Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

ß 179 Abs. 3 LAG geht als lex specialis dem § 113 AO vor. Die Beschränkung der Haftung gilt auch für den Fall, daß nach Auflösung einer OHG ein Gesellschafter den Betrieb übernimmt.

LAG § 179 Abs. 3; AO § 113.

 

Normenkette

AO § 113; LAG § 179 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist vom Finanzamt für die Kreditgewinnabgabe der inzwischen aufgelösten OHG X. als früherer Gesellschafter dieser Firma haftbar gemacht worden. Gesellschafter der OHG waren am Währungsstichtag außer dem Bf. die Herren A. X. und B. X. Mit Wirkung vom 31. Dezember 1949 ist das Gesellschaftsverhältnis dadurch beendet worden, daß der Gesellschafter B. X. und der Bf. aus der OHG austraten. A. X. führte von da an das Handelsgeschäft als Einzelkaufmann unter Übernahme der Aktiven und Passiven weiter. Durch den Auseinandersetzungsvertrag verpflichtete sich A. X., den Bf. von allen Verbindlichkeiten der OHG freizuhalten. Diese Verpflichtung bezog sich nicht auf Soforthilfeabgaben oder Lastenausgleichsverpflichtungen. Ferner erhielt der Bf. das auf seinem Kapitalkonto stehende Guthaben von 5.556,12 DM zuzüglich eines weiteren Betrags von 2.500 DM, insgesamt also 8.056,12 DM, verschiedene Inventarstücke, ein Gehalt von 500 DM monatlich für Januar, Februar und März 1950 und ein unentgeltliches Nutzungsrecht an seinem bisherigen Arbeitszimmer.

Der Bf. bestreitet seine Haftungsverpflichtung. Der Betrieb sei unentgeltlich auf den jetzigen Betriebsinhaber übergegangen und nach ß 185 Abs. 2 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) sei dieser alleiniger Abgabeschuldner. Die anläßlich der Auflösung der OHG erhaltenen Inventarstücke seien veraltet und geringwertig, die Auszahlung des Eigenkapitalkontos sei kein Entgelt für das Ausscheiden eines Gesellschafters. Auch habe er schon im Sommer 1950 auf die Auszahlung der 8.056,12 DM verzichtet. Die Übernahme des Verlustes aus 1949 durch den verbliebenen Betriebsinhaber beruhe auf dessen groben Verfehlungen. Hieraus könne eine entgeltliche Übernahme des Betriebes nicht gefolgert werden. Darüber hinaus sei der Übernehmer verpflichtet worden, ihn, den Bf., von allen Verbindlichkeiten der OHG freizuhalten. Die Kreditgewinnabgabe, an die bei der Auseinandersetzung nicht habe gedacht werden können, gehöre nicht zu den von der Freihaltungspflicht ausgenommenen Lastenausgleichsverpflichtungen.

Die Kreditgewinnabgabe sei überdies zur Hälfte dem jetzigen Inhaber der Firma erlassen worden; der Haftungsbescheid entspreche daher auch aus diesem Grund nicht der Sach- und Rechtslage.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Abgabeschuldner sei nach dem Gesetz die OHG, für deren Schulden die Gesellschafter - also auch der Bf. - unbeschränkt hafteten. § 185 Abs. 2 LAG komme nicht zum Zuge, weil der Betrieb nicht unentgeltlich, sondern gegen ein angemessenes Entgelt auf den Erwerber übergegangen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Nach § 174 LAG ist im vorliegenden Fall Schuldner der Kreditgewinnabgabe die OHG, die unbestrittenermaßen nach dem 20. Juni 1948 und vor Inkrafttreten des LAG aufgelöst worden ist. Daß die gesamte Abgabeschuld nicht auf den verbleibenden Gesellschafter übergegangen ist, hat das Finanzgericht bereits zutreffend gewürdigt. § 185 Abs. 2 LAG kommt nur zum Zuge, wenn der Betrieb unentgeltlich übergegangen ist oder die Gegenleistung mehr nach den persönlichen Beziehungen als unter dem Gesichtspunkt ihrer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit bemessen wird. Die Feststellung des Finanzgerichts, daß beide Fälle nicht vorliegen, entspricht dem Inhalt der Akten und ist ohne Rechtsirrtum getroffen worden. Auch die Übernahme des Betriebs gegen Auszahlung des Kapitalkontos ist entgeltlich, abgesehen davon, daß dem Bf. auch noch andere Wirtschaftsgüter zugesprochen worden sind.

Der vom Bf. vorgetragene Erlaß, der einem Gesamtschuldner nach ß 131 der Reichsabgabenordnung (AO) gewährt worden ist, berührt das Verfahren gegen den Bf. nicht; bei Anwendung des § 131 AO kommt es nur auf die persönlichen Verhältnisse des Schuldners an. Auch die vom Bf. behauptete Freihaltungsverpflichtung des übernehmenden Gesellschafters berührt seine Abgabepflicht gegenüber dem Finanzamt nicht.

Die Haftung der Gesellschaft und damit die Haftung des Bf. ist im allgemeinen nach § 113 AO gegeben. Für den Fall aber, daß jemand in der Zeit zwischen der Währungsreform und dem Inkrafttreten des LAG im Zuge der Abwicklung einer der Kreditgewinnabgabe unterliegenden Gesellschaft vermögen als Abwicklungserlös empfangen hat, haftet er gemäß § 179 Abs. 3 LAG für die Abgabeschuld der Gesellschaft nur bis zur Höhe des gemeinen Werts des Empfangenen zur Zeit des Erwerbs. Es kann dahingestellt bleiben, ob man den hier vorliegenden Erwerb des Handelsgeschäfts durch den Gesellschafter A. X. als Abwicklung im Sinne des § 145 HGB ansehen kann. Auch wenn diese Frage zu verneinen ist, muß man den dem § 179 Abs. 3 LAG zugrunde liegenden Rechtsgedanken anwenden. Der Gesetzgeber hat Rücksicht darauf genommen, daß in der Zeit zwischen dem 20. Juni 1948 und dem Inkrafttreten des LAG die Gesellschafter die Höhe der Kreditgewinnabgabe nicht kennen und in ihre Überlegungen einbeziehen konnten. Die Beschränkung der Haftung auf den Wert des Empfangenen muß aus dem Zweck des § 179 Abs. 3 LAG auch dann gelten, wenn - wie hier - ein Gesellschafter den gesamten Betrieb der Gesellschaft in der obengenannten Zeit übernommen hat. Für diesen Fall der Abwicklung geht § 179 Abs. 3 LAG als lex specialis der allgemein gültigen Vorschrift des § 113 AO vor. Es ist darum erforderlich, festzustellen, wie hoch der gemeine Wert dessen ist, was der Bf. bei der Abwicklung tatsächlich erhalten hat. Das ist von den Vorinstanzen versäumt worden.

Die Sache wird darum zur Überpfüung dieser Frage an das Finanzamt zurückverwiesen; auf den dabei festgestellten gemeinen Wert des Empfangenen ist die Haftung des Bf. zu beschränken.

Auch die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes und die Kosten des gesamten Verfahrens werden dem Finanzamt übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409113

BStBl III 1958, 339

BFHE 1959, 176

BFHE 67, 176

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