Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen: entgeltlicher Vertrag, Zeitrente, langfristige zur Versorgung bestimmte Raten - Behandlung wiederkehrenden Leistungen beim Geber und Empfänger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Übertragen Eltern einem Kind einen Vermögensgegenstand gegen auf festbestimmte Zeit zu zahlende wiederkehrende Leistungen, handelt es sich nicht um eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen mit den Rechtsfolgen der Abziehbarkeit von Sonderausgaben und der Steuerbarkeit von Einkünften aus wiederkehrenden Leistungen, sondern um ein entgeltliches Veräußerungs-/Anschaffungsgeschäft gegen Ratenzahlungen.

2. Dies gilt auch dann, wenn die Ratenzahlungen der Versorgung des Veräußerers dienen sollen und das Entgelt nicht nach kaufmännischen Grundsätzen bemessen worden ist.

 

Orientierungssatz

1. Vermögensübergabe gegen Versorgungsrente: Für die als Sonderausgabe abziehbare Versorgungsrente ist typischerweise vorauszusetzen, daß die wiederkehrenden Versorgungsleistungen grundsätzlich auf die Lebenszeit des Versorgungsberechtigten gezahlt werden. Ausnahmen können sich aus einer Änderung der mutmaßlichen Versorgungssituation ergeben, z.B. im Falle der Wiederverheiratungsklausel oder bei zeitlicher Begrenzung bis zum Eintritt des Versorgungsberechtigten in den Bezug einer Sozialversicherungsrente. Stets aber endet der Lauf der "typischen" privaten Versorgungsrente mit dem Tod des Bezugsberechtigten.

2. Aus der steuerrechtlichen Behandlung einer wiederkehrenden Leistung bei einem Vertragspartner kann der andere Vertragspartner keine Rechte herleiten.

 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 9 Abs. 1 S. 3 Nrn. 1, 7

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden für das Streitjahr 1986 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Mit notariellem Vertrag vom 12. August 1981 erwarb der Kläger von seinen Eltern das Grundstück S, A-Straße 22. Als Gegenleistung räumte er seinen zu diesem Zeitpunkt 70 (Vater) bzw. 60 (Mutter) Jahre alten Eltern für die Dauer von 20 Jahren ein unentgeltliches, dinglich gesichertes Wohnrecht an den Räumen im Erdgeschoß des Gebäudes ein. Für den Fall, daß der Längstlebende der Eltern vor Ablauf von 20 Jahren (vor dem 31. Juli 2001) verstarb, ging das Wohnrecht auf die Erben über. Sollten die Eltern oder der Längstlebende von ihnen den genannten Endzeitpunkt überleben, konnten sie das Wohnrecht weiterhin schuldrechtlich gegen Zahlung einer ortsüblichen Miete ausüben. Außerdem verpflichtete sich der Kläger, auf die Dauer von 20 Jahren an seine Eltern eine monatliche "Rente" in Höhe von 3 750 DM zu zahlen. Diese "Versorgungsrente" sollte "der Sicherung des Lebensunterhaltes der Rentenberechtigten" dienen und war durch Anknüpfung an den Lebenshaltungskostenindex wertgesichert. Falls die Eltern des Klägers vor Ablauf der 20 Jahre verstarben, war der Kläger berechtigt, die noch offene "Rentenverpflichtung" abzulösen. In dem Vertrag heißt es u.a.:

"Die Beteiligten sind sich bewußt, daß in dem vorliegenden Vertrag Leistung und Gegenleistung nicht wie bei Verträgen zwischen fremden Dritten gegeneinander abgewogen worden sind, sondern sowohl unter Berücksichtigung der engen verwandtschaftlichen Beziehungen der Vertragsbeteiligten als auch unter dem Gesichtspunkt einer zusätzlichen Versorgung der Gläubiger festgesetzt worden sind."

Der Verkehrswert des Grundstücks betrug im Zeitpunkt der Übertragung laut Gutachten des Bausachverständigen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--) 320 000 DM. Zwei freiberufliche Gutachter hatten den Verkehrswert mit 450 000 DM bzw. 400 000 DM beziffert. Den Wert des Wohnrechts gaben die Beteiligten mit 73 000 DM, den Wert des Rentenrechts mit 554 000 DM an.

Im Rahmen einer früheren Außenprüfung hatte der Bevollmächtigte der Kläger dem FA die Beweggründe der Eltern für die Übertragung des Grundstücks wie folgt geschildert:

Der Kläger habe vor Eröffnung seiner Praxis Anfang des Jahres 1979 bereits mehrere Jahre zusammen mit seinen Eltern in dem Haus S, A-Straße 22, gewohnt. Später habe sich der Kläger entschlossen, selbst zu bauen. Um den Kläger und seine Familie von diesem Umzug abzuhalten, hätten die Eltern das Haus auf diesen übertragen. Hätte der Kläger selbst gebaut, wäre absehbar gewesen, daß das Haus beim Tode der Eltern verkauft worden wäre, da es sich nicht zum Vermieten geeignet hätte. Durch den Verkauf an den Sohn sei es den Eltern gelungen, das Haus im Familienbesitz zu erhalten. Eine Übertragung des Hauses auf die beiden Geschwister des Klägers wäre von vornherein nicht in Betracht gekommen, da diese in F bzw. in E lebten und dort gebunden seien. Der Bemessung der Gegenleistung hätten folgende Erwägungen zugrunde gelegen: Das Haus habe den wichtigsten Teil des Vermögens der Eltern gebildet. Durch die Übertragung an den Kläger hätten die beiden Geschwister nicht enterbt werden sollen. Da die Eltern des Klägers zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung noch aktiv und unternehmungsfreudig gewesen seien, hätte durch die Rente ihre Einkommenssituation verbessert werden sollen. Bei der Festlegung der Rentenhöhe hätten der Kläger und seine Eltern sowohl die steuerlichen Auswirkungen bei den beiden Parteien als auch die Höhe des damaligen Zinsniveaus (Hochzinsphase) mitberücksichtigt.

In einer notariellen "Vertragserläuterung" vom 15. Mai 1987 erklärten der Kläger und seine Eltern zu dem Vertrag vom 12. August 1981 u.a.:

"Wir, die Vertragsbeteiligten, erklären übereinstimmend, daß wir uns bei Abschluß des Vertrages . . . darüber im klaren waren, daß es sich hierbei nicht um einen entgeltlichen Übertragungsvertrag handelt, wie er als Kaufvertrag unter Fremden abgeschlossen wird, sondern um eine vorweggenommene Erbfolge. Die Leistungen, die Herr Dr. A. seinen Eltern gegenüber zu erbringen hat, sind nicht als Kaufpreis aufzufassen und sind auch nicht als solcher bezeichnet worden. Vielmehr handelt es sich hierbei um Auflagen, die die Eltern A. bei der Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ihrem Sohn Dr. H.A. gemacht haben und die dieser akzeptiert hat."

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten die Kläger, Zahlungen in Höhe von 45 000 DM zum Abzug als Sonderausgaben (dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) zuzulassen. Dies lehnte das FA ab.

Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage stattgegeben. Bei den wiederkehrenden Zahlungen handele es sich um eine "unentgeltliche private Versorgungszeitrente", nicht hingegen um eine Unterhaltsrente, weil der Wert des übertragenen Grundstücks abzüglich des Wertes des Wohnrechts nicht weniger als die Hälfte der Rentenverpflichtung betrage. Lege man das Gutachten des Bausachverständigen zugrunde, stehe der Barwert der Rente (554 000 DM) einem Wert von 247 000 DM gegenüber. Da aber die Berechnung "überschlägig und großzügig" sein solle, müsse berücksichtigt werden, daß der Wert des übertragenen Grundstücks zwischen den Beteiligten streitig sei. Lege man die beiden vom Kläger vorgelegten Gutachten zugrunde, liege der Wert der Gegenleistung (377 000 DM bzw. 327 000 DM) jeweils über dem halben Wert der Rentenverpflichtung. Es sei gerichtsbekannt, daß Sachverständige den Wert von Grundstücken häufig in unterschiedlicher Höhe ermittelten. Es sei daher nicht schädlich, daß bei Zugrundelegung des für die Kläger ungünstigsten Gutachtens der Wert der Gegenleistung knapp --ca. 30 000 DM-- unter der Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung liege. Bei Altenteilsleistungen, wie sie hier vorlägen, komme eine Verrechnung mit dem Wert der Gegenleistung deswegen nicht in Betracht, weil das Grundstück in vorweggenommener Erbfolge übertragen worden sei. Die Kläger hätten glaubhaft dargelegt, daß das Haus im Familienbesitz verbleiben sollte, daß die Rente nicht nach dem Wert der Gegenleistung, sondern an den Bedürfnissen der Vertragsparteien bemessen worden sei und daß sie die wirtschaftliche Sicherung der alternden Eltern bezweckt habe (Bezugnahme auf den Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78). Die private Versorgungszeitrente sei im Gegensatz zu einer Leibrente in vollem Umfang abziehbar.

Mit der Revision trägt das FA vor:

Die wiederkehrenden Leistungen seien eine verrechnungspflichtige entgeltliche Zeitrente mit kauf- bzw. darlehensähnlichem Charakter. Der Fall einer Versorgungsrente anläßlich einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge liege nicht vor. Das FG habe es versäumt, den Veräußerungsvertrag auszulegen und sei statt dessen einem in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaften Vorbringen der Kläger gefolgt. Es habe damit allgemeine Auslegungsgrundsätze und Denkgesetze verletzt. Die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH könne die Annahme eines Übergabevertrags nicht stützen. Der hier zu beurteilende Vertrag sei in dieser Hinsicht nicht klar und eindeutig. Die Nichtberücksichtigung der Geschwister und das Fehlen jeglichen Bezugs zu einer Erbregelung lasse darauf schließen, daß man keine familien- und erbrechtliche Regelung, sondern einen eigenständigen entgeltlichen Veräußerungsvertrag zu Lebzeiten der Eltern mit einem bestimmten Kaufpreis gewollt habe. Aus tatsächlichen Gründen begegne es Bedenken, die wiederkehrenden Zahlungen als der Versorgung der Eltern dienend anzusehen.

Auch müsse berücksichtigt werden, daß die Eltern betragsmäßig mehr als die "vorbehaltenen Erträge" des Grundstücks erhalten hätten. Für die vorweggenommene Erbfolge sei typisch, daß der Übernehmer des Vermögens bereichert werde; hingegen werde der Kläger in Erfüllung des Vertrages deutlich entreichert; es finde eine "Überversorgung" statt. Hierdurch werde der "Typus der Vermögensübergabe" in Frage gestellt. Normalerweise werde sich der Übergeber höchstens die erzielbare Miete vorbehalten.

Das FG habe es für die Unterscheidung zwischen der Unterhalts- und der Versorgungsrente bei einer "großzügigen Berechnung" bewenden lassen. Es habe verkannt, daß die sog. 50 v.H.-Grenze nur einen "Anhaltspunkt" geben könne. Im übrigen könne es sich angesichts der Höhe der "vorbehaltenen Erträge" schlechterdings nicht um Versorgungsleistungen handeln (Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 23. Januar 1992 XI R 6/87, BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526).

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage

abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie tragen vor: Das FG habe die entscheidungserhebliche Tatfrage, ob eine

Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vorliege,

zutreffend entschieden. Eine Vermögensübertragung erfordere nicht die

Übertragung des wesentlichen Vermögens i.S. von § 419 des Bürgerlichen

Gesetzbuches (BGB). Das Verhalten des FA sei treuwidrig, weil es bei den

Eltern Rentenbezüge in voller Höhe der Steuer unterworfen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG sind Sonderausgaben die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Eine als Sonderausgabe abziehbare Rente oder dauernde Last setzt grundsätzlich voraus, daß Versorgungsleistungen auf die Lebenszeit des Beziehers gezahlt werden. Die auf eine festbestimmte Zeit zu zahlenden wiederkehrenden Leistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung eines Vermögensgegenstandes gezahlt werden, sind nicht als Rente oder dauernde Last abziehbar, sondern nach den steuerrechtlichen Grundsätzen über entgeltliche Rechtsgeschäfte zu behandeln.

2. Die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben --und korrespondierend beim Bezieher zu den Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG)-- beruht auf dem Umstand, daß sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise die Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (Beschlüsse des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847, und in BFHE 165, 225, 237 f., BStBl II 1992, 78). Die anläßlich der Übergabe von Vermögen vereinbarten Versorgungsleistungen sind Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Last (Beschluß in BFHE 165, 225, 238, BStBl II 1992, 78).

Die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist seit jeher nicht als Gegenleistung für das übertragene Vermögen angesehen worden (Beschluß in BFHE 161, 317, 327 f., BStBl II 1990, 847, m.w.N.). Sie ist in einem spezifisch steuerrechtlichen Sinne unentgeltlich, weil dieses besondere Instrument der Nachfolgeregelung spezialgesetzlich dem Rechtsinstitut der Sonderausgaben zugewiesen ist (BFH-Urteil vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354, 356, BStBl II 1991, 794). Der Große Senat des BFH hat diesen Vertragstypus unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung dahin charakterisiert: Die ertragsteuerrechtliche Behandlung folge seiner familien- und erbrechtlichen Natur. Er bezwecke die Vorwegnahme der künftigen Erbregelung und die wirtschaftliche Sicherung der alternden Eltern. Die Rente werde nicht nach dem Wert der Gegenleistung, sondern nach dem Versorgungsbedürfnis des Berechtigten und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten bemessen. Die Beteiligten ließen sich von dem Gedanken leiten, das übertragene Vermögen --insbesondere einen übergebenen Betrieb-- der Familie zu erhalten (BFH in BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78, m.w.N. der Rechtsprechung).

3. Der im vorgenannten Sinne unentgeltliche Vertragstypus der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen (private Versorgungsrente) ist abzugrenzen gegen das entgeltliche Rechtsgeschäft. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist bei der Übertragung von existenzsicherndem und ertragbringendem Vermögen --insbesondere eines Betriebes-- von Eltern auf Kinder im Regelfall anzunehmen, daß Leistung und Gegenleistung nicht wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen werden; vielmehr wird widerlegbar vermutet, daß die Rente --unabhängig vom Wert des übertragenen Vermögens-- nach dem Versorgungsbedürfnis der Eltern und/oder nach der Ertragskraft des übertragenen Vermögens bemessen worden ist und insofern familiären, außerbetrieblichen Charakter hat (Senatsurteil vom 29. Januar 1992 X R 193/87, BFHE 167, 95, 98 ff., BStBl II 1992, 465).

4. Werden hingegen wiederkehrende Leistungen, die im Zusammenhang mit der Übergabe von Vermögen vereinbart werden, auf eine festbestimmte Zeit gezahlt, können sie nicht dem Typus einer "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" zugeordnet werden. Sie sind nach den steuerrechtlichen Grundsätzen über wiederkehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung zu behandeln.

a) Beim Vertragstypus "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" handelt es sich "um eine besondere Art von Versorgungsleistungen", die durch die Übergabe des Vermögens notwendig geworden sind, ohne daß deshalb ein Veräußerungsgeschäft vorliegt (vgl. Beschluß des Großen Senats in BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78, m.w.N. der Rechtsprechung). Der Große Senat des BFH in BFHE 165, 225, 238, BStBl II 1992, 78 hat anerkannt, daß mit der Vereinbarung der Abänderbarkeit von Versorgungsleistungen im Rahmen einer Vermögensübergabe eine Rechtslage hergestellt wird, "die dem Regelungswillen des Steuerneuordnungsgesetzes (StNOG) 1954 --grundsätzliche Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen . . .-- entspricht". Mit der Erwähnung der Entstehungsgeschichte --insbesondere des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (StNOG 1954)-- nimmt der Große Senat in Bezug, daß es der Gesetzgeber abgelehnt hat, landwirtschaftliche Altenteilsleistungen als Leibrenten zu behandeln. Vor allem aufgrund dieser Entscheidung des Gesetzgebers hat sich das Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen am Modell der Hof- und Betriebsübergabe entwickelt, bei dem die Verrechnung mit dem Wert einer erbrachten Gegenleistung nicht in Betracht kommt (grundlegend BFH-Urteil vom 16. September 1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706; zur Fortentwicklung der Wertverrechnung s. Senatsurteil vom 27. Februar 1992 X R 136/88, BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609). Dies verdeutlicht, daß nicht jedwede Übergabe von Vermögen gegen wiederkehrende Leistungen zu deren Abzug als Sonderausgabe führt, sondern nur Vertragsgestaltungen, die dem vom Großen Senat des BFH umschriebenen Typus (oben 2.) zugeordnet werden können.

Hiernach ist für die als Sonderausgabe abziehbare Versorgungsrente typischerweise vorauszusetzen, daß die wiederkehrenden Versorgungsleistungen grundsätzlich auf die Lebenszeit des Versorgungsberechtigten gezahlt werden. Ausnahmen können sich aus einer Änderung der (mutmaßlichen) Versorgungssituation ergeben, so z.B. im Falle einer Wiederverheiratungsklausel oder bei zeitlicher Begrenzung bis zum Eintritt des Versorgungsberechtigten in den Bezug einer Sozialversicherungsrente (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, 363 ff., BStBl II 1994, 633). Stets aber endet der Lauf der "typischen" privaten Versorgungsrente mit dem Tode des Bezugsberechtigten.

b) Ein durch eine andere Interessenlage geprägter Vertragstypus liegt vor, wenn die wiederkehrenden Leistungen einen festbestimmten Endtermin haben. Ist es übereinstimmender Wille der Vertragschließenden, daß die Zahlungen auch --sodann an die Erben-- zu erbringen sind, wenn der Berechtigte alsbald nach Eintritt in den Bezug stirbt, handelt es sich zivilrechtlich und wirtschaftlich um einen wertmäßigen Ausgleich für eine empfangene Leistung. Ein solcher Vertrag wird geprägt durch seine Funktion, eine Gleichstellung von (künftigen) Miterben zu gewährleisten. Dies wird deutlich in dem gedachten Fall, daß der Erbfall unmittelbar nach Vertragsschluß eintritt und dann die wiederkehrenden Leistungen an die (Mit-)Erben als Ausgleich für das vorweg übernommene Vermögen zu erbringen sind. Damit liegt in rechtlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht der Vergleich mit anläßlich einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung vereinbarten Gleichstellungsgeldern ebenso nahe wie mit im Rahmen einer Erbauseinandersetzung übernommenen Ausgleichszahlungen. Gleichstellungsgelder führen zu Anschaffungskosten (Beschluß in BFHE 161, 317, 329 f., BStBl II 1990, 847). Soweit im Rahmen einer Auseinandersetzung über Nachlaßvermögen einem Erben das Alleineigentum an einem Gegenstand zugewiesen wird, enthält er mehr, als seiner Erbquote entspricht; in Höhe der an die Miterben fließenden Ausgleichszahlungen hat der übernehmende Miterbe Anschaffungskosten (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, 344 ff., BStBl II 1990, 837).

Diese zivil- und steuerrechtliche Wertung wird im Streitfall gestützt durch die Erwägung, daß nach dem eigenen Vortrag der Kläger bei der Bemessung der wiederkehrenden Leistung die "Gleichstellung der beiden Geschwister" eine maßgebliche Rolle gespielt hat. Dies kann im vorliegenden Zusammenhang nur bedeuten, daß es den Eltern darum ging, einen Gegenwert zu erhalten, damit der später zu verteilende Nachlaß nicht zu Lasten der Geschwister gemindert sein würde.

c) Die Zuordnung zu einem steuerrechtlich entgeltlichen Geschäft gilt unabhängig davon, ob die Vertragsparteien einen "marktgerechten" Preis vereinbart haben. Das Urteil des XI.Senats vom 23. Januar 1992 XI R 6/87 (BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526) scheint auszuschließen, daß anläßlich einer Übertragung von Vermögen vereinbarte wiederkehrende Leistungen, die nicht "wie unter fremden Dritten nach kaufmännischen Gesichtspunkten" bemessen sind, ein Entgelt sein können. Der erkennende Senat läßt offen, ob eine solche Auffassung aus dem Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 folgt. Jedenfalls stellt sich die Frage nicht, wenn die Vertragsgestaltung nicht dem Vertragstyp "Vermögensübertrag gegen Versorgungsleistungen" zugeordnet werden kann und deshalb wie hier die wiederkehrenden Leistungen als Raten zu beurteilen sind. Der Umstand, daß als Gegenleistung Rentenzahlungen vereinbart und geleistet wurden, erweist sich unter den gegebenen Umständen nur als Zahlungsmodalität.

d) Soweit die Vertragsparteien nach dem Wortlaut des Zusatzvertrages vom 15. Mai 1987 übereinstimmend davon ausgegangen waren, daß es sich "nicht um einen entgeltlichen Übertragungsvertrag" gehandelt habe, ist dies angesichts der rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der wiederkehrenden Leistungen eine, gemessen am erklärten und praktizierten Rechtsfolgewillen, steuerrechtlich unzutreffende Bezeichnung, die unbeachtlich ist und unter Berücksichtigung des tatsächlich Vereinbarten korrigiert werden kann (vgl. Senatsurteile vom 28. November 1990 X R 109/89, BFHE 163, 264, 273, BStBl II 1991, 327, und vom 21. Oktober 1992 X R 99/88, BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289, jeweils m.w.N.).

e) Unerheblich ist, daß die nach Höhe und Dauer festbestimmten wiederkehrenden Leistungen der Versorgung des Bezugsberechtigten dienen sollten (so ausdrücklich bereits Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 18. Januar 1928 VI A 192/27, RStBl 1928, 97; BFH-Urteil vom 24. April 1970 VI R 212/69, BFHE 99, 38, BStBl II 1970, 541; Fischer, Wiederkehrende Bezüge und Leistungen, 1994, Rdnr.11, 213). Für einen Käufer ist es grundsätzlich nicht von Interesse, welche Motive der Veräußerer hat. Auch langfristige Kaufpreisraten können der Versorgung des Veräußerers dienen; dies wird in der Rechtsprechung zum Veräußererwahlrecht vorausgesetzt (z.B. BFH-Urteile vom 26. Juli 1984 IV R 137/82, BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829, und vom 20. Dezember 1988 VIII R 110/82, BFH/NV 1989, 630). Rechtserheblich ist das Versorgungsmotiv nur dort, wo es für die "Rechtsnatur des Versorgungsvertrages" konstituierend ist. Dies wiederum setzt voraus, daß die wiederkehrenden Leistungen --wie typischerweise bei der Geschäfts- oder Hofübergabe gegen Versorgungsleistungen-- spätestens mit dem Tod des Bezugsberechtigten enden.

5. Eine Abziehbarkeit als Sonderausgabe ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer sog. Versorgungs-"Zeitrente". Wie dargelegt sind entgeltliche Vorgänge generell von dem Anwendungsbereich der Sonderausgaben ausgenommen. Bereits mit Urteil in BFHE 99, 38, 40, BStBl II 1970, 541 hat der BFH erkannt, daß gegen Hingabe eines Vermögensgegenstandes erworbene "sog. Zeitrenten" als Kaufpreisraten zu behandeln seien. Er hat dies wie folgt begründet: Im Schrifttum werde überwiegend die Auffassung vertreten, daß es betriebliche und private Veräußerungszeitrenten "eigentlich gar nicht gebe"; auch der Senat vertrete die Auffassung, daß entgeltlich erworbene sog. Zeitrenten "regelmäßig keine Renten, sondern Kapitalrückzahlungen" seien. Ferner hat der VIII.Senat des BFH entschieden, daß die Unterscheidung zwischen Kaufpreisraten und Veräußerungszeitrente "allein bedeutsam" sei für das von der Rechtsprechung und von der Verwaltung für die Anwendung des § 16 EStG eingeräumte Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflußversteuerung; insbesondere finde auf "Kaufpreiszeitrenten" nicht § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG Anwendung (Urteil vom 19. Mai 1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87, 89, unter I. 3. b; vgl. ferner Urteil vom 7. April 1992 VIII R 59/89, BFHE 167, 515, 517, BStBl II 1992, 809). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (Urteile vom 26. November 1992 X R 187/87, BFHE 170, 98, 102 f., BStBl II 1993, 298, unter II. 3. b; vom 23. Februar 1994 X R 123/92, BFHE 174, 73, BStBl II 1994, 690, unter 4. b).

6. Ohne Bedeutung ist, daß die wiederkehrenden Leistungen, wie die Kläger darlegen, beim Vater mit ihrem vollen Betrag nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG besteuert worden sind. Aus der steuerrechtlichen Behandlung der Leistungen beim jeweils anderen Vertragspartner können keine Rechte hergeleitet werden (vgl. BFH-Urteil vom 27. April 1977 I R 12/74, BFHE 122, 275, BStBl II 1977, 603, unter 2. a.E.).

7. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich seine Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Auf die vom FA erhobenen Verfahrensrügen einschließlich der Rüge eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten kam es hiernach nicht an.

Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück. Das FG wird im zweiten Rechtsgang prüfen, ob und in welchem Umfang der Kläger aus dem Haus A-Straße 22 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat. Der --gegebenenfalls anteilige-- Barwert der wiederkehrenden Leistungen kann Bemessungsgrundlage der Abschreibungen sein (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG; § 7b, § 10e EStG). Die in den einzelnen Leistungen enthaltenen Schuldzinsen können --anteilige-- Werbungskosten sein (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG). Das gilt nur, soweit die vom Kläger zu erbringende Gegenleistung angemessen ist; eine unangemessen hohe Gegenleistung ist vorab nach den Grundsätzen über Verträge zwischen nahen Angehörigen am Maßstab des Fremdvergleichs zu korrigieren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65378

BFH/NV 1995, 26

BFHE 176, 19

BFHE 1995, 19

BB 1995, 489

BB 1995, 489-491 (LT)

DB 1995, 658-659 (LT)

DStR 1995, 408-410 (KT)

DStZ 1995, 341-342 (KT)

HFR 1995, 315-317 (LT)

StE 1995, 170 (K)

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