Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

a) Ansprüche eines Gesellschafters wegen Aufwendungsersatzes gemäß § 110 HGB können während des Bestehens der Gesellschaft nur gegen diese, nicht auch gegen die einzelnen Gesellschafter geltend gemacht werden.

b) Hat ein Gesellschafter auf Grund seiner persönlichen Haftung einen Gesellschaftsgläubiger befriedigt, so richtet sich sein Erstattungsanspruch in erster Linie gegen die Gesellschaft. Subsidiär kann er aber auch die einzelnen Mitgesellschafter in Anspruch nehmen; diese haften ihm nicht gesamtschuldnerisch, sondern einzeln in Höhe ihrer Verlustbeteiligung (Haftung pro rata).

 

Normenkette

HGB §§ 128, 110; BGB § 707

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe

LG Offenburg

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe mit Sitz in Freiburg vom 3. November 1960 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien waren zuletzt die einzigen Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, die durch Beschluß der Gesellschafter vom 15. März 1955 aufgelöst worden ist. Der Kläger war Kommanditist, der Beklagte persönlich haftender Gesellschafter. Liquidator ist der Dipl. Volkswirt W….

Die Liquidation ist noch nicht abgeschlossen. Der Kläger hat, vorgetragen, er habe auf Verlangen der Stadt rückständige Gewerbesteuer der Gesellschaft in Höhe von 7.845,89 DM gezahlt. Er verlangt mit der Klage vom Beklagten Erstattung dieses Betrages. Er hat sein Klagebegehren damit begründet, er habe diese Aufwendungen im Interesse der Gesellschaft gemacht. Es sei ihm unmöglich, von der Gesellschaft selbst Ersatz zu erhalten, denn die Liquidation der Gesellschaft sei praktisch abgeschlossen, und es seien sämtliche Vermögenswerte bereits zwischen den Parteien aufgeteilt.

Der Beklagte vertritt demgegenüber die Meinung, der Kläger könne sich mit seinem Erstattungsanspruch nur an die Gesellschaft, nicht aber an ihn – den Beklagten – halten. Von der Gesellschaft könne der Kläger auch Befriedigung erhalten, da die Liquidation noch nicht abgeschlossen sei. Im übrigen habe er selbst für die Gesellschaft Aufwendungen in Höhe von 26.000 DM erbracht; diese könne er dann auch zur Aufrechnung stellen. Daraus werde deutlich, daß das Vorgehen des Klägers auf eine vorzeitige Teilauseinandersetzung im Prozeßweg hinauslaufe, die vor Abschluß der Liquidation unzulässig sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während der Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht ist der für Meinung, daß unbeschadet der steuerrechtlichen Handhabung, die für Gewerbesteuer auch den Kommanditisten unmittelbar als Steuerschuldner betrachte, bei den hier gegebenen Verhältnissen die Gewerbesteuerschuld im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern in erster Linie als Gesellschaftsschuld zu betrachten sei. Daher sei die Zahlung der Gewerbesteuer durch den Kläger eine Aufwendung im Sinn des § 110 HGB gewesen, womit für ihn die Gesellschaft und mit ihr der Beklagte nach § 128 HGB auf Ersatz hafte. Diesen Anspruch könne der Kläger während des Bestehens der Gesellschaft gegen den Beklagten nur geltend machen, falls er von der Gesellschaft selbst keine Befriedigung zu erlangen vermöge. Daran habe sich durch die Auflösung der Gesellschaft nichts geändert, da die dargelegten Rechtsgrundsätze auch für das Liquidationsstadium gelten.

Des weiteren stellt das Berufungsgericht fest, daß nach der vorgelegten Bilanz des Liquidators die Gesellschaft entgegen der Meinung des Landgerichts noch Vermögen habe, aus dem sich der Kläger befriedigen könne. Ohne Berücksichtigung der Kapitalkonten der beiden Gesellschafter ergebe sich ein Überschuß der Aktiven über die Passiven von rund 38.000 DM; dabei bestehe der Hauptposten der Aktiven aus einer Forderung der Gesellschaft gegen den Beklagten in Höhe von 75.000 DM.

Diese Ausführungen sind, wie die Revision mit Recht rügt, in mehrfacher Hinsicht nicht haltbar.

1. Es entspricht heute einer gefestigten Auffassung im Schrifttum, daß Ansprüche eines Gesellschafters wegen Aufwendungsersatz gemäß § 110 HGB während des Bestehens der Gesellschaft nur gegen die Gesellschaft, nicht auch gegen die einzelnen Gesellschafter geltend gemacht werden können. Das gilt auch dann, wenn der berechtigte Gesellschafter keine Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen zu erlangen vermag (Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft S. 166/67; Weipert, HGB-RGRK § 110 Anm. 23; Geßler, HGB § 128 Anm. 24). Für eine solche Gesellschaftsverbindlichkeit haften die Gesellschafter nicht nach § 128 HGB. Das ist auch innerlich gerechtfertigt, weil sonst durch eine solche Haftung die Vorschrift des § 707 BGB im weiten Umfang gegenstandslos werden würde. Das aber geht nicht an, denn kein Gesellschafter kann während des Bestehens der Gesellschaft gegen seinen Willen gezwungen werden, über seine versprochene Einlage hinaus weitere Beiträge für die Gesellschaft zu leisten (BGH LM Nr. 7 zu § 128 HGB; BGB-RGRK § 705 Anm. 24). Den insoweit abweichenden Ausführungen des Berufungsgerichts kann daher nicht gefolgt werden.

2. Im Schrifttum besteht heute des weiteren auch darüber Übereinstimmung, daß von dem vorstehenden Grundsatz eine Ausnahme zu machen ist, nämlich dann, wenn ein Gesellschafter von einem Gesellschaftsgläubiger gemäß § 128 HGB in Anspruch genommen worden ist und daraufhin eine Gesellschaftsverbindlichkeit getilgt hat. In einem solchen Fall wäre es nicht gerechtfertigt, dem betreffenden Gesellschafter den Rückgriff gegen seine Mitgesellschafter zu versagen, wenn er von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen kann. Denn jeder seiner Mitgesellschafter hätte wie er von dem Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommen werde können und hätte dann wie dieser den Gesellschaftsgläubiger befriedigen müssen. Der Zufall, welcher Gesellschafter – dieser oder jener – auf Verlangen des Gesellschaftsgläubigers zahlen muß, rechtfertigt es nicht, daß der in Anspruch Genommene nunmehr zunächst eine Erstattung von seinen Mitgesellschaftern nicht verlangen kann. Vielmehr erfordert es die Gerechtigkeit, daß jeder seiner Mitgesellschafter den Teil des verauslagten Betrages zu erstatten hat, der nach dem Gesellschaftsvertrag auf den einzelnen Gesellschafter entfällt. Dem steht auch nicht der Grundsatz des § 707 BGB entgegen, da die persönliche Haftung des Gesellschafters für die Gesellschaftsverbindlichkeiten neben der gesellschaftsvertraglich festgelegten Beitragspflicht steht und die Erstattungspflicht im Verhältnis unter den Gesellschaftern die mittelbare Folge dieser persönlichen Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern darstellt. Das alles entspricht, wie bereits hervorgehoben, heute einer gefestigten Auffassung im Schrifttum (vgl. etwa Hueck a.a.O. S. 167; Weipert § 110 Anm. 24; Geßler § 128 Anm. 28; BGB-RGRK § 705 Anm. 25; Staudinger-Kessler § 705 Anm. 71).

Die Mitgesellschafter sind dem Gesellschafter, der eine Gesellschaftsverbindlichkeit gezahlt hat, allerdings nur erstattungspflichtig, sofern dieser keine Befriedigung, aus dem Gesellschaftsvermögen erlangen kann. Denn nur wenn eine solche Befriedigung nicht möglich ist, ist ein solcher Erstattungsanspruch gerechtfertigt. im Verhältnis unter den Gesellschaftern ist es in erster Linie von Bedeutung, daß die Gesellschaftsverbindlichkeiten grundsätzlich aus der Gesellschaftskasse zu begleichen sind und daß sich deshalb der einzelne Gesellschafter wegen seines Erstattungsanspruchs zunächst auch an die Gesellschaftskasse halten muß. Die Haftung der Mitgesellschafter ist somit eine subsidiäre.

3. Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung trotz seines unrichtigen Ausgangspunkts die vorstehenden Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt. Insoweit ist gegen seine Ausführungen nichts einzuwenden.

Dagegen bestehen gegen die weiteren Darlegungen des Berufungsgerichts durchgreifende Bedenken, nämlich soweit es den Erstattungsanspruch des Klägers verneint, weil er sich aus dem Gesellschaftsvermögen befriedigen könnte. Einen Überschuß der Aktiven über die Passiven in Höhe von etwa 38.000 DM bejaht das Berufungsgericht nur deshalb, weil es eine Forderung der Gesellschaft gegen den Beklagten in Höhe von 75.000 DM als bestehend ansieht. Ohne diese Forderung würde auch nach der Ansicht des Berufungsgerichts ein für die Befriedigung des Klägers ausreichendes Gesellschaftsvermögen nicht vorhanden sein.

Bei dieser Sachlage kann ein unmittelbarer Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten nicht verneint werden. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger müsse seine Befriedigung aus der Forderung der Gesellschaft gegen über dem Beklagen suchen, beruht auf einer rein formalen Betrachtung, die den Zweck, weshalb der Erstattungsanspruch des von einem Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommenen Gesellschafters gegen seine Mitgesellschafter ein subsidiärer ist, völlig außer acht läßt. Durch den subsidiären Charakter des Erstattungsanspruchs soll der einzelne Mitgesellschafter davor geschützt werden, aus seinem Privatvermögen etwas zu zahlen, wenn die Gesellschaft zur Befriedigung selbst imstande ist. Eines solchen Schutzes bedarf es in einem Fall der vorliegenden Art nicht, in dem der Beklagte ohnehin zur Zahlung aus seinem Privatvermögen verpflichtet ist. Hinzu kommt, daß die Ansicht des Berufungsgerichts zu einem recht umständlichen Verfahre nötigt, da der Kläger danach zunächst gegen die Gesellschaft vorgehen und notfalls die Gesellschaftsforderung pfänden müßte, um dann erst von dem Beklagten Befriedigung verlangen zu können. Praktisch unsinnig wird dieses Verfahren, wenn, wie hier, unterstellt werden muß, daß die Forderung der Gesellschaft bestritten wird und es erst einer schwierigen Beweisaufnahme bedarf, um das Bestehen oder das Nichtbestehen der Gesellschaftsforderung festzustellen. Dabei ist es bemerkenswert, daß all diese Schwierigkeiten und Komplikationen in keinem Fall an dem Ergebnis, daß Beklagte aus seinem Privatvermögen zahlen muß, etwas zu ändern vermögen. Denn diese Zählungspflicht besteht, gleichgültig, ob die Gesellschaft eine Forderung gegen den Beklagten hat oder nicht.

4. Wenn somit der Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden kann, so ist es gleichwohl doch noch nicht möglich, über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch abschließend zu entscheiden.

In dieser Hinsicht ist es von wesentlicher Bedeutung, daß die Gesellschaft der Parteien aufgelöst ist und sich im Abwicklungsstadium befindet. In diesem Stadium können die einzelnen auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Ansprüche gegen die Gesellschaft grundsätzlich nicht mehr selbständig geltend gemacht werden, sie sind vielmehr in diesem Stadium unselbständige Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung (BGH LM Nr. 2, 4 zu § 730 BGB). Diese Veränderung der gegen die Gesellschaft gerichteten Ansprüche infolge der Auflösung der Gesellschaft muß auch für einen Erstattungsanspruch der hier in Betracht kommenden Art von Bedeutung sein. Denn insoweit kommen die gleichen Gesichtspunkte zum Tragen, die für die rechtliche Veränderung der gegen die Gesellschaft gerichteten Ansprüche maßgeblich sind. Denn es wäre mit Rücksicht auf die Aufgabe, die der Auseinandersetzungsrechnung für das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern zukommt, nicht gerechtfertigt, daß der eine Gesellschafter einen einzelnen auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Anspruch gegen einen Mitgesellschafter geltend machen könnte, wenn es noch offen ist, ob dieser Gesellschafter am Ende der Auseinandersetzung überhaupt noch einen Ausgleichsanspruch gegen seinen Mitgesellschafter hat. Sinn und Zweck der Auseinandersetzung und der Auseinandersetzungsrechnung erfordern es daher auch im Verhältnis der Gesellschafter zueinander, daß ein Erstattungsanspruch der hier in Betracht kommenden Art im Abwicklungsstadium grundsätzlich nicht mehr selbständig gegen den einzelnen Gesellschafter geltend gemacht, daß er vielmehr nur noch im Rahmen der Auseinandersetzungsrechnung berücksichtigt werden kann.

Wie der erkennende Senat bereits wiederholt hervorgehoben hat, muß gegenüber dem vorstehenden Grundsatz eine Ausnahme zugelassen werden, wenn schon vor Beendigung der Auseinandersetzung mit Sicherheit feststeht, daß der eine Gesellschafter jedenfalls einen bestimmten Betrag verlangen kann (vgl. BGH LM Nr. 7 zu § 138 HGB; WM 1961, 323; Urt. v. 29. März 1962 – II ZR 162/60). Diese Ausnahme muß auch gelten, wenn ein Gesellschafter im Abwicklungsstadium einen Erstattungsanspruch gegen seinen Mitgesellschafter geltend macht, weil er aus dem Gesellschaftsvermögen keine Befriedigung zu erlangen vermag. Steht im Zeitpunkt der Geltendmachung dieses Anspruchs bereits mit Sicherheit fest, daß der erstattungsberechtigte Gesellschafter mindestens in Höhe dieses Anspruchs von seinem Mitgesellschafter Ausgleich verlangen kann, dann muß er auch schon in der Lage sein, diesen Anspruch durchzusetzen. Insoweit gelten die gleichen Erwägungen, die für die Zulassung der Ausnahme in den vorstehend genannten Entscheidungen des erkennenden Senats maßgeblich waren.

Ob die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer solchen Ausnahme, die den Kläger bereits vor Beendigung der Auseinandersetzung zur selbständigen Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs berechtigen würde, hier gegeben sind, kann von dem erkennenden Senat noch nicht beurteilt werden. Insoweit fehlen die noch notwendigen tatrichterlichen Feststellungen.

Nach alldem muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

 

Fundstellen

BGHZ 37, 299

BGHZ, 299

NJW 1962, 1863

NJW 1962, 2148

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