Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus; Anerkennung von Mietverhältnissen unter nahen Angehörigen; Abgrenzung zur unentgeltlichen Überlassung

 

Leitsatz (NV)

1. Bei der Entscheidung, ob der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus anhand der Marktmiete oder der Kostenmiete zu ermitteln ist, ist nur die Gestaltung und Ausstattung maßgebend. Auf persönliche Verhältnisse kommt es nicht an.

2. Der steuerrechtlichen Anerkennung eines Mietverhältnisses unter nahen Angehörigen steht es nicht entgegen, wenn die Miethöhe einem Fremdvergleich nicht standhält. Es kommt lediglich eine Kürzung der Werbungskosten in Frage.

3. Zur Zurechnung des Nutzungswerts der Einliegerwohnung bei unentgeltlicher Überlassung.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1-2; II.BVO

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten.

Der Kläger errichtete in den Jahren 1973 und 1974 ein Zweifamilienhaus mit Schwimmhalle in ... Die von den Klägern mit ihrer Familie in den Streitjahren (1975 und 1976) selbst bewohnte Hauptwohnung umfaßt ohne Abzug von 10 v.H. rd. 339 qm. Die Einliegerwohnung vermietete der Kläger an die Mutter der Klägerin.

Für die Jahre 1975 und 1976 erklärte der Kläger einen Mietwert der selbstgenutzten Wohnung von je 15600 DM und für die zweite Wohnung Mieteinnahmen von je 2400 DM sowie Werbungskostenüberschüsse von 144582 DM und 141380 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ordnete nach einer Außenprüfung die Eigennutzung der Wohnung dem Bereich der Liebhaberei zu und setzte dementsprechend im Änderungsbescheid vom 16. Januar 1979 für die Streitjahre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr an. Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das FA einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von 31161 DM für 1975 und von 29359 DM für 1976 berücksichtigte. Es ermittelte dabei unter Zugrundelegung der Zweiten Berechnungsverordnung (II.BVO) eine Kostenmiete von 99852 DM für die Hauptwohnung und von 9222 DM für das Schwimmbad. Für die zweite Wohnung setzte es mit der Begründung, die Schwiegermutter des Klägers habe keine Miete gezahlt, einen Mietwert von 4140 DM an. Die erklärten Werbungskosten kürzte das FA um Schuldzinsen von 17500 DM (1975) und 16100 DM (1976) sowie um nicht anerkannte Absetzungen für Abnutzung (AfA) von je 706,96 DM.

Mit der Klage wandten sich die Kläger gegen den Ansatz der Kostenmiete und begehrten die Berücksichtigung weiterer Schuldzinsen als Werbungskosten. Sie wiesen überdies darauf hin, daß zwei Räume Arbeitszimmer des Klägers seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens überwiegend statt. Zur Begründung führte es aus, die Kostenmiete sei nicht anzusetzen, obwohl nach den Darlegungen des Sachverständigen für dem Haus des Klägers vergleichbare Ein- oder Zweifamilienhäuser mit Schwimmbad kein Wohnungsmarkt existiere. Der zu berücksichtigende Jahresmietwert betrage rd. 37800 DM. Eine Minderung dieses Rohmietwerts wegen der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers komme nicht in Betracht. Der Einbau des Schwimmbads sei nicht zwingend gewesen. Die erklärten Werbungskosten seien um nicht anzuerkennende Zinsen zu kürzen. Die geltend gemachten Überziehungszinsen könnten nicht abgezogen werden. Der Werbungskostenüberschuß betrage danach 111242 DM für 1975 und 108940 DM für 1976.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 21 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nach seiner Auffassung ist die Kostenmiete anzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Vorentscheidung verletzt § 21 Abs. 2 EStG. Insbesondere lehnt das FG zu Unrecht den Ansatz der Kostenmiete ab. Die Berücksichtigung eines Mietwerts von jährlich 4140 DM für die zweite Wohnung ist nicht Rechtens.

1. Wie der Senat in seinen Urteilen vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 und IX R 33/91 (BFHE 174, 51, 120) entschieden hat, ist bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus i.S. des § 21 Abs. 2 EStG die Kostenmiete anzusetzen, wenn die nach den Bestimmungen der II.BVO berechnete privat genutzte Wohnfläche dieser Wohnung größer als 250 qm ist oder zu dem Haus ein Schwimmbad gehört. Ein Abzug von 10 v.H. von der Fläche der selbstgenutzten Wohnung ist nicht zulässig. Ein solcher Abzug setzt nach § 44 Abs. 3 Nr. 2, 3 II.BVO voraus, daß die Wohnung nicht abgeschlossen ist. Dies würde aber die Bewertung als Zweifamilienhaus ausschließen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Februar 1986 II R 192/78, BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen hat das FA die Kostenmiete zu Recht angesetzt. Abgesehen davon, daß bereits die Größe der eigengenutzten Wohnung auch nach Abzug der auf die Arbeitszimmer entfallenden Fläche den Ansatz rechtfertigen dürfte, kann das Schwimmbad nicht im Hinblick auf die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers unberücksichtigt bleiben. Entscheidend ist die Ausstattung des Hauses mit dem Schwimmbad. Auf die persönlichen Verhältnisse kommt es nicht an; sie sind für die Frage, ob es für das Haus einen Mietmarkt gibt (vgl. dazu Senatsurteil vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92), ohne Bedeutung. Zudem konnte das Schwimmbad auch von der Familie des Klägers genutzt werden.

2. Die Ermittlung der Kostenmiete auf der Grundlage der II.BVO ist eine mit § 21 Abs. 2 EStG vereinbare Schätzungsmethode (Senatsurteil vom 22. Oktober 1993 IX R 33/91). Für steuerlich anzuerkennende Arbeitszimmer ist ein Nutzungswert nicht anzusetzen. Die auf das Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen einschließlich AfA können nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden. Sie sind als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den Einkünften zu berücksichtigen, deren Erzielung das Arbeitszimmer dient.

3. Das FA hat zu Lasten der Kläger für die Einliegerwohnung einen Mietwert von jährlich 4140 DM angesetzt. Das FG ist dem gefolgt. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage.

a) Wurde das Mietverhältnis mit der Schwiegermutter des Klägers in steuerrechtlich anzuerkennender Weise vereinbart und durchgeführt, insbesondere die Miete vertragsgerecht bezahlt (s. Senatsurteile vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834, und vom 13. Mai 1993 IX R 86/90, BFH/NV 1993, 592), ist als Einnahme nur die zugeflossene Miete zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Hat die vereinbarte und gezahlte Miete die ortsübliche Marktmiete um mehr als ein Drittel unterschritten, ist nicht die Marktmiete als (fiktive) Einnahme anzusetzen. Vielmehr ist einerseits die tatsächlich gezahlte Miete als Einnahme zu berücksichtigen, andererseits aber sind entsprechend dem Einnahmeverzicht die auf die Einliegerwohnung entfallenden Werbungskosten zu kürzen (Senatsurteile vom 15. Dezember 1992 IX R 13/90, BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490; vom 23. März 1993 IX R 130/92, BFHE 171, 181, BStBl II 1993, 606). Das Unterschreiten der Marktmiete allein ist allerdings kein ausreichender Grund, das Mietverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen.

b) Ist das Mietverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen, insbesondere weil etwa die Miete nicht bezahlt wurde, wurde die Wohnung aber der Schwiegermutter des Klägers unentgeltlich i.S. des § 21 Abs. 2 2. Alternative EStG überlassen, ist der Nutzungswert der Wohnung der Schwiegermutter, nicht dem Kläger, zuzurechnen. Da der Kläger dann insoweit den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht erfüllt, steht ihm auch der anteilige Werbungskostenabzug nicht zu (Senatsurteil in BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490, unter II/1. m.w.N.).

Eine unentgeltliche Überlassung i.S. des § 21 Abs. 2 2. Alternatvie EStG liegt vor, wenn dem Nutzenden eine gesicherte Rechtsposition eingeräumt wurde (Senatsurteil in BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490, unter II/1. b m.w.N.). Zur Einräumung einer solchen gesicherten Rechtsposition genügt ein schuldrechtliches Nutzungsrecht, das auch durch formlosen Leihvertrag begründet werden kann (Senatsurteile vom 21. Januar 1986 IX R 27/83, BFH/NV 1986, 456; vom 25. Oktober 1988 IX R 132/85, BFH/NV 1989, 295).

c) Hat der Kläger die Wohnung seiner Schwiegermutter auch nicht unentgeltlich unter Einräumung einer gesicherten Rechtsposition überlassen, ist ihm der Nutzungswert dieser Wohnung nach § 21 Abs. 2 1. Alternative EStG zuzurechnen (Senatsurteil vom 30. Oktober 1990 IX R 110/86, BFHE 162, 429, BStBl II 1991, 142 m.w.N.). Der Kläger kann dann zwar den vollen Werbungskostenabzug beanspruchen; es ist aber nicht die Marktmiete, sondern auch für die zweite Wohnung die Kostenmiete anzusetzen. Ob für die Einliegerwohnung als solche eine Marktmiete ermittelbar wäre, ist ohne Bedeutung.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht zur Nachholung entsprechender tatsächlicher Feststellungen und zur Neuberechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an das FG zurück. Das FG wird dabei auch die Berechnung der Kostenmiete und den Werbungskostenabzug (insbesondere auch die AfA) im einzelnen zu überprüfen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64529

BFH/NV 1994, 776

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