Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen eines verwitweten Steuerpflichtigen mit Kindern für die Beschäftigung einer Hausgehilfin

 

Leitsatz (NV)

1. Derartige Aufwendungen sind nicht als Werbungskosten (oder Betriebsausgaben) abziehbar.

2. Sie können -- abgesehen vom zeitlich begrenzten sog. Witwensplitting -- auch nicht durch die Gewährung des Splittingtarifs berücksichtigt werden.

3. Ebensowenig kommt ein Abzug (als allgemeine außergewöhnliche Belastung) nach §33 EStG in Betracht.

4. Derartige Aufwendungen können lediglich im Rahmen der Höchstbeträge nach §33 c Abs. 3 EStG berücksichtigt werden. Diese Abzugsbeschränkung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12 Nr. 1, §§ 26, 32a Abs. 5-6, §§ 33, 33c Abs. 3 Sätze 1-2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist kaufmännischer Angestellter. Er ist seit 1979 verwitwet und hat drei, in den Jahren 1965, 1968 und 1976 geborene Kinder, die im Streitjahr (1982) von einer Hausgehilfin betreut wurden. Dafür entstanden dem Kläger Aufwendungen in Höhe von insgesamt 29 252 DM.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1982 begehrte der Kläger den Abzug dieser Aufwendungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) lehnte dies ab, gewährte dem Kläger aber im Wege einer vorläufigen Veranlagung die Höchstbeträge für Kinderbetreuungskosten von 1 200 DM je Kind (zusammen 3 600 DM) nach §§33 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 53 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972). Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA einen Änderungsbescheid und berücksichtigte nunmehr für die beiden jüngeren (1968 und 1976 geborenen) Kinder gemäß §33 c i. V. m. §53 b Abs. 2 EStG i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 vom 14. Dezember 1984 -- BGBl I 1984, 1493, BStBl I 1984, 659 -- Betreuungskosten in Höhe von insgesamt 6 000 DM.

Im übrigen blieb der Einspruch erfolglos. Auch die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) lehnte es ab, das Verfahren im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgrund des Vorlagebeschlusses des Niedersächsischen FG vom 9. Juli 1985 VII 624/84 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1985, 565) anhängige Normenkontrollverfahren 1 BvL 17/85 nach §74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

In der Sache hielt das FG die Höchstbetragsregelung in §33 c Abs. 3 EStG für verfassungsgemäß. Es führte dazu im wesentlichen aus: Die dem Kläger für die beiden jüngeren Kinder gewährten Höchstbeträge von insgesamt 6 000 DM seien angemessen, weil sie dem Standard des Normalverdieners und damit der Notwendigkeit und Angemessenheit entsprächen. Höhere Abzugsbeträge würden vor allem Besserverdienende entlasten und damit Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) und das Gleichheitsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Die Frage der Verfassungswidrigkeit des §33 c EStG sei im übrigen nicht entscheidungserheblich. Es fehle an der Voraussetzung einer hinreichend konkreten Möglichkeit einer den Kläger begünstigenden Neuregelung durch den Gesetzgeber, wenn die Verfassungswidrigkeit der geltenden Regelung festgestellt werden sollte.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er trägt insbesondere vor: Die Argumentation des FG, er, der Kläger, könne bei einer neuerlichen Gesetzesfassung nicht mit einer ihn begünstigenden Regelung rechnen, beruhe auf einem Denkfehler. Die Auffassung des FG sei nicht begründbar, zumal der Gesetzgeber zwischenzeitlich zusätzlich zur Abzugsmöglichkeit für Kinderbetreuungskosten noch den Sonderausgabenabzug (bis zu 12 000 DM) nach §10 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1990 eingeführt habe. Das FG hätte sich mit der Entscheidung des BVerfG vom 3. November 1982 1 BvR 620/78 u. a. (BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717) auseinandersetzen müssen. Dies habe es jedoch unterlassen. Entgegen der Auffassung des FG sei §33 c EStG verfassungswidrig. Dabei führe sein, des Klägers, Begehren nicht zu einer Besserstellung gegenüber Ehepaaren mit Kindern. Er erwarte vielmehr eine Gleichstellung mit diesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG- Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 1982 dergestalt zu ändern, daß Kinderbetreuungskosten in Höhe von 29 252 DM steuermindernd berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat die Höchstbetragsregelung in §33 c Abs. 3 EStG zutreffend als verfassungsgemäß angesehen. Die Aufwendungen des Klägers für seine Hausgehilfin können auch nicht unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten steuermindernd berücksichtigt werden.

1. Entgegen der vom Kläger im Veranlagungsverfahren vertretenen Auffassung handelt es sich insoweit nicht um Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Es liegen vielmehr Kosten der Lebensführung vor, die nach §12 Nr. 1 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können. Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (s. hierzu aus jüngerer Zeit das Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. Juni 1996 XI R 15/85, BFHE 181, 25, BStBl II 1997, 33). Daß der Kläger seine berufliche Tätigkeit nur unter der Voraussetzung hätte fortführen können, daß sich die Aufwendungen für seine Hausgehilfin steuermindernd auswirkten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das zu versteuernde Einkommen des Klägers betrug (lt. Bescheid vom 27. März 1987) im Streitjahr 89 891 DM (vgl. hierzu auch den BVerfG-Beschluß vom 24. September 1992 1 BvR 1443/89, mitgeteilt u. a. in Deutsches Steuerrecht 1993, 275).

2. Die Belastung des Klägers mit den Aufwendungen für die Betreuung seiner Kinder kann auch nicht durch die Gewährung des Splittingstarifs berücksichtigt werden. Das BVerfG hat in seinem Urteil in BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717 ausführlich dargelegt, daß es von Verfassungs wegen nicht geboten sei, das Ehegattensplitting auf die Besteuerung Alleinstehender mit Kindern auszudehnen. An diesem Ergebnis ist nach wie vor festzuhalten (s. z. B. das BFH-Urteil vom 27. Juni 1996 IV R 4/84, BFHE 181, 31).

Ebensowenig können die Aufwendungen des Klägers nach §33 EStG berücksichtigt werden. §33 c EStG geht als spezialgesetzliche Regelung dem §33 EStG vor (s. Senatsentscheidungen vom 12. Juli 1991 III R 23/88, BFH/NV 1992, 172, und vom 5. Dezember 1996 III B 59/96, BFH/NV 1997, 394).

3. Die Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen lediglich im Rahmen von Höchstbeträgen nach §33 c Abs. 3 EStG ist nach Ansicht des Senats verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Mit der Vorschrift des §33 c EStG trug der Gesetzgeber dem Urteil des BVerfG in BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717 Rechnung. Danach waren zum einen -- entsprechend dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit -- Kinderbetreuungskosten Alleinerziehender grundsätzlich mit der tatsächlich entstandenen Höhe steuermindernd zu berücksichtigen. Zum anderen durfte die zu treffende gesetzliche Neuregelung Alleinstehende mit Kindern aber steuerlich nicht besserstellen als Ehepaare mit Kindern (s. Abschn. C II Nr. 2 und 3 der Entscheidungsgründe). Nach Auffassung des Senats wird die Regelung in §33 c Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG beiden Vorgaben des BVerfG gerecht.

Durch die dortige Höchstbetragsregelung ist der Gesetzgeber (einerseits) dem Petitum des BVerfG, Alleinerziehende dürften nicht bessergestellt werden als Ehepaare mit Kindern, in pauschalierender und typisierender Weise ausreichend nachgekommen (s. auch Senatsurteil vom 8. März 1996 III R 146/93, BFHE 179, 422, BStBl II 1997, 27, Abschn. II. Nr. 2. b cc der Entscheidungsgründe).

Zum anderen genügt die Begrenzung der Abzugsmöglichkeit auch dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. §33 c EStG regelt -- ähnlich wie z. B. §33 a EStG -- die Abziehbarkeit von außergewöhnlichen Belastungen in besonderen Fällen. Auch in §33 a EStG ist der Abzug der belastenden Aufwendungen der Höhe nach begrenzt. Die dortigen Begrenzungen hat das BVerfG für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, sofern "keine realitätsfremden Grenzen" gezogen würden (s. z. B. Beschlüsse vom 22. Februar 1984 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, BStBl II 1984, 357, und vom 13. Dezember 1996 1 BvR 1474/88, mitgeteilt u. a. in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1997, 251, jeweils zu §33 a Abs. 1 EStG, sowie vom 26. Januar 1994 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307, zu §33 a Abs. 2 EStG). Diese Erwägung rechtfertigt es, auch bei der Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten alleinerziehender Elternteile eine betragsmäßige Begrenzung zuzulassen. Die insoweit in §33 c Abs. 3 EStG vorgesehenen Höchstbeträge (4 000 DM für das erste, 2 000 DM für jedes weitere Kind) sieht der Senat nicht als "realitätsfremd" im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BVerfG an (ebenso die BFH-Urteile in BFHE 181, 25, BStBl II 1997, 33, und in BFHE 181, 31). Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil in BFHE 181, 31 hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (s. Beschluß vom 21. Dezember 1996 2 BvR 2163/96).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66489

BFH/NV 1998, 439

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