Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerbefreiung bei Vermietung einer Kegelbahnanlage - Auslegung des Begriffs Vermietung in Art.13 der Richtlinie 77/388/EWG

 

Leitsatz (amtlich)

Enthält eine Kegelbahnanlage mehrere Bahnen, kann die Überlassung der einzelnen Bahn als Vermietung (ausschließlich) einer Betriebsvorrichtung zu beurteilen (und somit von der Umsatzsteuerbefreiung ausgenommen) sein, während die Mitbenutzung des übrigen Gebäudes (Aufenthaltsflächen und Nebenräume) auf einem Vertrag beruht, der insoweit keinen Mietrechtscharakter hat.

 

Orientierungssatz

1. Enthält eine Kegelbahnanlage nur eine Bahn, steht der nutzungsberechtigten Person oder Personengruppe im allgemeinen das gesamte, die Kegelbahnanlage umfassende Gebäude zur Verfügung. In diesem Fall ist die Vermietung des Gebäudes, soweit sie sich auf die Betriebsvorrichtung(en) bezieht, von der Steuerbefreiung ausgenommen und daher von der steuerfreien Vermietung des übrigen Gebäudes zu trennen.

2. Die Richtlinie 77/388/EWG definiert den in Art.13 Teil B Buchstabe b Nr.3 genannten Begriff Vermietung nicht. Es muß deshalb zur Begriffsbestimmung auf die gesetzlichen Regelungen der Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden. Der Rückgriff auf innerstaatliches Recht ist solange und soweit erforderlich, wie der Richtlinie keine eigenständige Regelung zu entnehmen ist.

 

Normenkette

UStG 1973 § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 15 Abs. 1 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. b; UStG 1980 § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 15 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --eine Gemeinde-- errichtete Anfang der achtziger Jahre ein Bürgerhaus. Neben anderen Räumlichkeiten befindet sich in diesem Bürgerhaus eine Gaststätte sowie eine Kegelbahnanlage. Die Gaststätte wurde im Jahre 1981 verpachtet. Nach Fertigstellung der Kegelbahnanlage überließ die Klägerin diese entgeltlich an Benutzer. Sie erstellte monatlich einen Belegungsplan. Den nach diesem Plan angemeldeten Keglern stand die Kegelbahn zu der angemeldeten Zeit ausschließlich zur Verfügung. Eine Reservierung erfolgte nur zu den Öffnungszeiten der Gaststätte, so daß eine Bewirtung der Keglergruppen sichergestellt war.

Die Klägerin machte die anläßlich der Errichtung des Bürgerhauses angefallenen Vorsteuern geltend, die sie nach einem kombinierten Schlüssel von Fläche und Rauminhalt den unternehmerisch und nichtunternehmerisch genutzten Gebäudeteilen zuordnete.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, die Überlassung der Kegelbahn an Dritte stelle einen Mietvertrag dar, so daß lediglich die entgeltliche Überlassung der eigentlichen Bahn als Betriebsvorrichtung (§ 4 Nr.12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- 1973/1980) sowie die Überlassung des dem Aufenthalt und der Bewirtung der Kegler dienenden Raumteils steuerpflichtig sei, die Überlassung des die Bahn umschließenden Gebäudeteils jedoch nicht (§ 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1973/1980). Daher seien die Vorsteuern insoweit vom Abzug ausgeschlossen (§ 15 Abs.2 Satz 1 Nr.1 UStG 1973/1980). Dementsprechend ließ das FA Vorsteuern nur in Höhe eines Anteils von 75,6 % zum Abzug zu. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, ein Mietvertrag liege nicht vor, da es an der tatsächlichen Überlassung des Gebrauchs eines Gebäudes fehle. Bei der Gaststätte und der Kegelbahn handle es sich um einen einheitlichen Betrieb gewerblicher Art, wobei der gastronomische Bereich überwiege. Eine Aufteilung der Umsätze in steuerfreie Vermietung eines Gebäudes und steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen sei deshalb ausgeschlossen.

Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des FA und wies die Klage ab.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die sie auf Verletzung materiellen Rechts stützt. Die entgeltliche Überlassung einer Kegelbahn stelle keine Vermietung von Räumlichkeiten dar. Die Überlassung des Gebäudes trete gegenüber der Überlassung der eigentlichen Kegelbahnanlage in den Hintergrund und sei nur noch von untergeordneter Bedeutung.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung der Umsatzsteueränderungsbescheide die negative Umsatzsteuer wie folgt festzusetzen: 1979: 23 933 DM; 1980: 64 435 DM; 1981: 184 610 DM.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist begründet.

1. Gemäß § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1973/1980 kann der Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Nach § 15 Abs.2 Nr.1 UStG 1973/1980 ist der Vorsteuerabzug für Lieferungen und sonstige Leistungen ausgeschlossen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Zu diesen vorsteuerabzugsschädlichen Umsätzen gehört die steuerfreie Grundstücksvermietung (§ 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1973/1980). Die Steuerbefreiung gilt nicht nur für die Vermietung von ganzen Grundstücken, sondern auch für die Vermietung von Grundstücksteilen. Hierzu gehören ebenfalls Gebäude und Gebäudeteile (Urteil des Bundesfinanzhof --BFH-- vom 8. Oktober 1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209) sowie sonstige mit dem Grundstück fest verbundene Sachen.

2. Der Begriff der Grundstücksvermietung i.S. des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1973/1980 ist nach ständiger Rechtsprechung bürgerlich-rechtlich zu bestimmen (vgl. Urteil in BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209). Vermietung bedeutet die Gebrauchsüberlassung und Gebrauchserhaltung während der Mietzeit (§§ 535, 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Der an der bürgerlich-rechtlichen Bestimmung des Vermietungsbegriffs geübten Kritik, die extensive Auslegung des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1973/1980 gehe weit über einen gerechtfertigten Zweck hinaus (Tipke, Über Umsatzsteuer-Gerechtigkeit, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1992, 103/115), kann der Senat keine Rechnung tragen, weil von einer sozialpolitischen Zweckbestimmung getragene Absichten des (historischen) Gesetzgebers im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden haben.

3. Bei Sportanlagen liegt eine Gebrauchsüberlassung nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn einem oder mehreren Mietern eine bestimmte oder bestimmbare Grundstücksfläche zum ausschließlichen Gebrauch oder Mitgebrauch überlassen wird, nicht dagegen, wenn dem Besucher einer Sportstätte (lediglich) deren Nutzung im Rahmen der allgemeinen Benutzerordnung ohne Ausschluß weiterer Besucher gestattet wird.

Dementsprechend hat der Senat eine mietweise Gebrauchsüberlassung verneint im Falle der Benutzung eines Golfplatzes gegen Entrichtung von Greenfee (Urteil vom 9. April 1987 V R 150/78, BFHE 149, 319, BStBl II 1987, 659), eines Schwimmbades im Rahmen der allgemeinen Badeordnung (Urteil vom 10. Februar 1994 V R 33/92, unter II.4.b, BFHE 174, 258) und einer überdachten Schießanlage zur Ausübung des Schießsports ohne Ausschluß weiterer Schützen (Urteil vom 24. Juni 1993 V R 69/92, BFHE 172, 174, BStBl II 1994, 52). Hingegen hat der BFH die stundenweise entgeltliche Überlassung von Tennisplätzen in einer Tennishalle (Senatsurteil vom 14. Mai 1992 V R 68/88, BFHE 168, 198, BStBl II 1992, 758), einer Kegelbahnanlage (Urteil vom 30. Juni 1993 XI R 62/90, BFHE 172, 178, BStBl II 1993, 808) sowie eines Schwimmbades (Senatsurteil V R 33/92, unter II.4.a) als Grundstücksvermietung beurteilt.

4. In den letztgenannten Fällen der Grundstücksvermietung muß die Überlassung der eingeschlossenen Betriebsvorrichtungen gesondert beurteilt werden. Denn gemäß § 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1973/1980 ist die Vermietung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), von der Steuerbefreiung ausdrücklich ausgenommen (vgl. auch Art.13 Teil B Buchst.b Nr.3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG--, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1977 Nr.L 145 S.1). Wird eine Betriebsanlage, die aus Gebäude und Betriebsvorrichtungen besteht, gegen einen einheitlichen Mietzins vermietet, muß daher für die Umsatzbesteuerung die Überlassung der Betriebsvorrichtungen von der Vermietung des Gebäudes getrennt werden. Danach ist nur die Überlassung der Betriebsvorrichtungen mit dem auf sie entfallenden Anteil des Mietentgelts der Steuerpflicht zu unterwerfen.

5. Bei der Überlassung einer Kegelbahnanlage zur Nutzung ist zu differenzieren, ob sie eine oder --vergleichbar einer Bowling-Anlage-- mehrere Bahnen enthält.

a) Ist nur eine Bahn vorhanden, steht der nutzungsberechtigten Person oder Personengruppe im allgemeinen das gesamte, die Kegelbahnanlage umfassende Gebäude (Gebäudeteil) zum ausschließlichen Gebrauch zur Verfügung. In diesem Falle ist die Vermietung des Gebäudes (Gebäudeteils), soweit sie sich auf die Betriebsvorrichtung(en) bezieht, von der Steuerbefreiung ausgenommen und daher von der steuerfreien Vermietung des übrigen Gebäudes (Gebäudeteils) zu trennen (BFH in BFHE 172, 178, BStBl II 1993, 808).

b) Enthält eine Kegelbahnanlage mehrere Bahnen, kommt in Betracht, daß den nutzungsberechtigten Keglern in bezug auf die Aufenthaltsflächen und die Nebenräume (z.B. Toiletten, Umkleide, Dusche) kein ausschließlicher Gebrauch oder Mitgebrauch gewährt wird. Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aufenthaltsflächen auch von Personen benutzt werden, die andauernd oder zeitweise kein Recht zum Mitkegeln besitzen. Ein den Mietvertrag charakterisierendes Mindestmaß an Dispositionsmöglichkeit der Kegler ist bezüglich dieser Gebäudeteile nicht vorhanden. Mietvertragliche Rechte erstrecken sich in diesem Falle nur auf die einzelne Bahn einschließlich der Anlaufstrecke sowie der unmittelbar dazugehörigen technischen Einrichtungen. Mietgegenstand ist deshalb nur die einzelne Bahn als Betriebsvorrichtung. Dem Umstand, daß die Bahn einen Grundflächenteil bedeckt und von einem Gebäude umfaßt wird, kommt ebenso keine Bedeutung zu wie bei der Vermietung eines einzelnen Sportgerätes in einer Sporthalle, einer Waschmaschine in einem Waschsalon oder einem Spielautomaten in einem Spielsalon. Die Benutzung des Gebäudes im übrigen erfolgt nicht mietvertraglich, sondern z.B. im Rahmen eines Bewirtungsvertrages, eines gemischten Vertrages oder eines Vertrages besonderer Art.

6. Da das Urteil des FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgeht, war es aufzuheben.

Der Senat kann nicht durcherkennen.

a) Der Auffassung der Klägerin, die Kegelbahnüberlassung sei wirtschaftlich der Überlassung der Gaststätte zuzuordnen, kann nicht gefolgt werden. Verpachtung der Gaststätte und Vermietung der Kegelbahn sind --auch wenn die Kegelbahn nur zu Öffnungszeiten der Gaststätte vermietet worden ist-- selbständige, gegenüber unterschiedlichen Leistungsempfängern erbrachte Leistungen, die je für sich rechtlich zu würdigen sind.

b) Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es demzufolge darauf an, was Gegenstand der Mietverträge war. Nach dem Vorbringen der Beteiligten ist es nicht auszuschließen, daß die Kegelbahnanlage der Klägerin zwei Bahnen umfaßt. Das FG wird hierzu Feststellungen treffen müssen und ferner zu ermitteln haben, ob sich die Vermietung jeweils auf einen Gebäudeteil einschließlich Betriebsvorrichtung (d.h. gesamte Kegelbahnanlage, evtl. teilweise nur zum Mitgebrauch) oder ausschließlich auf eine Betriebsvorrichtung (einzelne Bahn) bezog.

7. Die oben (Abschnitte 2 bis 5) bezeichneten Rechtsgrundsätze stehen in Einklang mit der Richtlinie 77/388/EWG. Der Senat kann im Ergebnis den von Dziadkowski in Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1993, 157 und von Lohse in UR 1994, 150 vorgebrachten Bedenken (vgl. auch Küffner/Ritzer, Deutsches Steuerrecht 1993, 1761) nicht beitreten.

a) Die Richtlinie 77/388/EWG definiert den Begriff "Vermietung" nicht. Es muß deshalb zur Begriffsbestimmung auf die gesetzlichen Regelungen der Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden, wie dies für die Fälle der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe in Art.13 Teil B Buchst.b Nr.1 der Richtlinie 77/388/EWG ausdrücklich vorgeschrieben ist. Der Rückgriff auf innerstaatliches Recht ist solange und soweit erforderlich, wie der Richtlinie --insbesondere in der Interpretation durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)-- keine eigenständige Regelung zu entnehmen ist.

b) Für die Vermietung von Sportanlagen, d.h. auch für die Vermietung von Kegelbahnen, enthält die Richtlinie 77/388/EWG keine einschlägige Bestimmung. Die diesbezügliche Auslegung von Satz 1 des Art.13 Teil B Buchst.b der Richtlinie 77/388/EWG bleibt unberührt von dem Umstand, daß Großbritannien --worauf Lohse (a.a.O.) hinweist-- in seinem Mehrwertsteuergesetz die Überlassung von Sportanlagen von der Befreiung der Vermietung von Grundstücken ausgenommen hat. Denn Ausnahmen vom Geltungsbereich der Befreiung sind gemäß Satz 2 des Art.13 Teil B Buchst.b der Richtlinie 77/388/EWG ausdrücklich zugelassen.

c) Da der Senat am Inhalt des Gemeinschaftsrechts keine Zweifel hat und keine Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft erkennen kann, bedarf es keiner Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art.177 Abs.1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65245

BFH/NV 1994, 74

BStBl II 1994, 775

BFHE 175, 147

BFHE 1995, 147

BB 1994, 1628

BB 1994, 1628 (L)

DB 1994, 2067-2068 (LT)

DStR 1994, 1149-1150 (KT)

HFR 1994, 676-677 (LT)

StE 1994, 477 (K)

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