Entscheidungsstichwort (Thema)

Aktien der Gesellschafter einer mit der AG in Geschäftsbeziehung stehenden Personengesellschaft als Sonderbetriebsvermögen

 

Leitsatz (amtlich)

Aktien im Privatvermögen der Gesellschafter einer Personengesellschaft, die mit der AG in Geschäftsbeziehungen steht, dienen nicht der Begründung oder Stärkung der Beteiligung der Gesellschafter an der Personengesellschaft, wenn die Gesellschafter die AG zwar beherrschen, die Geschäftsbeziehungen zwischen der Personengesellschaft und der AG aber von geringer Bedeutung für die Personengesellschaft sind und die AG neben dem Vertrieb der Erzeugnisse der Personengesellschaft in erheblichem Umfang anderweitig geschäftlich tätig ist (Anschluß an BFH-Urteil vom 28.Juni 1989 II R 242/83, BFHE 157, 443, BStBl II 1989, 824).

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Sie stellt .... her und vertreibt sie. Gesellschafter der Klägerin waren bis zum Jahre 1970 --z.T. als persönlich haftende Gesellschafter, z.T. als Kommanditisten-- die Beigeladenen und Revisionskläger zu 2 bis 8 bzw. deren Rechtsvorgänger (Altgesellschafter).

1958 schloß die Klägerin mit einer zur A-Gruppe in den USA gehörenden Gesellschaft einen Exklusivvertrag mit zehnjähriger Kündigungsfrist über den Vertrieb ihrer Produkte in den USA. 1965 beteiligte sich die Klägerin an der Gründung einer neuen Gesellschaft der A-Gruppe mit 34 v.H. Sie schloß mit dieser Gesellschaft einen 99 Jahre laufenden Lizenzvertrag über die Herstellung und den Vertrieb ihrer .... 1969 begannen Kooperationsverhandlungen zwischen der Klägerin und der B AG, die ebenfalls .... herstellt und vertreibt. Die B war auch an einer Gesellschaft der A-Gruppe mit 50 v.H. beteiligt.

Im Februar 1970 erwarben die Klägerin und die B zu je 50 v.H. die Anteile an der A-Gruppe. Die B verpflichtete sich, für den Fall, daß es nicht zu ihrer Beteiligung an der Klägerin komme, ihre Anteile an der A-Gruppe auf die Klägerin oder einen von dieser zu benennenden Dritten zu übertragen. Die Klägerin hielt ihre Anteile an der A-Gruppe zunächst im Betriebsvermögen. Noch im Jahr 1970 wurde die A-Gruppe mit der C Inc. (im folgenden: C) fusioniert, einer AG nach dem Recht eines Staates der USA.

Am 30.Juni 1970 verkauften die Altgesellschafter 50 v.H. ihrer Beteiligung an der Klägerin an die B, die mit Wirkung vom 1.Juli 1970 weitere Kommanditistin der Klägerin wurde. Kurz vor Eintritt der B übertrug die Klägerin ihre Anteile an der C auf ihre Altgesellschafter zum Anschaffungspreis. Die C-Aktien wurden als Privatvermögen der Altgesellschafter behandelt. Innerhalb der Klägerin sollte zwischen den Altgesellschaftern und der neueintretenden B ein gleich großes Beteiligungsverhältnis an der C bestehen. Dies wäre nicht zu verwirklichen gewesen, wenn die B neben ihrer unmittelbaren Beteiligung von 50 v.H. an der C über die Gesellschafterstellung bei der Klägerin mittelbar an der anderen Hälfte der C-Aktien beteiligt gewesen wäre. Am 1.Juli 1970 wurde für die Klägerin ein neuer Gesellschaftsvertrag geschlossen, der durch strenge Parität zwischen den Altgesellschaftern und der B gekennzeichnet ist.

Die Altgesellschafter gründeten am 1.Juli 1970 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), in die sie die ihnen verbliebenen Anteile an der Klägerin von 50 v.H. und die Anteile an der C von 50 v.H. zur gemeinsamen Vermögensverwaltung einbrachten. Da die GbR nicht Gesellschafterin der Klägerin sein konnte, wurde zwischen dieser und den Altgesellschaftern ein Treuhandverhältnis vereinbart. 1971 übertrug die GbR die Anteile an der C wieder auf die Altgesellschafter.

In den Streitjahren lag der Anteil der Umsätze mit Lizenzprodukten der Klägerin um 50 v.H. des Gesamtumsatzes der C Die Einnahmen der Klägerin aus Lizenzfertigungen der C machten jedoch weniger als 1 v.H. des Gesamtumsatzes der Klägerin aus. Der Gewinnanteil der Klägerin aus dem USA-Geschäft betrug 1 bis 3 v.H. des Gesamtgewinns.

Nach einer Betriebsprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die den Altgesellschaftern gehörenden C-Aktien als Sonderbetriebsvermögen. Er erließ Feststellungsbescheide über den Gewinn aus Gewerbebetrieb, und zwar für 1970 in Höhe von ... DM (Änderungsbescheid), für 1971 in Höhe von ... DM (Erstbescheid) und für 1972 in Höhe von ... DM (Erstbescheid). In diesen Werten sind die Einnahmen der Altgesellschafter aus der C enthalten, und zwar 1970 in Höhe von ... DM, 1971 in Höhe von ... DM und in 1972 in Höhe von ... DM. Das FA erließ weiter Feststellungsbescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1.Januar 1971, 1972 und 1973, in denen die Aktien der Altgesellschafter an der C ebenfalls enthalten waren.

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin mit der Begründung Klage, die Aktien an der C seien Privatvermögen der Altgesellschafter. Das Finanzgericht (FG) hat die Altgesellschafter und die B beigeladen. Es hat die Klage abgewiesen. Es war der Auffassung, bei den C-Aktien im Eigentum der Altgesellschafter handele es sich um notwendiges Betriebsvermögen der Klägerin, das als Sonderbetriebsvermögen dieser Gesellschafter zu behandeln sei.

Mit der Revision fechten die Klägerin und die Altgesellschafter das FG-Urteil an und verfolgen das Klagebegehren weiter. Sie rügen Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die im Eigentum der Altgesellschafter stehenden C-Aktien seien dem gewerblichen Betrieb der Klägerin weder gewidmet noch bestehe ein Sachzusammenhang, aus dem sich objektiv ergebe, die Aktien seien zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt. Die Aktien dienten auch nicht unmittelbar der Begründung oder Stärkung der Beteiligung der Altgesellschafter.

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Gewinnfeststellungsbescheide dahingehend abzuändern, daß für 1970 ein Gewinn in Höhe von ... DM, für 1971 in Höhe von ... DM und für 1972 in Höhe von ... DM festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält daran fest, daß die Aktien der Altgesellschafter an der C notwendiges Sonderbetriebsvermögen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG- Urteils und der Einspruchsentscheidung und zur Herabsetzung der Gewinne in dem von der Klägerin begehrten Umfang.

1. Zum notwendigen Betriebsvermögen, das der Ermittlung der Einkünfte der Gesellschafter von Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) gemäß § 15 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugrunde zu legen ist, gehört außer dem in der Steuerbilanz erfaßten Gesellschaftsvermögen das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter (Mitunternehmer).

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (vgl. Urteil vom 6.Mai 1986 VIII R 160/85, BFHE 147, 313, BStBl II 1986, 838) handelt es sich hierbei um Wirtschaftsgüter, die einem Gesellschafter gehören und entweder in einem gewissen Zusammenhang mit dem Betrieb der Gesellschaft stehen (Sonderbetriebsvermögen I) oder in gewisser Weise der Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft förderlich sind (Sonderbetriebsvermögen II).

Beim Sonderbetriebsvermögen I handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb der Gesellschaft unmittelbar dienen, und zwar dergestalt, daß sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind (BFH-Urteile vom 13.Mai 1976 IV R 4/75, BFHE 119, 256, BStBl II 1976, 617; vom 12.Oktober 1977 I R 248/74, BFHE 123, 478, BStBl II 1978, 191, m.w.N.). Dazu gehören insbesondere solche Wirtschaftsgüter, die ein Gesellschafter der Gesellschaft zur betrieblichen Nutzung überläßt (BFH-Urteile vom 2.Dezember 1982 IV R 72/79, BFHE 137, 323, BStBl II 1983, 215; vom 14.April 1988 IV R 271/84, BFHE 153, 125, BStBl II 1988, 667; vom 13.September 1988 VIII R 236/81, BFHE 154, 358, BStBl II 1989, 37).

Eine Zurechnung von Wirtschaftsgütern zum Sonderbetriebsvermögen II setzt voraus, daß die Wirtschaftsgüter unmittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des Gesellschafters an der Gesellschaft eingesetzt werden (BFH-Urteile vom 15.Oktober 1975 I R 16/73, BFHE 117, 164, BStBl II 1976, 188; vom 11.Oktober 1979 IV R 125/76, BFHE 129, 40, 43, BStBl II 1980, 40, m.w.N.; vom 6.Oktober 1987 VIII R 137/84, BFHE 152, 446, BStBl II 1988, 679; in BFHE 153, 125, BStBl II 1988, 667). Die Rechtsprechung des BFH zählt hierzu insbesondere die Anteile der Kommanditisten einer GmbH & Co. KG an der Komplementär-GmbH (vgl. BFHE 117, 164, BStBl II 1976, 188; Urteile vom 13.Mai 1976 IV R 4/75, BFHE 119, 256, BStBl II 1976, 617; vom 5.Dezember 1979 I R 184/76, BFHE 129, 169, BStBl II 1980, 119; vom 12.November 1985 VIII R 286/81, BFHE 145, 62, BStBl II 1986, 55; vom 6.Juli 1989 IV R 62/86, BFHE 157, 551, BStBl II 1989, 890). Die GmbH-Anteile stärken die Stellung des Kommanditisten deshalb, weil der Kommanditist durch die Wahrnehmung seiner Rechte aus der Beteiligung an der Komplementär-GmbH die Möglichkeiten seiner Einflußnahme auf die KG erweitert (BFHE 153, 125, BStBl II 1988, 667).

2. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für die Annahme von Sonderbetriebsvermögen nicht vor.

Eine Widmung der Wirtschaftsgüter für den Betrieb der Klägerin scheidet aus. Die Wirtschaftsgüter waren der KG nicht zur Nutzung überlassen (§ 15 Abs.1 Nr.2 EStG). Es kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Anteile an der C der Beteiligung der Gesellschafter an der KG zu dienen bestimmt gewesen sind. Die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens entfällt, weil die Aktien an der C nicht durch einen zeitnahen Akt dem Sonderbetriebsvermögen zugeordnet worden sind. Es steht daher nur zur Erörterung, ob die Wirtschaftsgüter in der Form notwendigen Sonderbetriebsvermögens unmittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung an der Klägerin eingesetzt worden sind.

3. Der III.Senat des BFH hat für die Beteiligung im Eigentum der Kommanditisten einer GmbH & Co. KG an der Komplementär-GmbH entschieden, daß die Anteile nur dann Betriebsvermögen sind, wenn die GmbH sich auf die Geschäftsführertätigkeit beschränkt oder wenn ein daneben bestehender eigener Geschäftsbetrieb nur von ganz untergeordneter Bedeutung ist (Urteil vom 7.Dezember 1984 III R 91/81, BFHE 143, 93, BStBl II 1985, 241). Der II.Senat des BFH hat sich dieser Auffassung in den Urteilen vom 7.Mai 1986 II R 137/79 (BFHE 147, 70, 78, BStBl II 1986, 615) und vom 7.Oktober 1987 II R 187/80 (BFHE 151, 15, BStBl II 1988, 23) angeschlossen. In der Parallelsache der Klägerin wegen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens hat der II.Senat im Urteil vom 28.Juni 1989 II R 242/83 (BFHE 157, 443, BStBl II 1989, 824) die Auffassung vertreten, daß dieser Grundsatz auch im Verhältnis einer Produktions-Personengesellschaft zu einer Vertriebs-Kapitalgesellschaft für die Anteile im Eigentum der Gesellschafter der Personengesellschaft gilt, wenn die Geschäftsverbindung aus der Sicht der Produktionsgesellschaft nur von geringer Bedeutung ist und die Vertriebsgesellschaft neben dem Vertrieb der Erzeugnisse der Produktionsgesellschaft noch in erheblichem Umfang anderweitig geschäftlich tätig ist. Die Beherrschung der Kapitalgesellschaft durch die Gesellschafter der Personengesellschaft verliert dadurch an betrieblicher Bedeutung für die Personengesellschaft.

4. Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, sondern auch für die Gewinnermittlung. Der erkennende Senat ist hiervon bereits in BFHE 145, 62, 67, BStBl II 1986, 55, 57 ausgegangen. Im Schrifttum wird diese Auffassung ebenfalls vertreten (z.B. Söffing in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 15 Anm.351; Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 15 Anm.79 b; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 6.Aufl., § 11 II 2, S.337; Döllerer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1985, 295, 299; Schulze zur Wiesche in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 15 Rz.373 ff.). Zwar wird in der zur Einheitsbewertung des Betriebsvermögens ergangenen Rechtsprechung hinsichtlich der Annahme von Sonderbetriebsvermögen II nicht darauf abgestellt, daß die Anteile an der Kapitalgesellschaft zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des betreffenden Gesellschafters an der Personengesellschaft dienen. Ausgehend von § 95 Abs.1 des Bewertungsgesetzes wird hier gefordert, daß die Anteile in den Händen der Gesellschafter dem Betrieb der Personengesellschaft als Hauptzweck dienen. Der Senat sieht hierin jedoch keinen Grund, der eine unterschiedliche Behandlung von Sonderbetriebsvermögen II bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens und im Einkommensteuerrecht rechtfertigen könnte.

5. Die Rechtsauffassung unter Nr.3 schließt nicht aus, daß sich in besonderen Fällen aus

- dem Zusammenwirken der Bedeutung der Kapitalgesellschaft für den Absatz der Erzeugnisse der Personengesellschaft und

- dem Maß der Einflußnahmemöglichkeit auf deren Geschäftstätigkeit über die Beteiligungen der Gesellschafter der Personengesellschaft

ergeben kann, die Anteile in Händen der Gesellschafter der Personengesellschaft dienen zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des betreffenden Gesellschafters an der Personengesellschaft (vgl. BFH-Urteile vom 29.Oktober 1986 II R 226/82, BFHE 148, 72, BStBl II 1987, 99; in BFHE 157, 443, BStBl II 1989, 824; in BFHE 157, 551, BStBl II 1989, 890).

Eine derartige Lage ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht gegeben, weil die Klägerin nur einen ganz geringen Anteil ihrer Erzeugnisse über die C am US-Markt absetzen läßt und die Vertriebsgesellschaft neben dem Vertrieb der Erzeugnisse der Klägerin einen erheblichen eigenen Geschäftsbetrieb unterhält. Unter diesen Umständen kann auch die Beteiligung von 100 v.H. der Gesellschafter der Klägerin an der C nicht dazu führen, daß diese Beteiligung als Sonderbetriebsvermögen anzusehen ist.

6. Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 23.Januar 1980 werden aufgehoben und die Feststellungsbescheide 1970, 1971 und 1972 --alle vom 22.März 1974-- abgeändert. Die Höhe der Erträge der Altgesellschafter der Klägerin aus der C sind unstreitig, so daß die Gewinne der Klägerin für die genannten Jahre entsprechend dem Antrag der Klägerin festzustellen sind. Die Feststellung der Gewinnanteile der einzelnen Altgesellschafter wird gemäß Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit dem FA übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62545

BStBl II 1990, 677

BFHE 159, 434

BFHE 1990, 434

BB 1990, 1041

BB 1990, 1041-1042 (LT)

DB 1990, 1114-1115 (LT)

DStR 1990, 349 (K)

HFR 1990, 424 (LT)

StE 1990, 178 (K)

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