Leitsatz (amtlich)

Wird bei der Veräußerung eines Ausflugslokals (Grundstück mit Gebäude und Inventar) ein Teil des Entgelts für einen sog. Geschäftswert gezahlt, der nicht eindeutig irgendeinen bestimmten immateriellen Wert abgilt, muß ein solcher Geschäftswert in dem Verhältnis aufgeteilt werden, in dem Grundstück und Inventar zueinander stehen. Die so errechneten Teile sind zum Zwecke der Ermittlung der Gegenleistung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG den gemeinen Werten von Grundstücken und Inventar hinzuzurechnen.

 

Normenkette

GrEStG § 11 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin hat 25,94 Ar große, mit einer Gartenwirtschaft bebaute Grundstücke erworben. Laut notariellem Vertrag betrug der Kaufpreis 100 000 DM. Das FA setzte dementsprechend die Grunderwerbsteuer auf 7 000 DM fest. Ermittlungen der Steuerfahndung ergaben, daß als Kaufpreis für Grundstücke und Inventar 200 000 DM gezahlt worden waren.

Das FA ging von einem Neuwert des Inventars (ohne Kegelbahn) von 22 214 DM aus und schätzte, daß von dem Gesamtkaufpreis (von 200 000 DM) 175 000 DM als Gegenleistung für die Grundstücke und 25 000 DM für das Inventar einschließlich Kegelbahn gezahlt worden seien. Es setzte die Grunderwerbsteuer auf 12 250 DM fest.

Auf die Berufung setzte das FG die Grunderwerbsteuer von 12 250 DM auf 11 877,60 DM herab. Das Gericht schätzte die einzelnen Wirtschaftsgüter des Inventars. Die Summe dieser Werte betrug 30 320 DM. Den Unterschiedsbetrag zwischen 200 000 DM und 30 320 DM sah es als Entgelt für das Grundstück und den Geschäftswert an, also 169 680 DM. Da anzunehmen sei, daß der für den Geschäftswert gezahlte Betrag nicht Entgelt für die übernommenen Einrichtungsgegenstände, sondern ausschließlich Entgelt für den Erwerb des Grundstücks darstelle, bedurfte es nach Auffassung des Gerichts weder einer Ermittlung des gemeinen Wertes der Grundstücke nebst Aufbauten auf den 15. Dezember 1960 noch einer Aufteilung der Gesamtgegenleistung nach dem Verhältnis der gemeinen Werte zueinander.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß bei einem Erwerb von Grundstücken mit aufstehendem Gebäude und Inventar gegen einen einheitlichen Kaufpreis der einheitliche Kaufpreis aufzuteilen ist, und zwar in dem Verhältnis, in dem die gemeinen Werte von Grundstücken und Gebäude einerseits und Inventar andererseits zueinander stehen (§ 11 GrEStG, § 10 BewG). Das FG hat diesen Grundsatz aber nicht folgerichtig auf den zu entscheidenden Sachverhalt angewandt. Denn das FG hat keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, welches der gemeine Wert der Grundstücke mit Gebäude war, und zwar auch nicht im Wege der Schätzung. Das FG hat sich vielmehr damit begnügt, den Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis von 200 000 DM und dem geschätzten gemeinen Wert der Inventargegenstände von 30 320 DM als Entgelt für das Grundstück und den Geschäftswert des Gastwirtschaftsgrundstücks anzusetzen. Die Entscheidung des FG wäre nur dann frei von Rechtsirrtum, wenn der den Grundstücken beizumessende gemeine Wert auf den 15. Dezember 1960 tatsächlich 169 680 DM betragen hätte. Jede Abweichung des gemeinen Wertes der Grundstücke mußte eine andere Steuer auslösen, als sie das FG festsetzte.

War den Grundstücken ein höherer gemeiner Wert beizumessen als 169 680 DM (vgl. die ursprüngliche Forderung des Verkäufers), lag also die Summe der gemeinen Werte von Grundstücken und Inventar über dem einheitlichen Kaufpreis von 200 000 DM, so mußte die Steuer - nur begrenzt durch die Steuerfestsetzung des FA - höher festgesetzt werden als es die Vorinstanz tat. Denn es mußten dann die gemeinen Werte sowohl für die Grundstücke wie für das Inventar anteilig um die Differenz zum tatsächlich gezahlten Kaufpreis von 200 000 DM gekürzt werden (vgl. dazu Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., 1970, § 1 Tz. 61), wodurch notwendigerweise der als Gegenleistung für Grundstücke anzusetzende Anteil des Gesamtkaufpreises 169 680 DM übersteigt.

War der gemeine Wert der Grundstücke nebst Gebäude dagegen geringer als 169 680 DM, hätte die Klägerin mit anderen Worten mehr bezahlt, als das ganze wert war, wäre die Steuer geringer als vom FG festgesetzt zu bemessen gewesen.

Da dem Senat eine Nachprüfung der Vorentscheidung mangels tatsächlicher Feststellungen, wie hoch der gemeine Wert der Grundstücke war, nicht möglich ist, mußte das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung zurückverwiesen werden.

Zur Ermittlung des gemeinen Wertes der Grundstücke ist zu bemerken: Die Überlegung des FG, der "sogenannte Geschäftswert" sei bei einem Ausflugslokal, wenn keine besonderen Umstände vorliegen - die hier auch nicht zutage getreten sind -, ein den Wert des Grundstücks beeinflussender Faktor und daher beim Grundstückswert zu erfassen (vgl. Borutta/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., 1970, § 11 Tz. 166; ferner Urteil des Niedersächsischen FG vom 1. November 1972 VIII 19/69, EFG 1973, 158, dort S. 160 Sp. 2), ist möglich und naheliegend, allerdings nicht als Rechtssatz, wie es möglicherweise die Vorinstanz angenommen hat, wohl aber als tatsächliche Feststellung, die das FG im Urteil aber nicht getroffen hat. Zumindest hat das FG eine etwaige solche Überzeugung nicht unmißverständlich als Tatsachenfeststellung - und sei es auch nur im Wege der Schätzung des etwaigen Geschäftswerts - zum Ausdruck gebracht.

Der Geschäftswert eines Ausflugslokals wird in der Regel durch die Tüchtigkeit des Inhabers, die Ausstattung und die Lage beeinflußt. Wird ein Ausflugslokal veräußert, das vom Erwerber als Ausflugslokal fortgeführt wird, hört die persönliche Tüchtigkeit des Veräußerers mit der Veräußerung des Betriebs auf, ein den Geschäftswert beeinflussender Faktor zu sein. Ein Erwerber, der das Lokal fortführt, zahlt allenfalls etwas für die Erwartung, das Beharrungsvermögen der Gäste und seine eigene Tüchtigkeit würden künftig die bisherigen Geschäftserwartungen erhalten. Er wird mit anderen Worten zwar u. U. bereit sein, etwas für die Vorteile der Übergangszeit zu zahlen, nicht aber für das künftige, auf der eigenen Tüchtigkeit beruhende Verhalten der Gäste.

Die Ausstattung - z. B. eine durch die Einrichtung geschaffene Atmosphäre - kann einen Geschäftswert oder einen den Geschäftswert beeinflussenden Faktor darstellen. Das wird aber nur ausnahmsweise der Fall sein. Meist wird der Wert einer Ausstattung nicht höher sein als die Summe der gemeinen Werte ihrer einzelnen Wirtschaftsgüter.

Im Regelfall wird also bei einem Ausflugslokal der "sogenannte Geschäftswert" lagebedingt sein mit der Folge, daß der hierfür aufgewendete Preis Teil des Entgelts für das Grundstück ist (vgl. dazu Urteil des RFH vom 5. Mai 1922 II A 105/22, RFHE 9, 173 f.).

Sollte dementgegen dennoch ein Geschäftswert festgestellt werden, der nicht eindeutig irgendeinen bestimmten immateriellen Wert abgilt, muß ein solcher Geschäftswert in dem Verhältnis aufgeteilt werden, in dem Grundstücke und Inventar zueinander stehen. Die Teile sind zum Zwecke der Ermittlung der Gegenleistung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG den gemeinen Werten von Grundstücken und Inventar hinzuzurechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70792

BStBl II 1974, 250

BFHE 1974, 356

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