigkeit vergütet werden sollte” (BGH, Urteil vom 28. April 1988, aaO). Soweit die Beklagte mit der Klausel in § 6 Nr. 4 Satz 2 des vorliegenden Tankstellenvertrages eine solche vertragliche Aufteilung, die ihr die Beweislast abnimmt, bezweckt haben sollte, liegt dem ein Mißverständnis dieser Entscheidung zugrunde. Die Zulässigkeit einer vertraglichen Aufteilung der Provision auf verschiedene Tätigkeiten setzt voraus, daß diese konkret aufgeführt, d.h. gegenständlich umschrieben werden, damit auf dieser Grundlage geprüft werden kann, ob es sich bei den übernommenen Tätigkeiten um werbende oder um „verwaltende” handelt und ob – dementsprechend – die darauf nach dem Vertrag entfallenden Vergütungsanteile bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen sind oder nicht. Unzulässig ist demgegenüber – wie dargelegt – eine Aufteilung, die keine rechtliche Beurteilung mehr zuläßt, ob die einzelnen Tätigkeiten und die auf sie entfallenden Vergütungsanteile bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen sind, sondern diese Beurteilung – ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Charakter der übernommenen Tätigkeiten – selbst vorwegnimmt und – der Sache nach – im voraus festlegt, daß die Hälfte der gezahlten Vergütung aus der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ausgeklammert wird. In der genannten Klausel ist auch keine Regelung zu sehen, welche die Beweislast vom Mineralölunternehmen auf den Tankstellenhalter zurückverlagert und als solche unbedenklich wäre (a.A. Olzen, JR 2002, 45, 49).

b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß es wegen der Unwirksamkeit der Vertragsklausel für die Frage, welche Anteile der Vergütung bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs auf werbende und „verwaltende” Tätigkeiten des Tankstellenhalters entfallen, auf das tatsächliches Verhältnis zwischen werbenden und „verwaltenden” Tätigkeiten ankommt. Denn aus dem Vorbringen der Parteien ergibt sich, daß sie dieses Verhältnis für die Bestimmung der Provisionsanteile maßgebend lassen sein wollten, wenn die Klausel in § 6 Nr. 4 Satz 2 des Tankstellenvertrages nicht eingreifen sollte.

Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht der Behauptung des Klägers gefolgt, daß von dessen nach dem Agenturvertrag geschuldeten Tätigkeit nicht mehr als 10 % auf nicht werbende Tätigkeiten entfielen.

Zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO, unter B I 3 a bb bzw. B I 1 b) hat das Berufungsgericht die mit der Lagerhalterung und Auslieferung zusammenhängenden Arbeiten des Tankstellenhalters als werbende Tätigkeiten angesehen, weil die sofortige Verfügbarkeit der gewünschten Kraftstoffmenge, welche durch Lagerhaltung und Auslieferung gewährleistet wird, für den Kunden einer Tankstelle im Vordergrund steht und deshalb untrennbar mit der Vermittlungs- und Abschlußtätigkeit des Tankstellenhalters verbunden ist.

Zu Recht hat das Berufungsgericht aber auch die das Inkasso des Kaufpreises aus dem Agenturgeschäft betreffenden Tätigkeiten als werbende beurteilt. In der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde auch das Inkasso des Kaufpreises für Treib- und Schmierstoffe durch einen Tankstellenhalter – ebenso wie Lagerhaltung und Auslieferung – als eine vermittlungsfremde Tätigkeit eingestuft (BGH, Urteil vom 15. November 1984 – I ZR 79/82, aaO unter II 4). Der Senat, dem nunmehr die alleinige Zuständigkeit für Handelsvertretersachen zugewiesen ist, ist davon in seinen Urteilen vom 6. August 1997 (VIII ZR 150/96 und VIII ZR 92/96 aaO) hinsichtlich Lagerhaltung und Auslieferung abgewichen, während er die Beurteilung des Inkasso noch offen gelassen hat. Nach Auffassung des Senates kann dem im Auftrag des Mineralölunternehmens vom Tankstellenhalter durchgeführten Inkasso, soweit es um das Agenturgeschäft geht, eine auch „werbende” Funktion nicht abgesprochen werden. Im Unterschied zu anderen Warenhandels- und zu Versicherungsvertretern steht bei einem Tankstellenhalter der Abschluß des Vertrages mit dem Kunden in der Regel in untrennbarem Zusammenhang nicht nur mit der Auslieferung des Kraftstoffs, sondern auch mit dem Inkasso des Kaufpreises. Der Erwerb von Treibstoff an Tankstellen erfolgt ganz überwiegend als Geschäft, bei dem Abschluß und Vollzug des Vertrages in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang stehen. Zwar erfolgt die Bezahlung des Kraftstoffs – in der Regel bar oder mit Kreditkarte – erst nach dem Tanken; der Vorgang des Kassierens an der Tankstelle ist aber mit dem Vertragsabschluß bei diesem Alltagsgeschäft als einem einheitlichen Lebensvorgang so eng verwoben, daß er – wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat – der Abschlußtätigkeit des Tankstellenhalters zuzurechnen ist. Erst mit dem Zahlungsvorgang an der Kasse wird der Kaufvertrag durch Ausdruck des Tankbelegs schriftlich dokumentiert, und erst dadurch wird der Tankvorgang mit der Freigabe der Zapfsäule für den nächsten Kunden auch faktisch abgeschlossen. Für die Tankkunden ist es gleichfalls von wesentlicher Bedeutung, daß sie den Kaufpreis beim Tanken – bar oder mit Kreditkarte – sofort bezahlen können. Das Inkasso an der Tankstelle ist aus diesen Gründen eine Tätigkeit, der jedenfalls auch eine werbende Funktion zukommt, was für ihre Berücksichtigung im Rahmen des Ausgleichsanspruchs ausreichend ist (Senatsurteil vom 6. August 1997 – VIII ZR 150/96, aaO unter B I 3 a cc).

Die dispositive Vorschrift des § 87 Abs. 4 HGB steht dieser Sichtweise nicht entgegen. Diese Norm geht davon aus, daß das Inkasso als Vollzugstätigkeit mit der Vermittlungs- und Abschlußtätigkeit des Handelsvertreters nicht verknüpft ist und deshalb dem Handelsvertreter dafür neben der Abschlußprovision (§ 87 Abs. 1 HBG) eine besondere Vergütung gebührt. Beim Tankstellenhalter besteht jedoch – wie dargelegt – hinsichtlich des im Vordergrund stehenden Bar- und Kreditkartengeschäfts eine so enge Verknüpfung von Abschluß- und Vollzugstätigkeit, daß insoweit das an der Tankstelle durchgeführte Inkasso nicht als vermittlungsfremde Tätigkeit anzusehen ist. Diese Beurteilung ist entgegen der Meinung der Revision nicht auf den reinen Kassiervorgang in Gegenwart des Kunden zu beschränken, sondern erfaßt auch die in der betriebswirtschaftlichen Auswertung gesondert aufgeführten Vorgänge, die mit diesem Inkasso notwendig zusammenhängen, indem sie es vorbereiten oder abwickeln (insbesondere Bargeldaufbewahrung, Wechselgeldbereitstellung, Tagesabrechnung etc.).

Ordnet man dementsprechend die der Lagerung, der Auslieferung und dem Inkasso dienenden Arbeiten der werbenden Tätigkeit des Klägers zu, so entfallen, wie das Berufungsgericht entgegen der Meinung der Beklagten zutreffend berechnet hat, auch nach der von der Beklagten vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung weniger als 10 % der auf das Agenturgeschäft entfallenden Wochenarbeitszeit auf nicht-werbende („verwaltende”) Tätigkeiten.

III.

Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision der Beklagten dagegen, daß das Berufungsgericht der Verlustprognose nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB eine Abwanderungsquote von jährlich 20 % zugrunde gelegt und daraus einen Gesamtprovisionsverlust von 80 % + 60 % + 40 % + 20 % = 200 % errechnet hat. Eine derartige Schätzung der durch die Vertragsbeendigung entstehenden, ausgleichspflichtigen Provisionsverluste des Handelsvertreters ist vom Senat bereits in seinen Urteilen vom 6. August 1997 gebilligt worden (aaO unter B II 3 bzw. B I 3). Auch die vom Berufungsgericht angestellte Verlustprognose weist keinen Rechtsfehler auf.

Die der Prognose der Provisionsverluste vorangehende Frage, wie viele Stammkunden (Mehrfachkunden) nach Vertragsbeendigung jährlich abwandern, ist selbst Gegenstand einer Prognose und damit einer Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) zugänglich, die auf den Zeitpunkt der Beendigung des Handelsvertretervertrages auszurichten ist (Senatsurteil vom 6. August 1997 – VIII ZR 92/96, aaO unter B I 3 a). Maßgebend für diese Schätzung sind vorrangig die konkreten Verhältnisse während der Vertragszeit (Senatsurteil vom 26. Februar 1997 – VIII ZR 272/95, NJW 1997, 1503 unter C II 2, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 135, 14). Läßt sich die Abwanderungsquote mangels ausreichender Anhaltspunkte für die Kundenbewegungen während der Vertragszeit nicht konkret ermitteln, dann kann auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden (aaO). Aus diesem Grunde verbietet es sich, bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs Abwanderungsverluste schematisch mit einer Quote von jährlich 20 % dann anzusetzen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß im Zeitpunkt der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses aufgrund der Kundenbewegungen während der Vertragszeit oder anderer konkreter Umstände mit einer stärkeren oder geringeren Abwanderung der vom Handelsvertreter geworbenen Stammkunden zu rechnen war (Senatsurteil vom 15. September 1999 – VIII ZR 137/98, NJW-RR 2000, 109 unter II 3). Dementsprechend ist auch in den Senatsurteilen vom 6. August 1997 (aaO) eine Abwanderungsquote von 20 % nicht als unabänderlich festgeschrieben worden. Diese Quote selbst war damals nicht angegriffen (vgl. VIII ZR 92/96, aaO unter B I 3 a a.E.).

Feststellungen zu den Kundenbewegungen im Geschäftsbetrieb des Klägers während der Vertragszeit sind vom Berufungsgericht nicht getroffen worden. Die vom Berufungsgericht als Erfahrungswert zugrunde gelegte Abwanderungsquote von 20 % wird von den Tatsachengerichten und den beteiligten Verkehrskreisen in einer beträchtlichen Anzahl von Ausgleichsberechnungen zugrunde gelegt (vgl. Senatsurteile vom 6. August 1997 aaO). Sie ist auch von der Beklagten selbst in einem früheren Verfahren nicht als erfahrungswidrig angegriffen worden (Senatsurteil vom 6. August 1997 – VIII ZR 91/96, nicht veröffentlicht). Auch im vorliegenden Rechtsstreit ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht seiner Verlustprognose diesen Erfahrungswert zugrunde gelegt hat. Denn konkrete Anhaltspunkte dafür, daß an der Tankstelle des Klägers mit höheren Abwanderungsverlusten zu rechnen war, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der von der Beklagten unter Beweis gestellten Behauptung, daß Preiserhöhungen bei bestimmten Konstellationen zu Absatzverlusten an einzelnen Tankstellen von bis zu 25 % führen können, brauchte das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision nicht nachzugehen. Denn die zeitweilige Kundenfluktuation zwischen verschiedenen Tankstellen infolge von Preisschwankungen ist nicht gleichzusetzen mit der dauerhaften Abwanderung von Stammkunden, um die es bei der Verlustprognose nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB geht. Auch ist nicht zu ersehen, inwiefern hinsichtlich der Abwanderungsquote, wie die Revision meint, zwischen „echten Stammkunden”, bei denen auch die Revision eine Abwanderungsquote von 20 % weiterhin nicht in Frage stellen will, und „Mehrfachkunden”, bei denen sie eine höhere Abwanderungsquote behauptet, zu unterscheiden sei.

IV.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs um 10 % aus Billigkeitsgründen (§ 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB) wegen der „Sogwirkung”, welche die Marke der Beklagten auf den Kaufentschluß des Kunden ausübe, weist keinen Rechtsfehler auf.

1. Die Abwägung der Ursächlichkeit von werbender Tätigkeit des Händlers oder Handelsvertreters einerseits und der „Sogwirkung” der Marke, die der Verkaufsförderung durch den Unternehmer selbst zuzurechnen ist, gehört zum Kernbereich tatrichterlichen Schätzungsermessens im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB (Senatsurteile vom 26. Februar 1997, aaO, unter C I 4 und 5. Juni 1996 – VIII ZR 141/95, NJW 1996, 2298 unter B I 3).

Der vom Berufungsgericht in Ansatz gebrachte Billigkeitsabschlag von 10 % wegen des positiven Einflusses der Marke der Beklagten auf den Kaufentschluß des Tankkunden bewegt sich im Rahmen des tatrichterlich Vertretbaren. Soweit die Revision der Beklagten demgegenüber meint, angemessen sei wegen des besonders hohen Bekanntheitsgrades der Marke der Beklagten ein Billigkeitsabschlag von 50 %, setzt sie nur ihre Auffassung an die Stelle der tatrichterlichen Beurteilung, ohne Rechtsfehler der Schätzung des Berufungsgerichts aufzuzeigen. Das gleiche gilt für die Revision des Klägers, die der Auffassung ist, Kraftstoffmarken besäßen keine „Sogwirkung”.

2. Ohne Erfolg rügt der Kläger, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB nicht dazu Stellung genommen, daß der Kläger von 1970 bis 1992 für die Tankstelle H. -Allee Kunden geworben habe, ohne dafür einen Ausgleich nach § 89 b HGB zu erhalten. Darauf brauchte das Berufungsgericht nicht einzugehen, weil dieser Umstand ohne näheren Vortrag des Klägers dazu, aus welchen Gründen die Zahlung eines Ausgleichs für seine frühere Tätigkeit unterblieben ist, bei der Billigkeitsprüfung zugunsten des Klägers nicht zu berücksichtigen war.

Auch im übrigen zeigt die Revision des Klägers keinen Sachvortrag auf, den das Berufungsgericht bei der Billigkeitsprüfung zu seinen Lasten übergangen hätte. Ob der Kläger für die Übernahme des Kundenstamms aus dem Shop-, Wasch- und Service-Geschäft durch die Beklagte einen Ausgleich beanspruchen kann, richtet sich nach den gesetzlichen Voraussetzungen des § 89 b HGB, beeinflußt aber nicht die Billigkeit des dem Kläger zustehenden Ausgleichsanspruchs aus seiner Agenturtätigkeit für die Beklagte. Ohne Bedeutung ist dafür auch die Höhe der vom Kläger gezahlten Tankstellenpacht.

V.

Schließlich bleiben auch die Angriffe der Revision der Beklagten gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Abzinsung des Ausgleichsbetrages ohne Erfolg.

Nicht zu beanstanden ist, daß das Berufungsgericht die Abzinsung nach der Multifaktoren-Formel von Gillardon berechnet hat. Soweit sich die Revision gegen diese Berechnungsmethode des Berufungsgerichts wendet und geltend macht, anstelle der Multifaktoren-Formel von Gillardon sei die sogenannte Hoffmann'sche Formel (vgl. BGHZ 115, 307, 310) anzuwenden, verkennt sie, daß es für die Berechnung der Abzinsung keine allgemein gültige Formel gibt. Jede Berechnung eines Abzinsungsbetrags führt nur zu einem Annährungswert, dessen Maßgeblichkeit der Tatrichter wie bei einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu beurteilen hat (Senatsurteil vom 6. August 1997 – VIII ZR 92/96, NJW 1998, 71 unter B I 4). Daß das Berufungsgericht bei der Auswahl der angewandten Abzinsungsmethode das ihm bei einer Schätzung nach § 287 ZPO eingeräumte Ermessen überschritten hätte, zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere trifft es nicht zu, daß eine Abzinsung nach der Multifaktoren-Formel von Gillardon – wie die Revision meint – der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes widerspräche. Der Bundesgerichtshof hat stets betont, daß der Tatrichter unter den in der Praxis gebräuchlichen Abzinsungsmethoden frei wählen kann, und dementsprechend bislang nicht nur die Anwendung der Hoffmann'schen Formel gebilligt (BGHZ 115, 307, 310; Senatsurteil vom 8. Juli 1998 – VIII ZR 142/97, nicht veröffentlicht), sondern auch die Berechnungsweise nach Gillardon (Senatsurteile vom 6. August 1997, aaO unter B II 5 bzw. B I 4).

VI.

Das Berufungsurteil ist auf die Revision des Klägers insoweit aufzuheben und abzuändern, als das Berufungsgericht Provisionen für Umsätze mit Inhabern der Kundenkarte der Beklagten nicht in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs einbezogen hat (oben unter I). Der Senat konnte gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F. (§ 26 Nr. 7 EGZPO) in der Sache selbst entscheiden, weil die Höhe der darauf entfallenden Provisionen nach dem Berufungsurteil unstreitig und die Sache deshalb zur Endentscheidung reif ist. Danach steht dem Kläger ein Ausgleichsanspruch in folgender Höhe zu:

Jahresprovision 1997

117.179,87 DM

abzügl. 10% Verwaltungsanteil

11.717,99 DM

ergibt

105.461,88 DM

davon 58,4% Stammkundenprovisionsanteil

61.589,74 DM

× 200% Verlustprognose

123.179,47 DM

nach Billigkeitsabzug von 10% verbleiben

110.861,53 DM

abgezinst um 5% über 4 Jahre

100.290,42 DM

zzgl. 16% MwSt.

16.046,47 DM

Ausgleichsanspruch insgesamt

116.336,89 DM

Von diesem Ausgleichsanspruch, der unterhalb der Grenze des § 89 b Abs. 2 HGB verbleibt, steht dem Kläger nach Abzug des von der Beklagten bereits gezahlten Betrages von 80.500 DM noch ein Restanspruch in Höhe von 35.836,89 DM zu.

 

Unterschriften

Dr. Deppert, Ball, Wiechers, Dr. Wolst, Dr. Frellesen

 

Fundstellen

BB 2002, 2151

DB 2002, 2321

BGHR 2002, 1089

NJW-RR 2002, 1548

EWiR 2002, 1011

Nachschlagewerk BGH

StuB 2003, 45

WM 2003, 491

ZAP 2002, 1211

MDR 2002, 1381

VersR 2003, 242

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