Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berücksichtigung des vororganschaftlichen Gewerbeverlustes bei Ermittlung des Gewerbeertrags der Tochter- und der Muttergesellschaft.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 2 Ziff. 2 S. 2, § 10a

 

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags 1953. Die steuerpflichtige GmbH hat am 5. Oktober 1953 mit den Firmen A u. B je einen Organvertrag abgeschlossen. Die Organverträge sind vom Finanzamt anerkannt. Die Steuerpflichtige (Stpfl.) begehrte die Berücksichtigung der bei den Organgesellschaften entstandenen vororganschaftlichen noch nicht ausgeglichenen Gewerbeverluste in Höhe von:

---------- bei A ----- 309 DM aus 1951 -------------------- 5.786 DM aus 1952 ---------- bei B --- 9.327 DM aus 1952bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags 1953. Das Finanzamt hat dies abgelehnt, da nach § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in Verbindung mit § 3 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) die Organgesellschaften ihre Selbständigkeit verloren hätten. Damit sei auch die Berechtigung zur Geltendmachung eines Gewerbeverlustes nach § 10 a GewStG verloren gegangen, da nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteil VI 236/42 vom 26. August 1942, Reichssteuerblatt - RStBl - 1942 S. 1024) der Gewerbeverlust nur von dem Unternehmen geltend gemacht werden könne, das ihn erlitten habe.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es stützte sich hierbei insbesonders auf die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 29/53 U vom 6. Oktober 1953, Slg. Bd. 58 S. 101, Bundessteuerblatt (BStBl) III S. 329. Bei der Regelung des GewStG handle es sich hauptsächlich darum, den Gemeinden, in denen die Organgesellschaften ihr Unternehmen ausübten, einen angemessenen Teil am Gewerbesteueraufkommen zu sichern. Die Organgesellschaft gehe als Körperschaft nicht unter. Ihr Gewinn sei selbständig zu berechnen und mit dem Gewinn der Obergesellschaft zu einem einheitlichen Betrag zu vereinigen. Fraglich könne nur sein, ob diese für die Zusammenrechnung beim Oberunternehmen stattfindende selbständige Gewerbeertragsermittlung durch Anwendung des § 10 a GewStG auch zu einem negativen Gewerbeertrag führen könne, der sodann den Gesamtertrag beim Oberunternehmen mindere. So liege es im Streitfall. Das Finanzgericht habe hiergegen keine Bedenken. Es möge zutreffen, daß der Gewerbeverlust zunächst an dem Gewinn der Organschaft selbst zu kürzen sei. Das Finanzgericht glaube jedoch, darüber hinaus auch den Abzug vom Gewerbeertrag des Oberunternehmens anerkennen zu können.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist der Ansicht, daß der vororganschaftliche Gewerbeverlust durch die Umwandlung der Gesellschaft in eine Organgesellschaft verloren gegangen sei. Hierzu verweist sie auf die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I 205/38 vom 12. Dezember 1939 und I 214/39 vom 12. Dezember 1939, Slg. Bd. 48 S. 67 und 56, RStBl 1940 S. 29 und 30.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Die Ansicht des Finanzgerichts entspricht der vom Senat bereits in der Entscheidung I 29/53 U vom 6. Oktober 1953 ausgesprochenen Rechtsauffassung, daß durch § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG die Organgesellschaft ihre Eigenschaft als Körperschaft nicht verloren hat. Es ist deshalb dem Finanzgericht beizupflichten, daß das Recht auf Anrechnung des vororganschaftlichen Gewerbeverlusts nicht untergegangen ist. Zweifelhaft kann sein, in welcher Weise der Verlust anzurechnen ist. Es müssen hier gleichartige Grundsätze angewendet werden, wie sie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 73/ 54 U vom 8. März 1955, Slg. Bd. 60 S. 489, BStBl 1955 187, für das Körperschaftsteuerrecht aufgestellt worden sind. Der Gewerbeverlust ist ebenso wie der Verlustabzug an die Organgesellschaft selbst geknüpft, und kann lediglich bei dieser Gesellschaft im Rahmen des § 10 a GewStG berücksichtigt werden. Mit dieser Auffassung ist die Ansicht des Finanzgerichts nicht vereinbar, das auf Grund des Organverhältnisses den Gewerbeverlust der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft übertragen will, ihn insbesondere bei der Muttergesellschaft auch insoweit zum Abzug zuläßt, als er nicht durch Gewinne der Tochtergesellschaft ausgeglichen ist. Im Ergebnis geht das Finanzgericht damit von der gleichen Auffassung wie das Finanzamt aus, daß die Organgesellschaft lediglich eine Betriebstätte der Muttergesellschaft darstellt und für das Gewerbesteuerrecht ihre Eigenschaft als juristische Person verloren hat. Das Finanzgericht vertritt im Rahmen dieser Betrachtung lediglich die Auffassung, daß durch diese wirtschaftliche Umwandlung einer juristischen Person in eine Betriebstätte der Muttergesellschaft auf Grund des Organvertrags der Gewerbeverlust nicht verloren geht. Diese Auffassung ist aber mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs nicht vereinbar. Wie in den Entscheidungen I A 107/36 vom 19. Mai 1936, RStBl 1936 S. 790 und I A 84/36 vom 12. Mai 1936, RStBl 1936 S. 789, im einzelnen ausgeführt wird, ist der Verlustvortrag an das Weiterbestehen einer Körperschaft als juristische Person geknüpft. Er geht durch die Umwandlung, also auch durch die Aufnahme einer juristischen Person im Wege der Verschmelzung in eine Muttergesellschaft verloren. Diese Rechtsprechung hat der Reichsfinanzhof aufrechterhalten. Siehe zuletzt die Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 210/43 vom 7. März 1944, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Körperschaftsteuergesetz § 1 Abs. 1 Rechtsspruch 3. Bei Würdigung dieser Entscheidungen muß beachtet werden, daß das Einkommensteuergesetz 1925 im Gegensatz zum Einkommensteuergesetz 1934 den Verlustvortrag gekannt hat. Siehe hierzu Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 4/50 S vom 25. Januar 1951, Slg. Bd. 55 S. 182, BStBl III S. 68. Der Senat tritt den vom Reichsfinanzhof vertretenen Grundsätzen bei.

Da das Finanzgericht von anderer Rechtsauffassung ausgegangen ist, muß die Vorentscheidung aufgehoben werden. Die Sache wird zur erneuten Würdigung im Einspruchsverfahren unter Zugrundelegung der oben dargestellten Rechtsgrundsätze an das Finanzamt zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408403

BStBl III 1956, 91

BFHE 1956, 246

BFHE 62, 246

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